Die Schlacht am Cremmer-Damm

[193] 1334


(Nach dem Alt-Pommerschen)


Und als Herzog Barnim, der vielkleine Mann,

Um mit Markgraf Ludwig zu fechten,

War bis an den Cremmer-Damm heran,

Sprach er zu Rittern und Knechten:


»Das Cremmer Luch ist ein garstig Loch,

Und den Feind daraus zu vertreiben,

Ich denke, Leute, wir lassen's noch

Und wollen diesseits bleiben.[193]


Wir schreiben aus eine große Steu'r,

Und wer sich nicht will bequemen,

Den zwingen wir mit Wasser und Feu'r

Und wollen das Vieh ihm nehmen.«


Der Rat gefiel den Pommern all,

Und verquer an den beiden Ecken

Gruben sie hastig Graben und Wall,

Dahinter sich zu verstecken.


Markgraf Ludwig aber, der tapfere Held,

Drüben sah man ihn reiten,

Er dachte: ›Die Pommern stehen im Feld

Und werden den Damm überschreiten.‹


Als aber keiner sich's unterwand,

Ließ er seinen Trompeter kommen

Und sagte: »Nimm deine Trompet in die Hand

Und blas, bis sie's drüben vernommen.


Und sage dem Herzog Barnim an,

Ich hätte groß Verlangen,

Ihn und seine Ritter, Mann für Mann,

Hier diesseits zu empfangen.


Und wenn es hier diesseits ihm nicht behagt,

So wollt' ich ihm versprechen,

Auch auf dem Luch-Damm unverzagt

Eine Lanze mit ihm zu brechen.«


Drauf der: Er woll' ihm Rede stehn;

Nicht-kommen, das dünk' ihm Sünde,

Sie wollten sich treffen und wollten sehn,

Wer das Spiel am besten verstünde.[194]


Da ging es vom Graben den Damm hinauf,

Drauf standen dicht die Märker,

Die wehrten sich einzeln und zu Hauf,

Aber Herzog Barnim war stärker.


Die Märkischen konnten nicht bestahn,

Das Luch war ihr Verderben,

Und viele mußten da liegen gahn

Und ohne Wunde sterben.


Und mählich wichen sie Schritt für Schritt,

Vor Cremmen weiter zu fechten,

Die Pommern folgten in festem Tritt,

Die Ritter mitsamt den Knechten.


Aber vor Cremmen hielt man an

Und mußte draußen bleiben,

Die Märkischen standen da Mann an Mann

Und waren nicht zu vertreiben.


Sie schossen hinunter aus Turm und Tor

In das pommersche Gedränge,

Dann drängten sie selber wieder vor,

Tote gab es die Menge.


Da sprach Schwerin: »Das tut kein gut,

Laßt uns den Damm erfassen,

Oder wir müssen unser Blut

Hier alle vor Cremmen lassen.«


So zogen sie wieder dem Damme zu,

Heimwärts ohn' Schimpf und Schade,

Zuletzt ging auch der Krieg zu Ruh' –

Gott geb' uns seine Gnade.[195]


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 193-196.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte (Ausgabe 1898)
Gedichte
Die schönsten Gedichte von Theodor Fontane
Werke, Schriften und Briefe, 20 Bde. in 4 Abt., Bd.5, Sämtliche Romane, Erzählungen, Gedichte, Nachgelassenes
Gedichte in einem Band
Herr von Ribbeck auf Ribbeck: Gedichte und Balladen (insel taschenbuch)

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon