Sünde

[116] Wir hatten uns lieb und wir wußten es beide und der Strand lag still und abendeinsam ... ein alter Fischer nur war um den Weg und flickte Netze ...

und wir sahen den Schwalben zu, wie sie hoch am Hang ihre Nester umflogen ...

und saßen am Feldrand und sahen in die Dämmrung und keines fand mehr, was zu sagen ...


Und immer wundersamer wurden deine Augen und immer ungeduldiger zerrte der Wind dein blondes Haar auf und immer sehnsüchtiger ward unser Schweigen ...

und wir hatten uns lieb und wußten alles und wußten, daß es der letzte Tag für Monate[117] war und vielleicht für immer und ... daß wir niemand etwas nähmen

und ... wir haben uns ... nicht geküßt!


War das nicht Sünde?

war das nicht ... dumm?

Quelle:
Cäsar Flaischlen: Gesammelte Dichtungen. Band 1: Von Alltag und Sonne. Stuttgart 1921, S. 116-118.
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