2. Anordnung

[149] Es ist an sich schon ein großes Schauspiel, wenn ein Mann von Cooks thätigem durchdringenden Geiste auftritt, und in dem kurzen Zeitraum von zehn Jahren die Kinder und die Erwachsenen des gesitteten und des rohen Welttheils seinen Namen mit Bewunderung nennen lehrt. Je mehr man sich aber mit in das Ganze menschlicher Angelegenheiten verwebt, und diese mit sich verbunden fühlt, je inniger man an den größeren Ereignissen Antheil nimmt, von denen man Einfluß auf die jezt lebenden und künftigen Geschlechter der Erde erwartet; desto wichtiger und interessanter wird es, den[149] Gang eines großen Geistes näher zu betrachten, insofern die Ursache der Begebenheiten, die sich nur durch ihn ereigneten, auch großentheils in ihm zu suchen ist. Unternehmungen von so großem Umfange, wie Cooks Entdeckungsreisen, deren genauer Zusammenhang am Tage liegt, und deren Begebenheiten sich unmittelbar auf einander beziehen; Unternehmungen, wo ein Schritt den andern vorbereitete, und jede Entdeckung sogleich angewendet werden konnte, um neue darauf zu gründen, können ihren glücklichen Erfolg nur einem wohldurchdachten Plane verdanken. Ich rede nicht von einem Reiseplan, wie ihn der Minister auf der Charte entwirft. Was ist leichter, als dort die unerhörtesten Laufbahnen vorzuzeichnen, wo die goldne Reißfeder an keiner Klippe scheitern kann, und der papierne Ocean keine Wellen schlägt! Wer einigermaßen merkt, was zur zweckmäßigen Ausführung einer wahren Entdeckungsreise gehört, wird sich bald von diesem Zeichner wegwenden, um den Mann aufzusuchen, der die Seele des ganzen Unternehmens ist, der alles selbst thut und mit eigenen Augen sieht, der die Zukunft durchdringt und Begebenheiten berechnet, der aber auch, mitten unter den zahllosen Geschäften, denen er seine Zeit und seine Denkkraft widmen muß, im prüfenden Augenblick der Entscheidung, sein selbst ganz mächtig, mit fester Hand das Ruder fahrt.

Man müßte selbst ein zweyter Cook seyn, um die Anordnung einer Entdeckungsfahrt so nachzubilden, wie er sie sich dachte. Hier können also nur einige Elementarstriche den richtigen Gesichtspunkt bezeichnen, aus welchem man den ausserordentlichen Seefahrer beurtheilen muß, um den Werth desjenigen, was er geleistet hat, in seiner ganzen Größe zu erkennen, und nicht, wie wohl zuweilen aus Übereilung geschah, mehr als die Billigkeit erlaubt, von ihm zu fordern. Schon Bougainville beklagte sich, daß ihn seine Landsleute nicht blos mit müßigen Fragen unaufhörlich gequält, und keine Antwort abgewartet, sondern daß sich auch Spötter gefunden hätten, denen es unbegreiflich vorgekommen wäre, wie man die Welt umschifft haben könne, ohne in China gewesen zu seyn. Doch diesen mißlungenen Spott verzeiht man einem Volke gern, das seine Fehler durch Witz wieder gut[150] macht. Wir kennen ähnliche Beyspiele von vorschneller, doch unschädlicher Fragseligkeit, und haben ernsthaft geantwortet, wenn man uns ernsthaft fragte: »ob die Insel Otaheiti zum festen Lande gehöre?« und »auf welcher von seinen Reisen Cook gestorben sey?« Wir kennen aber auch eine Klasse von beissenden Fragen, welche sich von den Französischen eben so unterscheiden, wie unsere Aristarchen jenen an Vielwisserey überlegen sind, und sich dünken lassen, Horazens nil admirari sey für sie eine Vollmacht, alles Große verkleinern zu dürfen. Sie, die Weisen unsers Jahrzehends, wissen alles besser, denn sie wissen alles voraus, und spotten des Entdeckers, dem diese hehre Divinationsgabe fehlt. Sie hätten überall mehr Klarheit und Gewißheit verbreitet; von allem hätte man durch sie erfahren, was sie – zuvor gewußt, und so wie sie es verlangt, gesehen haben würden. Sie wären von ihren Entdeckungen nicht so frühzeitig hinweggeeilt, sie hätten nicht so manche schöne Gelegenheit versäumt, nicht so vieles unergründet gelassen; sie hätten mehr und größere Dinge geleistet, mit einem Wort, es klüger gemacht, als der gute Cook. Bey diesen und ähnlichen Verweisen, welche die Philosophie im Lehnstuhl dem Entdecker ertheilt, muß er freylich betroffen schweigen, oder höchstens dem Dichter ganz leise nachsprechen:


