Eilftes Kapitel

[87] Die Periode, wo Sophie meinen Geist und mein Herz beschäftigt hatte, war also vorüber, und der Wahn von ihrer höheren, mir noch unbekannten Glückseligkeit verschwunden. Ach sie suchte diese Glückseligkeit ja bey mir, durch mich – Beweiß genug, daß es ihr daran fehlte.

Mein Geist ahnte nichts Neues mehr; und so war die ganze Scene verwandelt. Vormals schien mir aller Erdengenuß in ihre Nähe gebannt; jetzt ward sie von einer Oede umgeben die mich elend machte.

Nun hätte die Sinnlichkeit eintreten und mich, wenigstens für einige Zeit noch täuschen[87] können; aber Sophie war zu rein, und ich zu neu, als daß von dieser Seite für uns etwas zu hoffen gewesen wäre.

Mein Unmuth nahm täglich zu. Ich konnte es Sophien nicht verzeihen, mich, oder vielmehr sich selbst, so schrecklich getäuscht zu haben, und der tollkühne Glaube: sie können nie aufhören mich zu lieben – trieb jetzt meine Unart auf das Aeußerste.

Ach noch heute erröthe ich vor den Mißhandlungen, zu welchen ich mich verirrte! – ich wollte – ohne es mir deutlich bewußt zu seyn – die Gelegenheit herbeyführen, mich von dem Anblicke einer Person zu befreyn, welche nur schmerzhafte Gefühle in mir er regte. Gleichwohl würde die Gewißheit: sie könne sich wirklich von mir losreißen – höchst wahrscheinlich eine plötzliche Verwandlung meiner ganzen Empfindungsart hervorgebracht haben.[88]

Doch woher sollte diese Gewißheit kommen? – Sophiens Liebe schien nur mit ihrem Leben aufhören zu können, und eher würde ich an dem Meinigen, als an ihrer Dauer gezweifelt haben.

Aber meiner Eitelkeit und meinem Glauben stand eine harte Prüfung bevor; und ich selbst mußte sie herbeyführen.[89]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 87-90.
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