Siebentes Kapitel

[201] »Vergiß mich, wenn du kannst – der Stolze!« – rief ich – »er weiß nur zu gut was er mir war! – aber bey Gott er wird sehen, daß ich ihn entbehren kann! – Noch ist nicht alles verloren! noch bin ich auch ein Mann! Fort, fort! hier ist doch alles todt! – ohne ihn – wollt ich sagen – ohne Marie« – setzte ich schnell hinzu. –

Ich will hin zu ihr! ich will ihr alles bekennen! sie wird mich nicht verstoßen! sie wird mir den Muth zum Leben wieder geben! Ach wie war ihr ganzes Wesen so weiblich! nur bey ihr werde ich wahre Duldung finden.[201]

O ich Thor! daß ich sie bey einem Manne, bey einem eben so harten und unbiegsamen Wesen als ich selbst suchen konnte! –

Ohne Gewaltthätigkeit – sagt er – war ich nicht zu retten? – ach sie würde mich gerettet haben durch die Gewalt der Liebe! durch eine andere Liebe als die Seinige, erhaben über Vorwürfe und Beleidigungen.

Aber sein Stolz war gekränkt; weil ich mich einigemahl vergeblich bitten ließ, weil ich hart gegen ihn war, da er mich zurückhalten wollte. – Nein! nur in einem weiblichen Herzen wohnt die wahre Liebe! – der Mann liebt nur sich selbst.«

Jetzt verließ ich den Garten, um Befehle zu meiner Abreise zu geben. Ich fürchtete Heinrich zu treffen und doch überfiel mich eine unaussprechliche Traurigkeit; als ich die Bedienten mit seinen Sachen[202] beschäftigt sah, und von ihnen hörte: daß er selbst schon fort sey.

Ich eilte auf sein Zimmer und ward mir erst hier bewußt: daß ich noch an der Aussage der Bedienten gezweifelt hatte.

»Der Grausame!« – rief ich – »so konnte er mich wirklich verlassen? – er hat mich niemahls geliebt! wie wäre es sonst möglich!« –

»Wohlan! keine Schwäche mehr! in Marien finde ich alles wieder.[203]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 201-204.
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