– ad haec ego naribus uti

formido.


Statt aller Antwort, wollen wir unsere Leser an Bord führen, um sie dort mit einigen nautischen Verhältnissen bekannt zu machen.

Die Wahl der Schiffe, die zu langen und gefährlichen Reisen die tauglichsten sind, ist das erste in der Reihe der Anstalten, wodurch ein Mann wie Cook für den guten Ausgang seines Vorhabens sorgt. Byron und Wallis, als wirkliche Capitains in der Flotte, hätten es erniedrigend oder wenigstens höchst ungemächlich gefunden, ein geringeres Kriegsschiff als von vierzig Kanonen zu führen. Für den Entdecker sind indeß die Schiffe von diesem Range in mehr als einem Betracht sehr unbequem. Ihre Besatzung, die an vierhundert Mann stark seyn muß, richtet kaum so viel aus, als in einem kleineren Schiffe der vierte Theil, und läßt sich weder so schnell übersehen,[151] noch so leicht regieren. Von den Erfrischungsorten, die Cook zu seinen Absichten vortreflich, und seinem Schiffsvolke angemessen fand, wären die meisten unzureichend für die Bedürfnisse einer zahlreicheren Mannschaft gewesen, und schon um dieser einzigen Ursach willen, hätte er in einem größeren Schiffe seinen Endzweck verfehlt. Selbst der Mundvorrath, der von England mitgenommen wird, kann wegen der Bauart jener größeren Fahrzeuge, die zu schnellen Evolutionen, zum Angriff und andern Absichten des Seekriegs eingerichtet sind, nicht in gehöriger Menge geladen werden, um eine langwierige Fahrt zu gestatten. Daher eilten Cooks Vorgänger, ihren Kreislauf um die Erde innerhalb zweyer Jahre zu vollenden, anstatt, wie Er, den Namen Entdecker verdienen zu wollen. Ihn aber hatte die Erfahrung zu diesen Vorbegriffen geleitet, die einem gewöhnlichen See-Capitain auf seiner Station, es sey im Kriege oder Frieden, um so weniger einfallen können, da seine Flotte jederzeit durch eigene Proviantschiffe versorgt werden muß. Die Fahrzeuge, welche in England zum Küstenhandel, und hauptsächlich zum Transport der Kohlen aus Northumberland nach London bestimmt sind, müssen nicht nur sehr geräumig seyn, um ihren Eigenthümern größern Vortheil zu bringen, sondern auch wegen der stürmischen, mit Sandbänken ganz besäeten Nordsee einen vorzüglich runden, oder vielmehr nach unterwärts platten Bau, und, in der Zusammenfügung, große Stärke haben, um bey dem oft unvermeidlichen Stranden, leicht und unbeschädigt wieder flott werden zu können. Diese Art Schiffe, deren Vorzüge Cook am besten kannte, weil er selbst darin lange Zeit mit der mühsamen und gefährlichen Küstenschiffahrt und mit dem Anblick von Schrecknissen, die sonst der beherzteste Seemann flieht, vertraut geworden war, suchte er sich zu seinen großen Unternehmungen aus, weil er gewiß überzeugt war, daß man sich in unbekannten Meeren ihnen sicherer anvertrauen könne, als allen Kriegsschiffen und Fregatten. Bey einer solchen Wahl genoß er überdies den wesentlichen Vortheil, so manche seichte Meeresgegend befahren, und in manchem Hafen Schutz finden zu können, welche ein Schiff, das tiefer im Wasser gegangen wäre, durchaus hätte vermeiden müssen.[152]

