5. Szene

[212] Vorige.

Von rechts vorn kommen: Der Herr, der erste und der zweite Freier, etwas später das Fräulein, der dritte Freier und der dichtende Freier. Das Gärtnermädchen, sehr hübsch, kommt mit einer Gießkanne während der Szene nach dem Auftritt des Herrn von rechts hinter dem Turm hervor und begießt unter Anweisung des alten Gärtners die Blumenbeete.
[212]

DER ERSTE FREIER dick, kahlköpfig, Kneifer auf der Nase, Bleistift, den er ableckt, in der Hand, Notizblock in der andern. Spricht mit fetter Stimme, kurz, geschäftlich. Er ist etwa 35 Jahre alt, sieht aber älter aus, trägt grauen Jackettanzug, Hut nach hinten gesetzt. Wie sagen Sie? Fünfhundert Joch schlagbarer Wald? Lächerlich. Das muß zehnmal so viel tragen, sag' ich Ihnen. Warten Sie ... Rechnet auf dem Block. Fünfhundert ...

DER HERR fünfzigjährig, glatt rasiert, sehr gut gekleidet, kalte, stets etwas lächelnde, lauernde Augen. Typus: besitzender Verächter. Spricht weniger, als sein Lächeln sagt. Zum zweiten Freier, der an seiner ändern Seite geht. Wann ist die Wahl?

DER ZWEITE FREIER energisch, groß, selbstbewußt. In vierzehn Tagen.

DER HERR. Sie haben Chancen?

DER ZWEITE FREIER sehr selbstbewußt. Darüber ist nicht mehr zu reden.

DER HERR. Der Minister will die Reform durchdrücken?

DER ZWEITE FREIER. Lächerlich. Wir sind auch da.

DER HERR. Aber wir sind schwach.

DER ZWEITE FREIER. Nur, wenn wir nichts riskieren.

DER HERR. Wieviel?

DER ZWEITE FREIER. Zwischen fünf und zehn Milliarden.

DER HERR. Und was dafür?

DER ZWEITE FREIER. Macht. Unbegrenzte Macht.

DER ERSTE FREIER. Was ich gesagt habe! Wenn wir gleich schlagen, arbeiten wir mit tausend Prozent. Da ist schon alles eingerechnet, die Motorsäge, die Zustreifung zur Bahn, alles. Wenn Sie wollen, telegraphiere ich sofort an die »Howag«, die wollen dringend auf fünfhundert Waggon abschließen, greifbar Bahnhof. Wollen Sie?

DER HERR lächelt. Gutes Geschäft, was? Warten wir noch.

DER ERSTE FREIER. Warten? Warten ... Dann macht's ein anderer.

DER HERR. Ich habe auch sonst noch allerhand.

DER ERSTE FREIER. Das lassen Sie ja auch alles liegen! Herrgott, wenn ich was zu sagen hätte ...

DER HERR. Bitte, reden Sie nur ...

DER ERSTE FREIER. Der Meierhof allein müßte das Ganze tragen. Acker und Wald und was sonst darüber ist, hätte ich rein, sage ich Ihnen.

DER HERR. Hätten Sie ... ich habe.

DER ZWEITE FREIER. Das ist also das neue Haus?

DER HERR. Ja, das Arbeiterhaus.

DER ERSTE FREIER. Was? Arbeiterhaus? Sehen Sie: das ist wieder Luxus.

DER HERR. Vielleicht doch nicht.

DER ZWEITE FREIER. Das wird guten Eindruck machen.

DER HERR. Na eben. Vielleicht erspart es mir fünf Milliarden.

DER ZWEITE FREIER. Was haben, Sie für Leute?

DER HERR. Lauter Fremde. Ganz junges Volk.[213]

DER ERSTE FREIER. Für wen lassen Sie das bauen?

DER HERR. Die es bauen, werden selber drinnen wohnen.

DER ZWEITE FREIER erstaunt. Ah ...!

DER HERR. Feldarbeiter, Jäger, Winzer, Heger, Gärtner. Zum alten Gärtner, der mit dem Fremden ganz nahe kam. Was treiben die?

DER ALTE GÄRTNER. O, die sind immer lustig, arbeiten und lachen dabei.

DER HERR auf den Fremden deutend. Wer ist das?

DER ALTE GÄRTNER. Ein Fremder, der sich angetragen hat.

DER HERR dessen Blick sich mit dem des Fremden kreuzt und in ihm ruhen bleibt. So ...? Ein Fremder ...? Kurze Pause.

DER ERSTE FREIER zum zweiten. Er soll achtgeben mit dem dahergelaufenen Volk.

DER ZWEITE FREIER. Was kümmert's uns? Deutet gegen rechts. Da, sehen Sie: Ich glaube, sie nimmt doch noch den albernen Kerl mit seinen Versen ...

DER HERR zu den Freiern. Wollen wir uns nicht den Bau ansehen?

DER ERSTE FREIER indem sie gegen links gehen. Wie gesagt: Ich halte das für einen Luxus. Die Leute sollten lieber den Wald schlagen und aus der Wirtschaft mehr herausziehen ... Das alles ist viel zu wenig ausgenützt. Tausend Prozent, sag' ich Ihnen ... netto ... Indem er auf seinen Block deutet und in den Herrn hineinredet, gehen der Herr, der erste und der zweite Freier nach links gegen den Bau ab.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 212-214.
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