Das Ein und zwantzigst Capitel.
Wie Janotus von Bragmado zu Gorgellantua abgefärtigt, von ihm die grosse Glocken zuerlangen, sehr Schoffmännisch kont prangen.

[218] Meyster Janot von Braccamado auff Cesarnisch beschoren, von guten Sorbonisten haren, bekleydet auff die alt weiß mit seinem Lyripipi und achselpruch: und den Magen wol antidotirt und eingeweihet mit Höllenküchlin auß dem Höllhaffen inn der Fägisch und Pfaffentäsch, unnd mit Weihwasser auß dem Weisteyn und Kessel: deßgleichen mit sein Breviarischen und Tattarerischen Feurbüchßlin an der seiten, gut für S. Quirins unser Gurgelstroßlingers gnad: Füget sich solcher gestalt zu der herberg hinden nach mit eim gezett unnd nachtrab von sechs oder fünff Ertz ungeschickten Meistern unnd Pacemküssigen Nominaten, fein beträpt und beschläpt nach allem lust zu dem Handel, doch etwas sauberer als jener Pfarrherr, der dreymal inns kat ful eh er die Kirch erreicht, und darnach gar zur Kirchen hinein Plumpet, als ob Sanct Paulus vor Damasco nider geschlagen wer, wie er es ungefärlich verglich, und die Bauren bat, daß sie auff morgen wider kämen, da müßts sichs Predigen lassen, und solten sie die Pestilentz auff ihre köpff haben: Also war es auch mächtig wol mit unserem Janotto versehen, wie ein Dorff mit eim unsinnigen Pfaffen unnd ein Statt mit eim stoltzen geitzigen Predigkautzen, es hett müssen ein heiloser Teuffel sein, dem er ein Seel entfurt hett, unnd gewiß ein Plinder-Pratenwender, dem er ein Praten gestolen hett.

Bald zu dem eintritt ersah sie Herr Ehrenwerd Lobkund, unnd erschrack gleich als er sie also entstalt sahe wie ein Spin auß eim Läglin, unnd meint es weren etwann sinn verruckte Faßnachtbutzen, die inn der Mommerei giengen. Dann er kandt noch nicht dise Parisische superpellicia, unnd viereckende Klosterleiblia cornuta und rote Pfrundprot auff dem kopff: ja sie kanten sich auch selber kaum, wie Narr Löbelin, da er ein neuen Rock an hatt, unnd under wegen jederman fragt, ob sie nit den Löbelin gesehen hetten: Sitzt still, sitzt still, sagt jhenes Schultheisenfrauw im neuen Schurtz und[219] Kürssen, zu den Weibern, die zum Evangeli auffstunden, es gedenckt mir auch daß ich euwers gleichen war, unnd die Nollplon hiß: Aber sagt jetzt nit mehr was ich war, sondern was ich bin, Es geht mir auch wie jenem Schulmeister, da er Mist außführet, unnd ein stimm von Himmel hört, Achaci, Achaci laß dein klöpffen sein, du bist zu höherem beruffen, du solt auß eim Nasenfenger ein Hasenfenger werden, wan es schon groppen weren. O wie bin ich meinen Herren so ein werder Man, sie lassen mich nimmer müssig gehn, Frau du hast ein gemachten Herren: Es soll dich wol etwas batten dz ich da sitz: Ich bin auch der zehen einer, es fäl mir dann der Daumen. Wolan seit ihr dan lang gesessen, so steht ein weil, geb Gott, daß ihr das Podagram am anderen Fuß auch bekommet.

Darnach befragt sich Ehrenbrecht von Tugend steig bey einem auß dem Nachtroß der siben faulkünstlichen Meistern, auß den Fürtzauflesern, was dise Mommerei beger, ein Mumm oder umschantz, die steg hinab oder hin auff? Da antwortet ihm der Chorista, sie weren da vonwegen der glocken, daß man ihnen die wider geb. Als bald er das verstund, liff er flugs hin dem Gargantua die neu zeitung zusagen, auff dz er sich wiß darnach zurichten.

Als bald Gargantua dessen verständigt, nam er gleich uff ein seit Herrn Kund Lob, sonst genant Peinekrafft, seinen Preceptor, Volckhuld von Krantzwick seinen Hoffmeyster, Wolhinan Kampffkeib seinen Goliatischen Wafenträger und den Wolbeigeist: berhatschlagt sich mit ihnen was beid zuthun unnd zureden wer. Da beschlossen sie all einmüttiglich, daß man disen Glockenwerbern zum pott, zum pott auffpliß, den willkomm fürstelt, unnd einen jeden mit eim müsigen glaß arrestiert, und sie recht wol sauffen ließ: Dann wer einen kindelen will, muß eim auch kramen: unnd gewiß es ist ein grose kunst lachen zur Geselschafft, weynen zur andacht, Reden zur notwendigkeit, Singen zur tröstlichkeit, Schweigen zun gedancken, Schlaffen zur rhu, Auffstehn zur Arbeyt, Trincken zur durstlichkeit, und außsauffen zur geselligkeit, also erlangt man die Lucernisch seligkeit. Vitam quæ faciunt. etc.

Damit auch der alt Scheisser unnd Wuster Bruchmatt, deß[220] Murners von der Gauchmatt Vetter sich nicht überheb, als ob man auff sein Naß ansehlich anlangen die Kirchenthurnschellen hett wider geben, befahl man zuforderst, dz, under deß mein safftiger Herr von Bruchmatt einguß unnd einsurffelet, man den Stattvogt, den Rector der Facultet, und den Pfarrherr beschicket. Unnd ihnen, eh der Ehrwürdig Liripipich Sophist sein Commission anprächt, die Glocken überliefferte: Unnd gleichwol nachgehends inn ihrem anwesen, seine schöne Red anhörete: Dann man sah es ihm an, daß er mit etwas Schwanger gieng, also strotzt er den Bauch, Plapperet mit dem Maul, spilt an den Hafften, unnd räuspert sich mit allen kräfften. Matz hast ein Hemd an, so wisch mein schnuder unnd strauchen dran.

Diser nun angelegter massen, ward ihm auch nachkommen unnd nach dem die Obenernante erschienen, ward der Formular Redner inn den mittelen Sal geführt, da fing er an, in hustender und räusperender gestalt zuharangiren und Narriren, wie folgt inn nachgehenden Inhalt Daß ein jeder seinen husten an allen enden halt.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 218-221.
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