Siebentes Kapitel

[76] »Ah! bin ich doch eingeschlummert!« – sagte sie, als sie von einem Zucken meines Armes erwachte, und suchte ihre Verwirrung zu verbergen.

»Aber, meine theure Sophie!« – fiel ich ein, indem ich auf die Flaschen zeigte – bin ich denn wirklich so krank gewesen?«

Sie. Leider mehr, als Sie wissen und glauben werden.

Ich. Aber sagen Sie mir doch ....

Sie. Ihr Freund Heinrich wird Ihnen alles erzählen. Er ist hier im Nebenzimmer. Erlauben Sie, daß ich ihn rufe. Ich werde den Augenblick wieder bey Ihnen seyn.[76]

Jetzt nun sagte mir Heinrich, daß ich nicht die Masern, aber ein sehr heftiges Brustfieber gehabt, fortwährend phanthasirt, und Marien mit lauter Stimme gerufen hätte.

Daß Sophie die Einzige gewesen sey, die sich mir habe nahen dürfen, und daß ihre Gesundheit von den vielen Nachtwachen außerordentlich gelitten habe.

»Demohngeachtet,« – setzte er hinzu – ist sie mild und thätig geblieben. Marie hatte die Gestalt, diese hat das Herz eines Engels!

»Welche würdest du vorziehen?« – rief ich, indem ich schnell seine Hand ergriff.

Er. Sonderbare Frage! was meynen Sie damit.

Ich. Nun welche würdest du zur Gattin wählen?

Er. Sophie auf keinen Fall!

[77] Ich. Was!

Er. Und darüber wundern Sie sich? –

Ich. Mit Recht. Sagtest du nicht eben: sie habe das Herz eines Engels? und was findest du Tadelhaftes an ihrer Gestalt?

Er. Nichts. Sie vergessen aber, daß sie wenigstens zehn Jahr älter ist, als ich.

Ich. Was macht das?

Er. Sehr viel! – Alles! – nach wenigen Jahren würden wir beyde elend seyn.

»Geh! Geh!« – rief ich, und riß meine Hand aus der seinigen. – Laß mich ruhn! ich will schlafen.

Er ging. Wehmüthig sah ich ihm nach. »Ach, daß er immer Recht haben muß!« – dachte ich, und sank auf mein Kissen.[78]

Quelle:
Karoline Auguste Ferdinandine Fischer: Gustavs Verirrungen. Leipzig 1801, S. 76-79.
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