7. Szene

[215] Vorige ohne den dritten Freier.


DER DICHTENDE FREIER. Das ist ein unangenehmer Mensch. Immer redet er nur vom Reiten und Schießen und Schlittenfahren und Tanzen. Als ob es nichts Höheres auf der Welt gäbe. Sehen Sie, Adorata, für so einen alten Turm gebe ich alles andere her. Das ist Stil. Ich find' überhaupt, alles, was alt ist, hat Stil. Nicht?

DAS FRÄULEIN. Meinen Sie? Gehen gegen die Bank.[215]

DER DICHTENDE FREIER. Nämlich Häuser und Möbel und so Sachen. Menschen nicht? Die haben wieder gewöhnlich in der Jugend mehr Stil. Nicht? Ich denke schon lang über diese Frage nach, aber ich komme zu keinem Ende.

DAS FRÄULEIN hat nur halb hingehört, da sie den Fremden ansah, der eben bei einem Rosenstrauch neben dem Turm arbeitet. Wie?

DER DICHTENDE FREIER. Woran haben Sie denn jetzt gedacht, Adorata?

DAS FRÄULEIN. Was sind das für Rosen?

DER DICHTENDE FREIER schaut überrascht hinüber. Wie? Ach dort? Zum Fremden. He, Gärtner! Wie heißen die Rosen?

DER FREMDE ruft. Du! Der junge Gärtner kommt. Wie die Rosen heißen ...

DER JUNGE GÄRTNER. »Prinzessin Marpalye«.

DER DICHTENDE FREIER sieht verständnislos vom Fremden zum Gärtner, zum Fräulein, sagt nach. »Prinzessin Marpalye«.

DAS FRÄULEIN auf der Bank. Das war die Tochter des Heiden im Turm. Leise zum Freier. Haben Sie den Gärtner angesehen?

DER DICHTENDE FREIER. Den dort?

DAS FRÄULEIN auf den Fremden weisend. Den. Sieht er nicht aus wie ein vertriebener König ...?

DER DICHTENDE FREIER. Hehe ... Ich habe noch nie einen vertriebenen König gesehen ...

DAS FRÄULEIN. Dann sind Sie kein Dichter.

DER DICHTENDE FREIER überhörte es, da er nach dem Fremden schaute, wendet sich jetzt nach dem Fräulein. Hat denn der Heidenkönig eine Tochter gehabt?

DAS FRÄULEIN. Solche Könige haben immer Töchter. Das wissen Sie nicht? Ich glaube, Sie kennen alles nur so weit, bis es gerade interessant wird.

DER DICHTENDE FREIER. Ich habe nur von einem König gehört, der alle umbringen ließ.

DAS FRÄULEIN. Aber nein. Sie mußten mit ihm kämpfen.

DER DICHTENDE FREIER beinahe erschrocken. Kämpfen! Kämpfen! Ja um was denn?

DAS FRÄULEIN. Um alles. Um Gold und Reich und Macht ... und um die Tochter, eben die Prinzessin Marpalye.

DER DICHTENDE FREIER. Nach der die Rosen heißen?

DAS FRÄULEIN. Ja, nach der die Rosen heißen. Die soll nämlich sehr schön gewesen sein. Und ich vermute immer, das war der Grund, weshalb alle Ritter und Freier unterlegen sind.

DER DICHTENDE FREIER. Ah, das ist aber sehr interessant. Wenn man das zu Ende denkt, so wird's ganz anders, als es zuerst aussieht.[216]

DAS FRÄULEIN. Das ist gewöhnlich so bei allen Dingen. Man muß eben zu Ende kommen. Darauf kommt es an.

DER DICHTENDE FREIER. Ja ... ja ... Und weiß man nicht, wer sie schließlich bekommen hat, die Prinzessin? Denn einer muß sie doch gekriegt haben, nicht?

DAS FRÄULEIN. Muß einer ...?


Der Fremde ist wieder nahe. Jetzt begegnen seine Augen denen des Fräuleins und sie sehen einander an. Ein Donner murrt in der Ferne.


DER DICHTENDE FREIER. Wir bekommen noch ein Gewitter.

DAS FRÄULEIN indem sie an allem vorbeisieht, als spräche sie im Traum. Ich habe gehört, die Prinzessin Marpalye betäubte durch einen Schlaftrunk jeden Freier, ehe er den Kampf mit dem Heiden wagte. Und so unterlagen alle. Langsamer. Bis einer kam, der nicht davon trank ... Neuer starker Donner.


Quelle:
Bruno Ertler: Dramatische Werke. Wien 1957, S. 215-217.
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