Viertes Capitel.

Das Examen.

[133] »Es wird wohl von Liebe d'rinnen vorkommen?« – sagte sie zutraulich, und rückte mit ihrem Knie an das meinige. –

»Ich weiß es nicht, liebe Mamsell Julchen« – antwortete ich unbefangen – »ich habe es noch gar nicht gelesen.« –

»Sie kleiner Vokativus!« – indem sie mich verliebt auf das Bein schlug! – »Sie werden nichts von Liebe! – Wer's Ihnen glaubte! – Ich wette, Sie wissen mehr als[133] zu viel! – Ja, ja, sehen Sie mich nur an, mit ihren schelmischen schwarzen Aeugelchen! – Und was er für Zähnchen hat! – Wie eine Reihe Perlen! Ja, ja, das lose Gustelchen will's mir nicht Wort haben. – Aber die armen Mädchen« – indem sie einen gewaltigen Seufzer that – »die fühlen's!« –

Ich lächelte unwillkührlich für mich, denn ich merkte recht gut, was das zu bedeuten hatte. – »Ach, wer soll sich denn in mich verlieben!« – gab ich zur Antwort – »das fällt keinem Mädchen ein! Sie wollen mich nur vexiren, Mamsell Julchen, aber ich weiß recht gut, daß ich nicht hübsch bin.« –

»Sie kleiner Lügner! Seh einmal eines! – Und hat ein Gesichtchen, wie Lilien und Rosen! Gehn Sie, gehn Sie Gustelchen! – Wer weiß wie manches arme Mädchen sich über Sie zu Tode grämt!«[134]

»Ueber mich? ich wüßte nicht warum?«

»Ja über Sie, Sie kleines liebes Engelchen! – Ich weiß, was ich weiß, aber« –

»Nun was wissen Sie denn, Mamsell Julchen?«

»Was ich nicht sagen darf!« – indem sie mir immer näher rückte, und ihren Arm um mich schlug.

»Was soll denn da herauskommen?« – dachte ich, und beschloß es ruhig abzuwarten. – »Sagen Sie mir, mein bestes Gustelchen« – fuhr sie nach einer Pause fort – »Sind Sie denn in Ihrem Leben noch nicht verliebt gewesen?« –

»In meinem Leben noch nicht, Mamsell Julchen!« –

»Das kann ich nicht glauben.« – Sie sollten noch gar nichts –

»Was denn?«[135]

»So ein bischen vom Liebeshonig, meyn' ich« –

»Was ist denn das, der Liebeshonig!«

»Ach gehn Sie doch, Sie werden's nicht wissen, wie der schmeckt?«

»Ich versichere Ihnen, ich habe in meinem Leben keinen gegessen. Schmeckt er denn süß?«

»Das meyn' ich« – indem sie mich feste an sich drückte – »süßer als alles in der Welt!«

»Den möchte ich doch wahrhaftig kosten.« –

»Ich habe« –

»So« – fiel ich ihr ein – »Sie haben einen eigenen Bienenstock?« –

Sie fing überlaut an zu lachen, und ich that es mechanisch mit.

Quelle:
Christian Althing: Hannchens Hin- und Herzüge nebst der Geschichte dreyer Hochzeitsnächte. Leipzig 21807, S. 133-136.
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