14. Auf des Edlen und Hochgelahrten Herrn Philipp Krusens, der Rechten Licent. und der Zeit Fürstl. Holstein. Abgesandten nach Moskow und Persien u.s.w. geliebten Hausfrauen Ableben

[53] 1634.


Wenn, Edler, unser Geist auch mit dem Leibe stürbe,

und, wenn er sich verschleißt, die Seele mit verdürbe,

so wär' es zweimal recht, daß ihr und wer euch ehrt,

als den auch billich kränkt was Leid euch wiederfährt,

von dieser bösen Post euch zweimal mehr betrübtet.

Sie, ach! sie ist vorbei, die ihr so innig liebtet,

das treue fromme Weib! Sie, ach! sie ist vorbei!

Was ist es, das man hat, das mehr zu klagen sei?

Sie, euer halb Ihr, liegt. Wer hier nicht wolte weinen,

des Adern müsten sein aus harten Kieselsteinen,

sein Herze von Demant. So groß ist keine Not,

als wenn das Ehband reißt durch einen frühen Tod.

Gott weiß, wie laß ich bin, daß ich die Feder netzen

und ihr ein Grabe-Lied und Denkschrift auf soll setzen,

der ich gesonnen war ein Lied zu stimmen an,

da ihres Herren Preis ihr würde kund getan.

Sie war wie schon bedacht, auf was vor Art und Weisen

sie wolte heben an, wenn er das lange Reisen,

das Reisen, das die Ehr' auf ihren Flügeln trägt

und aller Welt sagt an, würd' haben abgelegt[53]

mit Ruhm, als wie geschicht, wie sie ihn wolt' empfangen,

umarmen, Ehre tun. Diß war ihr bloß Verlangen.

Ihr Sinn war stets auf ihn, wenn itzt der Morgen kaum,

wenn itzt die Nacht brach an. Ihr Wachen, Schlaf und Traum

war er, der liebe Man. Penelope vor Zeiten

war eben so gesinnt, gieng wenig zu den Leuten,

war zweimal fünf Jahr' arm, wie Leden Tochter auch,

des Atreus Sohnes Weib. Die Liebe hält den Brauch,

teilt Herz und Sinn mit dem, an den sie ist verbunden,

will nie alleine sein. Nun aber ist verschwunden

ihr Hoffen und sie auch. Was lieb war und nun kränkt,

das hat das letzte Recht in eine Gruft versenkt.

Wer weiß nicht, wie sie war geschickt zu allem Handel

im Lassen und im Tun, im Leben ohne Wandel,

vor ihrem Himmel rein und redlich vor der Welt,

in allem Glücke gleich? Wer sich also verhält,

der fällt nicht, wenn er fällt. Wie Veilgen unter Nelken,

Pol unter Rosen reucht, auch wenn sie schon verwelken,

wie süßer Benzoe und feister Weirauch drein

mit Mastix untermischt, indem sie glühend sein,

die schöne Luft von sich in nah' und weit verhauchen,

so ist ihr edles Lob. Ihr Preis kan nicht verrauchen,

ihr Ruhm, der stirbet nicht. Was aus der Tugend kömmt,

das überlebt den Tod, bleibt, wenn ein Ende nimmt

was ist und noch nicht ist. Lucretie verbliche,

ihr keusch Lob ist noch frisch, fragt nichts nach ihrem Stiche,

den nur der Leib gefühlt. Polyxene lebt tot.

Mausolus treues Weib ist noch gesund und rot:

hat Karien ihr Grab, so hat die Welt die Treue,

die vielmal größer ist. Wer wol lebt, lebt aufs Neue,

auch wenn er längst verwest. Preis ist der Seelen Teil,

dem, wie dem Ganzen auch, mit keiner List und Pfeil',

ihr Parcen, könnet zu. Ein Iedes greift nach Seinen.

Der große Himmel nimt sein Stücke von dem Keinen.

Was von der Erden ist, das heißt und bleibt doch sie,

wird wieder, was es war. Was gilt mir Spat und Früh'?

