Ich hab es gerne ...

[22] Ich hab es gerne ... wenn Nebel liegt ... jener schwere dicke Herbst- und Winternebel, durch den die Sonne nicht mehr durchkommt, so daß es wie weiße Nacht in den Straßen steht.

Es ist so schön still dann überall ...

das laute Rasseln und Rollen des Alltags dämpft sich zu leisem heimlichem Summen, das ganze Leben rinnt zu Traum hinüber und es ist immer nur ein kleines Stückchen, das du übersiehst ...


Ich hab es gerne drum, wenn Nebel liegt: es ist so traulich und so heimisch dann auf Erden:

die grellen Lichter verfließen, die stürzenden Wogen verrauschen und all die Unruhe in der Brust verstummt und das quälende Hinausdrängen ins Weite ...[23]

lächelnd kehrt die Sehnsucht aus der Ferne und ein heimlich Froh-sein schmeichelt sich ins Herz und küßt mit Kinderlippen alle seine Wunden zu, und inniger schmiegt der Wunsch sich an die Nähe ...


Es ist wie ein still Zu-Hause-sein, wie ein Besinnen auf sich selbst und Kräfte-sammeln ...

es ist, wie wenn du aus dem Lärm der Fremde für ein paar Stunden einmal in die Heimat kämst und durch die alten lieben engen Gassen gingest ...

du weißt, man kennt dich hier ... man hat dich lieb ... du wirst dir selber wieder lieb ... und fühlst als Ganzes dich ... und fester tritt dein Fuß auf, ruhiger und sicherer

und freudiger siehst du nachher die bunte Ferne sich enthüllen wieder ...


Ich hab es gerne drum, wenn Nebel liegt ... es ist so traulich und so heimisch dann auf Erden.

Quelle:
Cäsar Flaischlen: Gesammelte Dichtungen. Band 1: Von Alltag und Sonne. Stuttgart 1921, S. 22-24.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Von Alltag und Sonne
Von Alltag und Sonne
Von Alltag und Sonne: Gedichte in Prosa
Von Alltag und Sonne