Cook ließ den Boden seiner Schiffe nicht mit Kupferplatten beschlagen, womit man den Wurmfraß zu verhüten, und den Gang des Schiffes zu beschleunigen glaubt; denn man will bemerkt haben, daß die Fische sich von solchen mit Kupfer beschlagenen Schiffen entfernen; und Cook war es weit mehr darum zu thun, seinen Leuten keine Gelegenheit zu Erfrischungen zu rauben, als ein Paar tausend Schritte mehr in einer Stunde zu laufen. Doch auch außer dieser Bedenklichkeit, von der es noch nicht ausgemacht ist, ob sie wirklich gegründet sey, bewog ihn eine wichtigere Ursache, den Gebrauch des Kupfers zu vermeiden. Es ist wahr, daß sich auf einem kupfernen Boden kein Meergras, keine Eichelmuscheln oder Seetulpen an setzen, und also die glatte Oberfläche die Wellen leichter durchschneidet, und ein schnelleres Seegeln bewirkt: allein allmählig frißt das Kupfer die eisernen Ruderangeln an, und bringt dadurch das Schiff in wesentliche Gefahr; denn ohne Ruder kann es nicht gesteuert werden, und doch läßt sich, in offener See, der Schaden nicht ausbessern. Anstatt des Kupfers, bediente sich Cook einer Art kleiner eiserner Nägel, mit breiten Köpfen, welche er dicht neben einander in die Haut oder äußere Bedeckung, des Schiffbodens einschlagen ließ. In kurzer Zeit überzog der Rost die kleinen Zwischenräume zwischen den Nägeln, und sicherte das Schiff vor Würmern so vollkommen, als es Kupferplatten nur immer hätten thun können.

