[283] Faust – Faustens Vater.
VATER.
Ist's wahr, mein Sohn, was sie mir sagen:
Willst mit dem Teufel dich vertragen?
FAUST.
Ach Vater, hört sie nicht. Ihr wißt,
wie viel aus Luft gesponnen ist!
VATER.
Drum frag' ich dich. Doch du weichst aus!
Mein Sohn! Mein Kind! Ach, komm nach Haus!
FAUST ungeduldig.
So laßt mich doch! Was soll ich dort?
Mich hält mein Amt. Kann hier nicht fort.
VATER.
Die Mutter liegt zum Tode krank,
bald werd' auch ich mich sterben legen.
Wir wollen ja nicht Lohn und Dank,
nur komm, empfange unser'n Segen!
Empfange ihn an jenem Orte,
den du zum Himmel uns verklärt,
der deiner Kindheit erste Worte,
dein reines Lachen einst gehört.
Des kleinen Hauses arme Schwelle,
sie schützt dich treu vor List und Pein.
Dem Teufel muß verwiesen sein
der Mutterliebe heilige Stelle.
Das Ackerfeld, der Baum voll Frucht,
des vollen Jahres Auf und Nieder:
Sie heilen dir die wilde Sucht
und schenken dich der Erde wieder.
O, komm, mein Sohn! Entsag' dem Bösen
und werde, was du einst gewesen!
FAUST gequält.
Macht mir mein Blut nicht schmerzen!
Ihr kennt mein Wollen nicht
und reißt an meinem Herzen
mit bleiernem Gewicht!
Euch fließt in festen Räumen
von Saat und Frucht die Zeit –
Ich aber darf nicht säumen:
Mein Tun ist Ewigkeit![283]
VATER.
Nur Hoffart tönt aus jedem Worte,
Bekräftigung verweg'ner Schuld!
FAUST.
Ach, Vater! Meidet meine Pforte,
Ihr foltert meine Ungeduld!
Was frommt es Euch, mich aufzuwühlen?
Seht Ihr mein hartes Ringen nicht?
Wohl kann ich Eure Sorge fühlen,
doch auch mein Weg hat seine Pflicht.
Was Vater ist, mag sich bescheiden
auf weiser Höhe, stark und still,
vor einer Welt, die ihre Leiden
und Wonnen neu sich schaffen will.
Im Zeugen keimt schon das Entsagen
und Tod ist aller Liebe Preis:
Wir, die auf euren Schultern ragen,
durchmessen einen andern Kreis.
VATER.
Mir ist, ich hör' den Teufel sprechen,
in Worten gleißnerisch und fein.
FAUST auffahrend.
Es kann auch Liebe ein Verbrechen
und Sorge eine Folter sein!
VATER.
Verirrter! Laß dich nicht betören!
Und willst du schon auf mich nicht hören,
so magst doch deine Mutter seh'n.
FAUST.
Ich kann hier nicht von hinnen geh'n.
VATER.
So sei verflucht auf ewige Tage!
FAUST hebt die Hand.
Hinaus!
VATER.
Du hebst die Hand zum Schlage?
Verblendeter!
FAUST drängt ihn zur Türe.
Nur fort von hier!
VATER stürzt bei seiner Berührung sterbend nieder.
Mein Sohn ermordet mich! Wehe mir!
Fällt in die Kulisse; stirbt.
[284]
Buchempfehlung
Nach einem schmalen Band, den die Droste 1838 mit mäßigem Erfolg herausgab, erscheint 1844 bei Cotta ihre zweite und weit bedeutendere Lyrikausgabe. Die Ausgabe enthält ihre Heidebilder mit dem berühmten »Knaben im Moor«, die Balladen, darunter »Die Vergeltung« und neben vielen anderen die Gedichte »Am Turme« und »Das Spiegelbild«. Von dem Honorar für diese Ausgabe erwarb die Autorin ein idyllisches Weinbergshaus in Meersburg am Bodensee, wo sie vier Jahre später verstarb.
220 Seiten, 11.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro