2. Elegie an das traurige Hartenstein

[34] War es denn noch nicht gnug, daß Mamers seine Plagen,

du liebes Hartenstein, dir greulich schickte zu,

der, wie man sagen tut, bei Nachten und bei Tagen

mit seiner Grausamkeit dir lässet wenig Ruh'?

Es muste noch Fortun sich besser an dir rächen,

wiewol ohn' deine Schuld, und führen über dich

Den, welcher grimmer ist denn jenes Hauen, Stechen,

den Tod, den rauhen Tod. Mars lässet weisen sich,

wann man ihm, was er will, ohn Wegerung erleget,

und gibt ihm seinen Sold: so bistu nicht, o Tod![34]

Dich weder Geld, noch Gold, noch Ranzion beweget,

sie wäre noch so groß, für Eines Sterbensnot.

Mars ändert seinen Rat, – oft gibt er Gnad' umb Bitten,

auch mitten in dem Zorn. O Tod, so bistu nicht!

Du änderst keinen Rat, du bleibst bei deinen Sitten;

erzürnestu dich denn, da hilfet keine Pflicht.

Mars, ob er gleich will sein der stärkste Gott der Erden

und solcher nur allein, oft werden ihrer mehr;

der steckt ihn in den Sack, der jenes Herr kan werden:

o Tod, o starker Tod! wes ist, wes ist das Heer,

wer ist, wer ist der Herr, der dich mög' überwinden?

Und wär' er noch so stark, so bistu stärker noch;

und wolten Tausent dich und aber Tausent binden,

du bindest alle sie, sie zwingstu unters Joch.

Nun kom und frag' ich dich von dieser beider Wesen,

o traurigs Hartenstein, du liebes Vaterland:

wann du aus Mars und Tod den Einen solst erlesen,

wen nämbstu dieser beid'? O streckstu deine Hand

zu Mars? Ja freilich wol. Er war gar leicht zu wählen

für jenem, welcher ist ein steter Menschenfraß;

hingegen dieser fromm, er hört noch auf zu quälen,

da jener garausmacht und würgt ohn Unterlaß.

Es ist nicht ohne zwar, daß mancher oft begehret

zu sein viel lieber tot, als wenn ihn Mamers zwingt,

weil dieses Tyrannei endlos gar gerne währet,

hingegen jener ihn zum guten Ende bringt.

Diß aber, weiß ich wol, dir würde nicht gefallen,

von Liebe, die du trägst zu deiner Obrigkeit;

Mars wüte noch so sehr, hingäbstu was euch allen,

wenn du dein und ihr Leid köntst wenden dieser Zeit.

Mars nimmermehr so sehr die Tränen dir auszwunge,

als diese Leiche tut, die man ietzt führt zur Gruft

und setzt sie traurig bei. Ietzt weinen Alt' und Junge,

daß dieses Klag-Geschrei erschallet in die Luft.

Ich auch dein duppelt Leid muß überlaut beweinen,

wiewol du weit von mir, doch aber nah dein Leid.

Ach! ach! wenn wird einmal der Gnaden-Phöbus scheinen

und einst abtauschen dir dein großes Leid mit Freud'?


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 34-35.
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