Ich maß doch einmal fort, Machaon kan uns fristen,

nicht freien vor dem Tod'. Als wenn wir einst nicht müsten,[54]

wolln wir schon itzund nicht. Und ist uns diß noch frei,

daß wir itzt sind wolauf, so fürchten wir dabei:

wer weiß, wie lang' es steht? Das Auge dieser Erden

schläft nun bei Gades ein, vergönnt den müden Pferden

des Atlas kühles Bad; die ungestalte Nacht

hüllt in ihr schwarzes Tuch, was noch auf Erden wacht.

Wie vielmal können wir indessen schlafen gehen,

eh' Titan wieder komt? Zehn Todesarten stehen

und zehnmal zehne noch. Die Bogen sind gespannt,

der Pfeil zielt auf uns zu aus der gewissen Hand,

die fehlen nicht gelernt. Es ist bloß deine Gnade,

Jehova, Elohim, daß stündlich uns kein Schade,

kein Unfall reißet hin. Kein Blick, der geht vorbei,

kein Atem wird geholt, der Tod der hat uns frei;

nicht aber mehr als Gott: wenn der gebeut zu würgen,

da mag sich Keiner los von seinem Tode bürgen.

Kein Gold, kein Fußfall hilft. Man muß nur stille stehn,

zu Vielen mitte hin ins schwarze Beinhaus gehn.

Kein Mensch, sei wer er sei, der kan ihm das verheißen,

daß er auf seinen Tod sich so viel woll' entreißen.

Mein Leben, meinen Tod hat der in seiner Hand,

der selbst das Leben ist, bei dem kein Tod bekant.

Gott stirbt nicht, wie ein Mensch. Weil sie denn ihm beliebte,

so tät' er, was sie wolt', hingegen uns betrübte;

wo das betrüben soll, daß ein Gefangner frei,

ein Toter lebend wird. Mein! sag' mir, was es sei,

diß Leben, wie mans nennt! Ein Rauch ists, der verschwindet,

ein Nebel, der nicht steht, ein Strick, der Seelen bindet,

ein Kerker der Vernunft, ein Zuchthaus voller Not,

ein Süßes auf den Schein, ein halb belebter Tod.

Wie mahlen wir uns denn den Tod so scheußlich abe,

sind Unmuts und betrübt, wenn man uns sagt vom Grabe,

das man zwar hassen wol, doch nicht vermeiden kan!

Der Tod ist nicht so arg, als wir ihn sehen an.

Tod ist das Leben selbst: er führt uns zu dem Leben,

schleußt unsern Himmel auf, nimt, was uns ward gegeben,

giebt, was uns recht kömt zu. Der Tausch ist wol vergnügt:

wenn man für Menschen Gott, für Tod das Leben kriegt,[55]

was ist hier eingebüßt? Gott tut wie Gärtner pflegen,

pfropft, reutet aus, versetzt. Es heißt doch alles Segen,

hat er uns schon betrübt. Es ist ihr wol geschehn:

sie sieht, was kein Mensch kan mit irdnen Augen sehn,

geht über dem Gestirn' in reinem Gold' und Seiden,

darein die Engel sich und Auserwählten kleiden,

schaut den dreieinen Gott, nimmt ganz den Himmel ein,

und wundert sich, daß wir so weit ab von ihr sein.

Gönnt ihr, was ihr euch wündscht, nehmt den betrübten Tittel

des Witwers willig an! Gott selbst steht hier im Mittel.

Er tut es, was geschieht, nimmt, das er geben kan,

giebt, daß es heiße doch: der Herr hat wol getan.

Wir hoffen, was sie hat, und schicken uns beineben,

sind täglich tot mit ihr, auf daß wir mit ihr leben

in langer Seligkeit. Wol dem, der so verdirbt!

Wer eh' stirbt, als er stirbt, der stirbt nicht, wenn er stirbt.


Quelle:
Paul Fleming: Deutsche Gedichte, Band 1 und 2, Stuttgart 1865, S. 53-56.
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