Die Ausrüstung der Schiffe, und die Menge sowohl, als die Beschaffenheit des Vorraths aller Art, beschäftigten zunächst die Aufmerksamkeit des Capitains, so wenig auch diese Gegenstände den gewöhnlichen Befehlshaber angehen, der sein Schiff aus den Händen der Werft-Officianten völlig ausgerüstet erhält, und es, wenigstens in diesem Falle, für überflüßig hält, mehr als seine Pflicht zu thun. Als Ansons Geschwader im Jahr 1740 den Spaniern in Peru einen tödtlichen Streich versetzen sollte, mißlang der große Anschlag durch die Schuld der zwecklosen Ausrüstung; und diese gerechte Klage rechtfertigte den Admiral. Wären Cooks Unternehmungen aus einem ähnlichen Grunde gescheitert, ohne Zweifel hätte man ihn ebenfalls von aller Schuld völlig freygesprochen; allein sein Name wäre dann schwerlich auf die[153] Nachwelt gekommen. Ich brauche wohl nicht erst zu fragen, welches von beyden größer ist: einen Vorwurf von sich abwälzen, oder seine Maaßregeln so sicher nehmen, daß alles gelingt, und überhaupt kein Tadel Statt finden kann? In der That, wäre Cook nicht Kenner in diesem Fache gewesen, hätte er nicht selbst gewählt, und von jeder Art des Vorraths so viel als ihm nöthig dünkte, unter seinen Augen einschiffen lassen; wie hätte er auf drey- und mehrjährigen Reisen, bey der Unmöglichkeit sich wieder mit anderm zu versehen, so vielen Stürmen und Wettern Trotz bieten können? Es ist bekannt, daß die verschiedenen Vorräthe eines Schiffs, welches zur Brittischen Flotte gehört, gewissen Officieren untergeben sind. So hat der Equipagenmeister oder Lootse (Master) die Oberaufsicht über die ganze Ladung. Der Oberbootsmann hat alles Tau- und Takelwerk, die Anker, die Segel und die Bote in Verwahrung; der Schiffszimmermann, den Holzvorrath und das Eisengeräth, nebst allem Zubehör; der Constapel die Kriegsmunition, der Wundarzt die Medikamente, endlich der Seckelmeister, (purser) und dessen Schreiber die Lebensmittel und die Kleidungsstücke. Die Befehlshaber, welche auf Entdeckungsreisen gingen, verwalteten gemeiniglich das einträgliche Seckelamt selbst. Auch dieses war eine der nothwendigsten Einrichtungen, wodurch der glückliche Erfolg der Reisen gesichert ward, der sonst von den guten oder schlechten Anstalten dieses Beamten abgehangen hätte. Ein umständliches Verzeichniß von allen einzeln mitgenommenen Artikeln würde uns zu weit führen, und ohne weitläuftigere Erläuterung zwecklos seyn. Hieher gehört nur noch die Bemerkung, daß in jedem Fache Cooks Erfahrung nicht nur über die Nothwendigkeit oder Entbehrlichkeit der gewöhnlichen Vorräthe entschied, sondern auch mehrere Veränderungen veranlaßte, und einige ganz neue, noch von keinem Schifscapitain geführte Artikel in Gang brachte, welche seitdem zum Theil in der Flotte allgemein eingeführt worden sind, zum Theil noch angenommen zu werden verdienten. Unter den besondern Vorkehrungen aber, welche ganz ausschließend für Entdeckungsreisen gehören, verdient die folgende nicht ganz übergangen zu werden. Cook hatte auf seiner ersten Weltumschiffung bemerkt, wie nützlich ihm ein[154] kleineres Fahrzeug als sein Schiff, bey der Untersuchung einer beträchtlichen mit Untiefen umringten Seeküste gewesen wäre; ja, er war überzeugt, daß im Fall die großen Schiffe so beschädigt würden, daß die Rückkehr nach Europa in denselben zu mißlich seyn möchte, dergleichen kleine Fahrzeuge sogar zur Rettung der gesammten Mannschaft dienen könnten. Demzufolge hatte man ihm, auf der zweyten und dritten Reise, in jedem Schiffe einen kleinen Schooner10 mitgegeben, dessen Holzwerk ganz fertig gezimmert war, und erforderlichen Falls nur zusammengefügt zu werden brauchte. Die Masten, das Tauwerk und die Segel dieser Fahrzeuge, waren ebenfalls in England mit eingeschifft worden; kurz, es fehlte nur an Gelegenheit, sich ihrer wirklich zu bedienen.

Wenn man berechnet, welch einen großen Platz diese Fahrzeuge im Schiffe einnehmen müssen, wenn man bedenkt, daß alle Vorrathskammern mit Sachen vollgepfropft sind; daß auf dem Verdeck, zwischen dem großen und dem Fockmast, fünf große und kleine Boote stehen; daß die Seiten des Vordercasteels mit ungeheuren Noth- und Bugankern und ansehnlichen Strom- und Flußankern gleichsam bedeckt sind; daß der innere Raum voll vieler hundert Fässer ist, wovon allein zuweilen sechzig bis siebzig mit Wasser, eben so viel mit Sauerkraut, und ungleich mehr noch mit gepöckeltem Rind- und Schweinfleisch, mit Mehl, Erbsen und Zwieback, auch viele mit Wein und Branntwein angefüllt sind; daß eine Menge Steinkohlen theils als Ballast, um das Schiff gehörig ins Wasser zu senken, theils zum täglichen Gebrauch in der Küche, im Tiefsten liegt; daß viele Kabeltaue, jedes hundert und mehr Klafter lang, und manches von der Dicke eines Schenkels, oben im Matrosenraume befindlich sind: so erstaunt man wahrlich, wie in einem Behältniß von vierhundert und achtzig Tonnen, deren jede vier und vierzig Quadratfuß hält, noch hundert und zwanzig Menschen Platz finden, oder, wenn dies begreiflich ist, wie sie drey Jahre lang, bey unverdaulicher Kost, bey steter Anstrengung und allem Druck der härtesten Lebensart, gesund und gutes Muthes bleiben können? Vielleicht läßt sich hier mit wenigen Worten zeigen,[155] wie diese Besatzung in dem schwimmenden Schlosse vertheilt ist.

