Das XXXI. Capitel.
Wie König Picrocholus der Gallen Cholerer, mit Sturm die Klermaltburg einbekam: Und von der beschwerlichkeit, die Großkölier macht ehe er einen Krig vornam.

[305] Unter des der Mönch, wie gehört, mit denen, die ins Kloster eingefallen, scharmützelt: Mitler weil zog Picrocholus mit seim Volck inn groser eil über den furt von Vede, und stürmeten die Burg Clermaut, allda ihnen gar kein widerstand geschah. Unnd demnach die Nacht einful, ward er zu rhat, darinn mit seim volck zu übernachten, es von seinem streiterhitztem zorn zukülen. Morgens frü nam er das Bollwerck und Schloß ein, befestigt und versah es mit zugehöriger munition, in Hoffnung, wa er angestrenget würde, sich inn disen Halt zuhindergeben. Dan das ohrt war von Natürlicher unnd Kunstgefügter gelegenheit sehr fest. Aber laßt uns sie da ligen, unnd zu unserem guten Gurgelstrozza, welcher zu Pariß sich fast verstudiret und kempfferisch übet, umbkehren. Auch zu dem guten alten Grandgoschier von Großkeil seim Vatter: welcher nach dem essen unnd eingenommenem ungespuletem Wein, bey eim grosen hellen Feur pflegt sein gepäck zuwärmen, und zuerharren, wann er von dem Aecker der Kesten feißter würde, unnd pflegt dieweil mit eim angepranten stecken, damit man das Feur schüret, auff den Herd etwas zumalen und zuschreiben, und seim Weib und Haußgesind etliche lustige geschichten von alten abentheuren zuerzehln. Als er nun also sein zeit vertreibt, kompt auß den vorgedachten Bangarten, Pilot Gabelhoch, Fritzen Habercläußlin Nachverlassener Ehlicher Son, der[305] best Urenrichter im Dorff, wol beredt, der auff allen schencken und hochzeiten pflegt abzudancken, zeigt dem König stil unnd butzen an, was Kyklokolen der König von Bitterlerne für grosen übertrang mit Schwerd, Prant, Nam und Plünderung in seim Land und Gebiet vorhette: Und daß er allbereit das gantz Land verhergt hab, außgenommen das Kloster zu Sewiler, welches Bruder Jan Onkapaunt zu seinem grosen rhum hab errettet, auch zum willkomm ihnen zimlich den leymen geklopfft, wie die Baßler den Armen gecken im loch: und das jetzumal der König in Rosche Clermault lig, allda sich auff allen fall einzurüsten. Darauff fieng Großbuchier an, Holoß, holos, Och, och, wie geschicht mir? was ist das ihr fromme Leut? Traumt mir, oder ist war, was man mir sagt: Soll Picrochol mein alter Freund, beydes von Stammen unnd Bündnuß mich also feindlich besuchen? Was bewegt ihn darzu? Was ist die ursach? wer weißt ihn also an? Ich glaub, er will war machen, was man sagt, wer ein Schelmen von eim Pferd hat, vertauscht ihn bey seinen Freunden. Ho, ho, ho, ho, Mein Got helf mir. Ich protestir vor dir, wolst mir so genedig sein, als war ich ihm oder den seinigen je etwas leides zugefügt habe: derhalben muß es vom bösen Geist herkommen daß er mich also betrübet. O du liebe Billigkeit, kenst mein hertz: wie wann er vieleicht wer unsinnig worden, und er mir jetzund darumb in die hand gerhit, auff daß ich ihn wider zu recht prechte? Hocha, ho, ho, es ist mir nur umb dich du mein liebes Volck und mein getreuwe Diener zuthun, muß ich euch dann nun zu disem gefärlichen geschefft bemühen? Ach mein hohes Alter solte jetzund in Ruhen schweben, in betrachtung sonderlich, weil ich mein lebenlang nur nach friden gestellet: So sihe ich wol, es muß sein, das ich jetzunder mein schwache matte Schultern mit dem last des Harnischpleches muß beschweren, und inn mein zitterende bebende hand den verrosteten Spieß, darauff die gute Hennen so lang ihr gut gemach hatten, nemmen, unnd die Beckelhaub, darinn die liebe Meußlin ihre liebe jungen so lang wol außgeprütet, auff meine graue Haar stürtzen, unnd solches zu entschüttung und schutz meiner armen Unterthanen: Aber es ist erst billich, dann von ihrer arbeit werd ich unterhalten, von ihrem schweiß werd ich, meine Kinder[306] unnd Haußgesind erzogen. Der auff der Banck schlaffet, und der darauff stilet, unnd der darauff schlaffet, unnd der darauff stelen laßt, sind gleich schuldig. Drumb will ich meins theils mein best thun, wie einer der allein pfeifft. Jedoch will ich noch kein Krieg wagen, ich hab dann zuvor alle weg und weiß zu einem friden versuchet: ich scheu den Krieg wie ein tauber Hund das Wasser, dann er frißt Gold unnd scheißt Kiselstein, ich wolt ihn nicht, freß er schon Kiselstein, unnd schiß Gold. Wiewol man sagt: friß Treck und scheiß gold so werden dir die Meidlein hold. Dann der einmal einsteigt, der muß das Bad außbaden, oder doch zahlen: Darfür hilfft weder Witzling noch spitzling. Darumb nur Haar inn die Woll geschlagen. Besser ein ungerechter Frid, als ein gerechter Krieg. Nemo Sapiens, nisi patiens: Frid mehrt, Unfrid verzehrt: Ich denck was mein Großvatter Hacqueleback sagt: Büchssenschiessen, Glocken giessen, Teuffel bannen, Armprost spannen, wer dz nicht wol kan, solls underwegen lan: Ich aber sage wers auch wol kan, solls lassen anstahn. Und daß sey also beschlossen, man wöll mirs dann gar abtringen unnd außstossen.

Demnach beruffet er seine Rhät, hielt ihnen das vorgefallen Geschäfft für: Da folget der beschluß, man solt ein weisen Mann zum Picrocholo abfertigen, zuerforschen, warumb er sich also plötzlich auß seiner rhu in betrübung frembder Herrschafft, die er anzufallen unbefügt, begebe. Folgends weiter, den Gorgellantuwal und seinen anhang erforderen, sein anwartend Land inn vorstehender gefahr zubeschirmen. Diß alles ließ ihm Grandbusier wolgefallen, und befahl ihm unverzöglich nachzukommen. Fertigt derhalben auff der stätt Baßwein seinen Lackeyen, ab, seinen Son Gargantual mit allem fleiß zuerforderen, und schrib ihm darneben wie folget.

Quelle:
Johann Fischart: Geschichtklitterung (Gargantua). Düsseldorf 1963, S. 305-307.
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