Zehntes Kapitel

[131] Ich hörte ihre Stimme! – es waren schmeichelnde Worte die sie sprach – meine Hand zitterte an der Thüre – sie sprang auf. –

Da lag das verhaßte Thier an ihrer Seite, und sein Kopf ruhte auf ihrem Schooße. Sie gab ihm die zärtlichsten Namen; mehr als ein Mal beugte sie sich zu ihm nieder; und kaum athmete ich vor Angst: ihre Lippen würden es berühren.

Hölle und Tod! jetzt wirklich! –

»Den Hund weg!« – schrie ich – »habe ich Ihnen das nicht hundertmal verboten! –[131]

Verboten! – sagte sie; spöttisch lächelnd – so was verbietet sich auch! –

Den Hund weg! – schrie ich noch einmal; und sah sie vor meiner Stimme erblassen: aber das Thier blieb auf seiner Stelle.

Zum dritten Male wollte ich ihr zurufen, aber die Wuth verschloß mir den Mund. Noch war ich in meiner Jagdkleidung; ein Griff an das Messer, und der Hund lag blutend zu meinen Füssen.

Jetzt erst fühlte ich mein Unrecht; und hoffte noch er sey nicht tödtlich verwundet: aber als ich das Messer aus seiner Seite zog; starb er unter meinen Händen.

Schon so manches Thier hatte ich erlegt; aber das hatte ich nie dabey empfunden. In der That, es war das Vorgefühl von der Angst eines Mörders. Ich stand da wie ein Verurtheilter und hatte[132] nicht den Muth die Augen zu ihr aufzuschlagen.

Aber als ich es endlich wagte – o Gott! da lag sie blaß, entstellt und ohne Bewußtseyn auf der Lehne des Sopha's.

Um Hülfe konnt' ich, durft' ich nicht rufen. – Alles triefte von Blut. – Mit unaussprechlicher Bangigkeit schloß ich sie in meine Arme, bedeckte ihren Mund mit tausend brennenden Küssen, beschwor sie zu erwachen, mich nicht so fürchterlich zu bestrafen. Endlich schlug sie die Augen auf; und ich athmete wieder.[133]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 131-134.
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