Das Zwentzigst Capitel.
Wie Gargantua den Parisern seinen Willkomm gab, und die grosse Glocken von unser Frauenkirch nam, darauß eine grosse Disputatz kam.

[215] Etlich Tag nacher, als sie sich wider von der Reyß mit Rebenkrafft erkräftiget gehabt, gieng er mit seinem anhang die Statt zubeschauen: da lieff die gantze Welt zu, ihn mit grosser wunderung zubegaffen, das schön Troßbüblin, welchs einem Kerles mit dem Spieß hett hinweg tragen mögen: Dann daß Volck zu Pariß ist so närrisch, so Fotzenthürlich, so Futzspitzig, so wunderfützig, so fürwitzig von Natur, daß ein Gauckler, ein Quacksalber, ein Ablaßkrämer, ein Maulesel mit Cymbalen unnd Schellen, zwey balgende Weiber, ein Teutscher Latz auff dem Kopff, ein blinder Spieler auff der Strassen, meher Volcks solte sammelen, als der best Evangelien Prediger: dann die Regel gilt bei ihnen, Ist es nicht besser, so ist es doch schöner, sagt einmal ein Blinder, zeyget ihm die Frau das Loch fürs Liecht.

Derhalben giengs unserem Gargantua allda auch also, dann sie trängten ihn also sehr, daß er getrungen ward sich auff den höchsten Thurn Nostre Dame zusteuren. Inn dem er nun des zulauffens kein end, und so eine grosse Welt umb sich sahe, sprach er über laut: Ich glaub daß dise unfläterlin, unnd Liartpastetlin gern wolten, daß ich ihnen hie meinen Willkomm zale, unnd daß Proficiat gebe. Hei ja, es ist billich, Beim Risenwadel, ich will ihnen den Wein schencken, aber nur lachendes Munds, par riß, unnd gleich den Zotten also par reissen. Fieng demnach an zu lachen, den Barchat zureissen, seinen Latz zuentbreisen, und sie so Krotten und Katzenseychisch zubeseychen, unnd zubeschmeysen, daß er[215] zwey hundert sechtzig tausent, vierhundert achtzehen erseufft, ohn Weiber unnd Kinder, die gehn drein. Ein anzahl ihren entran diser Seichschwämme unnd Pissefort, durch hilff gänger, oder viel mehr läuffiger, ja geschwinder dann der Wind füssen, und geflügelter Fersen, auff Pegasisch volante Caballo. Als sie nun an das höchst Ort des theils der Statt, welchs die unniversitet heißt entkamen, und schwitzten, und schnaufeten, und husteten, und speieten und kaum atham hatten, fiengen sie an auff gut Parisich zubetten, zufluchen und zuschweren, daß es donneren möcht, etliche auß zorn, andere lachends munds, per riso, weil mans also offenbar ihnen also parriß, schnatterten, tadderten, kläpperten, unnd schnäbelten zusammen, wie die Vögel wann sie dem Garn entwischen, und etlich Gesellen dahinden liessen: Carymary Garymara, Scharifari Scharifara, Hammira Hummira, Danderlo, Dunderlo, Ketten für: Das dich die Höllische darr ankomm, daß dir Sant Asmus Haspel die Därme zerwirr: daß dir der Schorbock inns Ding schlag: Sammer botz Heyligen kreutz, bei allen Heyligen im Calender, man hat uns lachends Munds, paris gen Baden geführt, Pariß man uns den Zotten, ja gar zerrissen Stümpff, die Fasen kleben uns noch dahinden. Daher ward darnach die Statt Pariß geheyssen: welche zuvor Lucece genannt ward, wie Strabo meldet Lib: 4 Das ist zu Griechisch Weißloch von Weißbaden und Schartzwaden, vonwegen der weissen Beyn unnd Posterioren desselbigen Orts Frauen: Dann als Paris von Troia zwischen den trei Frauwen den Apffel außtheilt (daher noch der löblich brauch des Stein auß gebens) sah er mehrtheils nach denselben zweyen Stücken, wie noch der Beynschauer mehr: dan an Fersen sieht man, ob eine mit dem Arß kan Zundel schlagen. Viel heissen die Statt von Luto, weils Luter Kaat Endten da hat. Aber vom Paradyß hats den Namen, wie jener farend Schuler die Bäurin uff dem kropff ließ als sie ihrem gestorbnen Man kleider unnd zerung schickt.

