Laissez faire

[198] Motto: Habe nun ach etc.


O so gebt mir ein Lied, ein geflügeltes Lied der Begeisterung, Lieder der Liebe –

Ihr bewegenden Mächte der menschlichen Brust, ihr Gedanken und herrlichen Triebe!

Aus der glühenden Seel ach! entquelle der Strom, aus der vollen Seele die Dichtung,

Und sie rausche dahin ungezügelten Muths, nur erfüllend des Schönen Verpflichtung.[198]

Denn es jagt ein Gefühl wohl ein heißes Gefühl des Verlangens durch all meine Glieder,

Zu erquicken den Sinn und zu baden das Hertz in dem göttlichen Ozean wieder.

Zwar ich weiß wohl, es steht mit abwinkender Hand da die Zeit und belächelt die Gluten,

Und sie schwenket mit Macht ihre Fahne mir zu, nur in dieser zu siegen, zu bluten;

Für die Wissenschaft nur und politische That wird ein Lorbeer noch fürder gedeihen:

Ja, dem Forscher den Kranz! und dem ehernen Mann aus des Tages wilden Parteien!

Doch ich beuge mich nicht, noch erschreckt mich der Spruch, seht, ich biete die Hand nur zum Bunde –

Wer, o sagt mir, vermag da zu sichern den Streit, und zu schließen geschlagene Wunde,

Zu behüten im Sturm all die Blüthen des Geists? und wohlan sei die Gegenwart Richter!

Sind der Herzen doch viel, die zu schlagen gewohnt – nun es fordert sein Recht auch der Dichter.

Quelle:
Ludwig Eichrodt: Leben und Liebe, Frankfurt a.M. 1856, S. 198-199.
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