Der 129. Psalm

[816] Sæpe expugnauerunt me.


Ein Tröstlicher Danckpsalm, für die stäte beschützung vnd erlösung der Kirchen, vnd verhönung jrer Feind.


In der weis des 15. Psalmens O Herr wer wird, etc. Oder des 14. Es spricht der vnweisen, etc.


1.

Israel billich sag also,

auch die Christlich gemeinde,

Sej lustig, freudig vnd ser fro,

sing also von sein Feinden

'Sie haben vns nun oft getreugt,

von kind auf vns seer nachgeheuckt,

gäntzlich zu untertrucken.


2.

Sie haben vns jtzt lang getrengt

von vnser jugend here,

Aber vns doch noch nicht gesenckt,

wiewols dran waren seere,

Sie haben vnns nicht vbermocht,

wiewol sie haben vil erdocht,

es mochte jhn nit glücken.[816]


3.

Sie han vns in den Pflug gespant,

das sie vns untertrucken,

Haben die Furchen in dem Land

gzogen aus vnsern rucken:

Wir haben jhu die Furchen lang

müsen machen mit grosem trang,

jr Menschengsatz zu schmucken.


4.

Sie schlugen mich, das ich mich bigt,

das es nit anders sahe

Als ob mein rucken wer gepflügt,

welchs mir zu trotz geschahe.

Aber der HERR, so gerecht ist,

hat jre Seil vnd strick erwischt

vnd sie ghauen zu stücken.


5.

Der HERR hat mich aus dinstbarkeit,

dem schweren Joch, gerissen,

Drumm wird sein nam vor grosser freud

billich von mir geprisen.

Ach, das zu schanden müßten gou

all die Feind so gramm sind Sion

vnd sich vor jr nicht tucken!


6.

Die Sions Kirch anschauen schlimm

vnn lans jhn nit gefallen,

Ach, das jhn kein heil nie gezimm

vnd kein trost haben alle!

Ach, das sie müßten eben sein

gleich wie das gras auff Tächern gmein,

welchs bald wirt dürr vnd trucken,


7.

Vnd müßten wie dasselbig gras

verdorren vor der zeite,

Das es ein jder wind hinblas,

eh man es je abschneide,

Das nit dem Schnitter komm zu nutz,

wan er es fleissig schon abstutzt,

nichts in sein hand doch trucke.


8.

Vnd so der Schnitter nit sein hand

hat darvon fullen mögen,

Dieweil es nur klebt an der wand

vnd mag kein grund nicht legen,

So wünsch ich, das noch minder sind

der welcher darvon garben bind,

weil er zum schein sich bucket,


9.

Das keiner der für über geht

vnd sihet dise mähen

Zu ihnen disen segen red,

wie sonst pflegt zu geschehen,

'Des Herren segen vber euch,

wir wünschen zumal allē gleich

vons Hertzen Namen glücke.


Quelle:
Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts, Leipzig 1874, S. 816-817.
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