Jedoch weil bei stifftung deß ersten Namens ein jeder auß dem gantzen umbstand der Pariser bey den Heyligen seiner Pfarr rüstung unnd reysig schwur, als ein andächtig Pfarrkind, seind noch auff den heutigen tag die Pfarrhiser, als ein Volck von allen enden und stücken geflickt, von Natur beydes[216] gute Jureurs unnd Juristen, Gottsächter unnd Gutsrechter, Barenscheisser unnd Pfarrenreisser, die nur ihren lust haben den Leuten außzuschneiden und Häuser nider zureissen, darumb heissen sie Bärenreisser, sind freche Parides, die inn den Toden Achillem stechen, sind Hasen, die umb den toden Lewen dantzen unnd ihm den Bart außreissen, daher sie heisen vom Bart reissen, sind öpffelspiler zu ernst, wie ihr Hundsfutt Pariß, fressen die toden Hugenoten inn Pasteten. Weil sie dann so mutig mit worten unnd morden sind, so meinet Joaninus de Barraveo im Buch de copiositate reverentiarum, daß sie auff Griechisch Parrhesier genannt seyen worden, als farrenfrech mit schwetzen und pletzen, ja par Esel, und ein par häßle inn einer heissen Birenpastet. Mais horch Pareiser, wann einer dein fleisch inn einer Pasteten eß, freß er nicht Schelmenfleisch? ich frag nur.

Nach dem nun gedachtes Seichbad vergangen, besah er die grose Glocken desselben Thurns, und liesse sie gar harmonisch unnd wolstimmig zusammen läuten, unnd Salve puella drauff machen: Welcher klang ihm so wol geful, daß er gleich gedacht, dise Kirchschellen unnd Schlittenglocken möchten seinem Hammelthier an seinem hälßlin wol anstehn so brächt es auch etwas neues auß dem Bad: dann er wolts wider seim Vatter heimschicken, beladen mit getreyd und frischen Häringen, die kein Spanische Schlänglein in ihnen hatten. That ihm auch also, unnd nam die Glocken mit ihm inn sein Herberg. Under deß schlich daher ein Schunckenkommenther von Sant Tönigs Ritterschafft, welche nit Seeräuber zu Mör, sonder Säuräuber zu Land seind, statzionirt uff der Säugart herumb ein Schweinene Beut zuerjagen, und meint ihm und seiner Sau stünden die Glocken auch wol an, so möchte man sein Heiligthumbeselige Suitet, wan er Gribenklingelet von weitem hören, und den Speck im kärner erschrecken, daß die hespen zu den kämeten abfallen: derhalben wolt er sie diebisch entlehnen: Aber ehrenhalben ließ ers ligen, nicht daß sie ihm zu heiß waren, sonder daß sie etwas am Gewicht zu schwer wagen, für einen Bruder zuertragen: wie der Römisch Landherr Verres, der alle Bilder nam, ohn die S. Christoffel Triptolemaß, quibus pulchritudo periculo, amplitudo saluti fuit. Wer er nicht der von Burg: dan er ist gar mein gar zu[217] guter freund, ich het ihn schier genent. Die gantz Statt war der glocken halb auffrürisch, wie ihr dann wißt, daß die Pariser dazu sehr leicht geneigt sind, also dz sich fremde Nationen verwunderen müssen der König von Franckreich grosser gedult, dz sie die nit mit gebürlicher Justici züchtigen, angesehen, dz so grosse nachtheil darauß entstehn, wie augenscheinlich, und noch kein end da ist: Aber der Teuffel holt kein pfinnig Sau, dan wz nichts werd ist, gonnt man ihm ohn das wol. Doch geb ich etwz drumb, daß ich die werckstatt wißt, da dise trennungen, und meutereien, ja mördereien geschmidt werden, ich wolt sie inn der Bruderschafft zu dem roten Hut inn der Pfarr zur katzenreinischen Gisabel wol nutz machen: Dann gewiß wann man die Cardines terrae, die Erdhängel, nicht mehr schmiret, so werd ihr sehen, das es der Welt baß gehn wird: aber Ariolator Narriolator.

Damals, wie diß geschach, pflegt das Volck Hurnaussen weiß, Legionisch unnd Belzenbubbisch, dürmisch unnd stürmisch zusammen zukommen an dem Ort, so Neßle genannt, unnd da damals, (heut nicht mehr) das Luletisch (nicht Luterisch, dann diß kam hernach inn die Jacobsstraß unnd under S. Hugons Thor) Oraculum, oder Weissagergeistung war. Daselbst ward der handel fürgebracht, und der groß nachtheil so auß verwendung der Glocken besorglich entstehen möcht erwagen. Als sie nun wol argutirt die köpff erschüttelt und die händ darüber erklopfft hetten pro & contra, ward ihm Baralipton entschlossen, daß man die ältesten und fürnemesten auß der Facultet zu dem Gargantua solt abfertigen, ihm den grausamen schaden vonwegen der verlorenen Glocken fürzuhalten. Unnd unangesehen, daß etliche von der Universitet ihr hochbesinnlich bedencken hetten, das zu disem geschefft viel meher ein Politischer Orator als ein Sophist unnd Scotist zugeprauchen wer, ward doch zu diser Legation unser Meyster Janotus de Bragmado für gut erkant, benant und gesandt, als ein zimlicher unverschamter Janepetischer Ignorant unnd Teologant: dann ihr erfahrt ja heut wol, daß es deß besser inn der Welt steht und geht, weil man Cantzel unnd Cantzelei vermenget.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 215-218.
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