Spätes Ehestandsglück

[67] Neben mir an, ein Mann im Staat,

Wohnt ein alter Geheimerat.

Er hat, nachdem er durch Stürme gesteuert,

Mit sechzig noch eine Witwe geheuert,[67]

Wirtin und Plättfrau war sie gewesen,

Die hat er klug sich auserlesen;

Es geht nun schon ins dritte Jahr, –

Nie zuvor er so glücklich war.


Briefe zu Neujahr will heut er schreiben.

Eisblumen blühen ihm an den Scheiben,

Draußen ein helles Silvesterwetter,

Und er schreibt in Kursivschrift: »Lieber Vetter,

Du hast dich, gleich mir, aus Wellen und Wogen

Der ›höh'ren Justiz‹ zurückgezogen,

Von deinem Königsstuhle zu Rhense

Zogst du nach Treptow an der Tollense,

Hinter dir liegt die Welt des Scheins,

Und so fehlt deinem Glücke nur noch eins:

Nimm auch ein Weib (aber von den gelinden,

In Treptow wirst du dergleichen finden).

Ich bin dir in solchem Unterfangen

Mit gutem Beispiel vorangegangen.

Und glaube mir – kann ich doch jetzt vergleichen –,

Man siegt nur noch in diesem Zeichen.


Gestatte mir, dir ein Bild zu geben

Von meinem früh'ren und jetzigen Leben.


Ich hielt es aufrichtig mit Schelling und Hegel,

Jetzt bin ich für Pankow, Schönhausen, Tegel,

Ich hielt es früher mit Wieland und Herder,

Jetzt bin ich für Sacrow und Pichelswerder,

Sonst macht' ich vor Goethe die tiefsten Diener,

Jetzt bin ich für Putlitz, Moser, Lubliner.

O lern' auch du hinter derlei Sachen

Ein großes Fragezeichen machen

Und empfang am Tage der Grogs und Pünsche

Zunächst meine herzlichsten Neujahrswünsche,

Dazu den Zuruf, der immer frommt:

›Isolan, Ihr kommt spät, jedoch Ihr kommt.‹«[68]


Quelle:
Theodor Fontane: Sämtliche Werke. Bd. 1–25, Band 20, München 1959–1975, S. 67-69.
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