Herbstbild

[200] Die Feuer leuchten durch die laue Nacht,

Zum Himmel sprüht und steigt die Funkenpracht.


Der Jubeldonner kracht von Berg zu Berg,

Gesang und Tanz, Musik und Feuerwerk!


Dort unten aber bei den schwarzen Hütten,

Die Kelter dröhnt in stummer Winzer Mitten.


Und von der schweren, heißen Arbeit müd,

Ein Mädchen steht, sie seufzet auf und glüht.


Ein guter Wein! Ihn bauten meine Eltern –

O Weh, da strömt er aus fremden Keltern!
[200]

Ein edler Wein! ha laßt Raketen steigen!

Vor keiner wird sich seine Blume neigen.


Bei allen Festen wird er reichlich fließen,

In alte Glieder neubelebend schießen.


Bei Hochzeitmahlen wird er feurig kreisen,

Und aller Orten werden sie ihn preisen!


Ich aber bin ein armes, krankes Kind,

Ich werde weinen, wenn sie fröhlich sind.


Ich aber werde niemals Hochzeit haben,

Und unser Wein, euch wird er niemals laben.


So klagt das Kind und in der Mondnacht draußen

Die Feuer steigen und die Feste brausen.


O stille Herz! Wird es auch rosig tagen?

Wann wird kein Mägdelein mehr also klagen?

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 200-201.
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