Drey Masten ruhen unmittelbar auf dem Kiele,11 und streben hinter einander gerade in die Höhe. Der mittelste und vordere (Haupt- und Fockemast), jeder mit seinen zwey Verlängerungen (Mars– und Bramstengen), sind siebzig bis achtzig Fuß hoch und unten etwa Mannes dick. Der hinterste oder Besaanmast ist kleiner und hat nur eine Verlängerung (die Kreutzstenge). In schräger Richtung steigt vorn über dem Schiffsschnabel das Bugspriet, gleichsam als ein vierter Mast hervor, der ebenfalles mit einer Verlängerung, (dem Clüverbaum) versehen ist. Die Masten werden durch starke Taue unterstützt, welche theils nach vorn, theils nach den Seiten hin, vom Mastkorbe herunter gehen, und im ersten Falle Stage, im letztern aber, wo mehrere beysammen sind, die Wände heißen, an denen man, auf queerübergebundenen Schnüren, welche die Sprossen einer Leiter vorstellen, hinaufsteigen kann. Jede Verlängerung des Mastes trägt ein viereckiges, und jeder Stag ein dreyeckiges Segel. Die Seiten des Schiffes steigen nach hinten zu ein wenig in die Höhe. Über dem ganzen Hintertheil liegt auf starken Balken ein Boden von Planken, der bis zum Hauptmast geht. Dieser Boden, oder in der Schiffersprache, dieses halbe Verdeck, heißt auf Kriegsschiffen das Quarterdeck (oder Verdeck der Officiere). Ein ähnliches halbes Verdeck liegt auf dem Vordertheile des Schiffs, zwischen dem Bugspriet und Fockmast, und wird das Vorder-Casteel genannt. Ungefähr sechs Schuh tiefer als diese halben Verdecke geht das eigentliche Verdeck, als ein vollkommener Boden, durch das ganze Schiff von einem Ende zum andern. Auf dem Theil desselben, der unter das Quarterdeck geht, wohnt der Capitain, dessen Hauptzimmer (stateroom) oder die große Kajüte, das Hintertheil des Schiffs in seiner ganzen Breite von etwa sieben Schritten einnimmt, und zu beyden Seiten mit einem kleinen bedeckten Altan (quarter-gallery)[156] versehen ist. Vor dieser Kajüte hat der Capitain sein Schlafgemach, ein Vorzimmer und eine finstre Vorrathskammer. Die große Kajüte ist das einzige helle Zimmer im Schiffe, indem sechs kleine Fenster, jedes ungefehr drey Schuh hoch und zwey Schuh breit, nach hintenhinaus, dicht nebeneinander stehen. Vor dem Eingange zur Wohnung des Capitains bleibt der Platz in der Mitte frey, wo man aufs Quarterdeck hinauf und tiefer ins Schiff hinabsteigt; und nur zu beyden Seiten sind bretterne Verschläge für den ersten Lieutenant, den Astronomen, den Equipagenmeister, und die Naturforscher angebracht, die auch in dieser Ordnung an Bequemlichkeit abnehmen, so, daß die letzten einen Würfel von sechs Fuß vorstellen, wo ein Bett, ein Kasten und ein Schreibtisch nur eben noch Platz für einen Feldstuhl übrig lassen. Das Fenster dieser Kajüte ist eine Glasscheibe von sechs Zoll ins Gevierte, in einem starken Rahmen, den man aber, aus Furcht vor Überschwemmungen, nicht eher ausheben darf, als bis man sich den Wendekreisen nähert. Unter dem Halbverdeck des Vorder-Casteels hat, rechts und links, der Bootsmann und der Zimmermann seine Kajüte, und zwischen ihnen ist die Küche. Parallel mit dem Verdeck, nur etwa fünf Schuh tiefer, geht ein zweyter Boden durch das ganze Schiff, auf dessen Hintertheil, zu beyden Seiten, die Kajüten des zweyten und dritten Lieutenants, des Lieutenants der Seesoldaten, des Wundarztes und des Malers stehen. Zwischen denselben bleibt ein großer Spielraum für die Barre oder das Heft des Schifsruders, welches in Seilen geht, die auf dem Quarterdeck vermittelst eines großen Rades regiert werden. Vor dem Besaanmast steht, hier unten, die große Tafel, an welcher die vorgedachten Officiere speisen, fest aufs Verdeck genagelt, welches zur See mit allen Tischen geschieht. Übrigens steht man in diesem Theil des Schiffs nie ganz aufrecht, und sieht nie anders, als bey brennenden Lichtern, außer, wenn das Wetter es erlaubt, zwey große Schießscharten im Hintertheil zu öffnen. Die Officiers-Kajüten haben zwar ganz kleine Fensterchen; doch dürfen sie, so lange das Schiff in See ist, nie geöfnet werden, weil die Wellen fast unaufhörlich drüber gehen. Der Constapel, der Schreiber, die Unterwundärzte, die Steuermannsgehülfen und die Seecadetten wohnen zu[157] vier oder fünf beysammen, auf eben diesem zweyten Verdeck, in Verschlägen von Segeltuch, in den vier Ecken des übrigen Raumes, der außerdem für die Ankertaue und für die gemeinen Leute bestimmt ist, und sein Licht nur von oben, durch die Luken erhält, durch welche man ein- und aussteigt. Ganz im Vordertheil des Schiffs, unter der Küche, sind des Bootsmanns Vorrathskammern befindlich. Allein der große Vorrath aller Art liegt unter diesem zweyten Boden, durchs ganze Schiff vertheilt; doch finden sich auch hier noch allerley Abtheilungen und Verschläge, welche theils die Unordnung verhüten, die bey der Menge der Fässer zuweilen doch unvermeidlich ist, theils auch gewisse Vorrathsartikel vor Gefahr und vor Veruntreuung sicher stellen. So giebt es eine eigene Brodkammer, eine Segelkammer, eine Kleiderkammer, eine Branntweinkammer und eine Pulverkammer.

