6. Szene

[214] Das Fräulein, der dritte Freier und der dichtende Freier kommen zugleich nach vorn.


DER DRITTE FREIER stattlich, in elegantem Sportdress. Eroberertyp. Sport müßten Sie da treiben, meine Gnädigste. Ein so ideales Terrain für Schnitzeljagd und Fuchstrieb habe ich noch nirgends gesehen. Und dann im Winter ... Wie könnte man da Schlittenjagen ...

DER DICHTENDE FREIER halb für sich. An kalten Wintertagen im Schlitten hinzu jagen ...

DAS FRÄULEIN. Muß sich alles reimen?

DER DICHTENDE FREIER. Störe ich Sie stark damit, Adorata?

DAS FRÄULEIN. O nein.

DER DRITTE FREIER. Aber mich.

DER DICHTENDE FREIER. A, das macht nichts.[214]

DER DRITTE FREIER. Und im Schloß drüben müßte dann immer ein Ball sein. Es gibt nichts Reizenderes, als wenn man, noch von der Schneeluft durchfrischt, mitten in den Tanzsaal springt ...

DER DICHTENDE FREIER. Sich im Reigen schwingen, wenn die Geigen klingen ...

DER DRITTE FREIER. Da unten würde ich den Teich mindestens fünfmal so groß anlegen. Da gäbe es Kahnfahrten, venezianische Nächte ...

DER DICHTENDE FREIER singt. Sul mare luccica l'astro d'argento ...!

DER DRITTE FREIER. Ich bitt' Sie, hören Sie auf ...!

DER DICHTENDE FREIER. Das war ja gar nicht von mir.

DER DRITTE FREIER. Nein: Aber trotzdem Kitsch. Zum Fräulein. Das ist ja gar nichts hier. Wozu hätte man Schloß und Wald und Garten und weiß Gott was, wenn man nicht soviel als möglich genießen sollte. Das schläft ja alles. Viel zu wenig Menschen sind da, kein Leben, kein Betrieb! Ein Fest müßte das andere jagen ... und jeden Abend müßten Sie Ballkönigin sein. Das würde Sie schon freuen ...

DAS FRÄULEIN leicht kokett. Kann sein ... wenn Sie mich dazu krönen.

DER DRITTE FREIER. Oh ... Er küßt ihre Hand und sieht sie heiß begehrend an.

DER DICHTENDE FREIER. Ist das der Heidenturm?

DAS FRÄULEIN. Wollen Sie ihn ansehen? Es ist nicht viel Besonderes dran.

DER DICHTENDE FREIER. Oh, gerade so alte Türme beflügeln meine Phantasie.

DER DRITTE FREIER. Da will ich lieber nicht stören. Ruinen sind nicht mein Fall. Ich schau' mir lieber da drüben den Neubau an.

DAS FRÄULEIN. Wir kommen nach. Auf Wiedersehen.

DER DRITTE FREIER. Viel Vergnügen und gute Reime ... Ab nach links.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 214-215.
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