Siebentes Kapitel

[121] »Aber das war doch hart! liebe Gräfin!« – sagte ich, als Milly und Robert uns verlassen hatten. –

»Nichts weniger!« – antwortete sie – »hätte ich nicht aus allen Kräften dagegen gearbeitet, so wären sie seit zwey Jahren verheurathet, und einander schon so überdrüßig, daß sie sich kaum mehr sehen möchten.«

»Dieß ist die schönste Zeit ihres Lebens. Ich habe sie so viel als möglich zu verlängern gesucht; aber die kleine Gans hat mich den ganzen Tag mit ihrem Geschnatter verfolgt. Sie meynt: daß wenn ich nur erst einmal ordentlich liebe, ich[121] ganz anders von der Ehe denken, und minder streng gegen Robert seyn würde.«

Ich. Sollte sie so ganz unrecht haben? liebe Gräfin. –

Sie. Ach wie kann ich denn das wissen! ich habe ja niemals ordentlich geliebt.

Ich. Niemals! –

Sie. Nun ja! manchmal kam es mir freilich so vor, aber in kurzer Zeit sah ich, daß ich mich geirrt hatte.

Sie schwieg, und ich war zu empfindlich, um antworten zu können.

»Mit Ihnen« – hub sie endlich wieder an – »dünkt es mich nun freilich etwas Anderes; aber eine Heurath möchte ich doch um alles in der Welt nicht darauf wagen! –

Ich. Und das sagen Sie mir so ohne alle Schonung! –

[122] Sie. Warum nicht? – Möchten Sie lieber, daß ich Sie betröge? –

Ich. Um des Himmels Willen nicht!

Sie. Nun sehen Sie wohl! – Glauben Sie mir! überlassen Sie das alles der Zeit. Nur sie kann uns lehren, wie viel wir uns werden können.

»Aber mit dem Grafen« – sagte ich ziemlich unmuthig – »waren Sie nicht so vorsichtig.« –

»Nein, wahrhaftig nicht!« – antwortete sie – »aber ich war ein Kind, und mein Vater, ein westindischer Pflanzer, glaubte mich und sein ungeheures Vermögen keinen bessern Händen anvertrauen zu können. Aber die Trennung von mir kostete ihm das Leben; während ich von nichts als von Bällen, Assembleen und neuen Moden träumte, und die Reise nach England so leicht wie eine Spatzierfahrt machte.«[123]

Jetzt meldete Milly einen sehr vornehmen Besuch, und ich war froh, unter diesem Vorwande mich entfernen, und meine üble Laune den Augen der Gräfin entziehen zu können.[124]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 121-125.
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