Ohne viel darauf zu sehen, daß das Schiff schnell wie eine Courierfregatte segeln möchte, hielt es Cook gleichwohl für nöthig, daß es wenigstens so gut fortkäme, als es der Bau desselben erlaubte, und, was weit wichtiger war, daß es gut am Winde läge, sich schnell und ohne abzutreiben umlegen liesse12, und nicht heftiger von einer Seite zur andern rollte, als die unvermeidliche Gewalt der Wellen es mit sich brächte. Seinem Auge entgiengen aber auch die Ursachen der etwa hier vorkommenden Fehler nicht, und seine Erfahrung wußte ihnen abzuhelfen. Da die Vertheilung des Gewichtes im Schiffe großen Einfluß auf den Gang desselben hat, so mußten auf seinen Befehl verschiedentlich Veränderungen vorgenommen werden, wodurch bald am Vordertheil, bald nach hinten zu, auf dieser oder auf jener Seite, die Schwere vermehrt oder vermindert ward; ein Geschäft, welches desto mehr Geschicklichkeit erfordert, je weniger dabey der allgemeine Plan der Ladung gestört werden darf, damit man jederzeit bequem zu demjenigen Vorrath gelangen könne, welcher zum täglichen Verbrauch unentbehrlich ist.[158] Ich habe das Auge des Seemannes erwähnt; und wer begreift nicht leicht, in wie vielen entscheidenden Fällen auf seinen Blick im Ocean, ebensoviel ankommt, als auf den Blick des Befehlshabers im Felde, wo sich feindliche Heere begegnen? Die glückliche Bildung des Organs, welches die Lichtstrahlen auffaßt, ist zwar die Bedingung dieser göttlichen Sehekunst, aber nicht sie selbst; denn wie viel sehende Augen giebt es nicht, die ihren Besitzern zu weiter nichts dienen, als sie auf ihren Tritten sicher zu geleiten? Die Übung von vielen Jahren kann sie vervollkommnen, aber nicht hervorbringen; denn das Wesentliche dieser Gabe besteht in einem regen Beobachtungstrieb, der nach Vervielfältigung der sinnlichen Eindrücke strebt, um dadurch schnell und sicher zu richtigen Urtheilen und zum vollkommensten Gebrauch der Sinne zu[159] gelangen. Woher konnte es anders kommen, daß Cook, wie ich unzäligemal gesehen habe, wenn er aufs Verdeck gestiegen war, gleich auf den ersten Blick in dem Walde von Seilen und Stricken, die einander in der Höhe durchkreuzen, eine oder die andere Leine gewahr wurde die entweder zu stark oder nicht genugsam angezogen, den schärferen Gang des Schiffs verhinderte; da doch der wachthabende Officier, ein Seemann von Erfahrung, schon mehrere Stunden lang umhergesehen, und diesen Fehler nicht entdeckt hatte? Woran lag es sonst, daß so oft man Entfernungen vom Lande, Höhen der Berge und Felsen, und ähnliche Gegenstände nach dem Auge beurtheilen wollte, Cook allemal der Wahrheit am nächsten rieth, und daß ihn sein Augenmaaß nicht täuschte, wenn es darauf ankam, den engen Eingang eines Hafens zu treffen, oder gar, wie in Huabeine, gegen den Wind hinein zu laviren? –

