Achtes Kapitel

[125] »Wie ist es denn?« dachte ich, als ich zu Hause kam – »liebst du dieses sonderbare Wesen? oder liebst du es nicht? – Willst du dich der Gefahr aussetzen, wie ihre Vögel und Hühner verabschiedet zu werden, oder kannst du dir mit Hannibals glücklichem Schicksale schmeicheln?« –

»Poßierlich!« – rief ich lachend – »Hannibals Nebenbuhler! – müssen doch sehen: ob wir ihm den Rang abgewinnen können!«

Jetzt erwachte meine Eitelkeit, und nun dachte ich nicht mehr daran, mir Rechenschaft von meinen Empfindungen zu geben.[125]

Meine Besuche bey der Gräfin wurden häufiger, und mit jedem fühlte ich mein Herz, oder vielmehr meine Sinnlichkeit, mehr angezogen.

Sie war zu lebhaft, und ich zu jung, als daß wir nicht bald alle mögliche Arten, uns unsre sogenannte Liebe zu beweisen, versucht haben sollten.

Muß ich der Neuheit des Vergnügens, der Jugendkraft meines Körpers, oder der reizenden Zauberin allein, den unaussprechlichen Wonnetaumel danken, in den ich versank? – ich weiß es nicht! – aber, mit einer Art von Dankbarkeit bekenne ich noch jetzt: daß ich den höchsten sinnlichen Genuß nur in ihren Armen gefunden habe.

Alles um mich her war verwandelt! – es war eine andere Sonne, die mir jetzt leuchtete! – es war eine andere Luft, die meine Brust belebte! – so hatten die Blumen niemals geduftet! – so hatten die[126] Vögel niemals gesungen! – ach! und die Nacht! – sie war zu kurz – aber wie beseligend war sie! –

Doch bald hatte ich keinen Sinn mehr für das, was mich umgab. Nur durch Amalia dacht ich, empfand ich – nur in ihr, nur mit ihr wollt ich leben – alles Andre war todt für mich.

Meine Anhänglichkeit war Leidenschaft, meine Leidenschaft war ein schnell um sich greifendes verzehrendes Feuer geworden.

Auch sie fühlte es in ihrem Busen – eine Trennung von wenigen Augenblicken, und wir wollten beyde verzweifeln. – Ach! wir glaubten ewig nur ein Wesen ausmachen zu müssen. – –[127]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 125-128.
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