Ich fürchte nicht, daß man diese einzelnen Züge, die so ganz das Gepräge des großen Seemannes tragen, hier am unrechten Orte finden wird. Einst, wenn die Zeit wieder zerstreuet haben wird, was wir jezt mit so vieler Emsigkeit sammlen, wird der gelehrte Antiquar Cooks wahre Größe an den Bruchstücken erkennen, die er einzeln aus dem Schutt hervorzieht. Wissen doch einsichtsvolle Zergliederer aus einem Zahn oder einem Knochen, den man im innern Nordamerika an den Ufern des Ohioflusses fand, die Größe jenes unbekannten Thieres zu berechnen, dessen Geschlecht schon längst erloschen ist; und erkennt man nicht an einem Fuß von Riesenstärke, den Sohn Jupiters und der Alkmene? Wie sollte man nicht auch den Genius des Entdeckers an seinem durchdringenden Scharfblick erkennen? Doch wir müssen ihn noch ferner in jenen Anordnungen betrachten, wodurch er sich einen glücklichen Ausgang seiner Entdeckungsfahrten versicherte.

Unter den Gegenständen seiner Vorsorge stehen seine Gefährten oben an. Menschen sind die stärksten Triebfedern, die der größere Mensch in Bewegung setzt, und die Werkzeuge, wodurch er alles vollbringt. Von ihrer Auswahl und ihrer Erhaltung hängt also der Erfolg seiner Unternehmungen ab. Cook wählte zu seinen langwierigen Entdeckungsreisen vor allen den Matrosen, der sich ihm durch Geschicklichkeit in allen Geschäften seines Dienstes, durch seinen abgehärteten, gesunden[160] Körper und sein blühendes Alter empfahl. Der Mann mit Erfahrung und grauem Haare konnte bey ihm auf ein gewisses Zutrauen Anspruch machen, und die Stellen eines Quartiermeisters und Bootsmannsgehülfen erlangen, die zwar wenig oder nichts vor dem Dienste des gemeinen Matrosen voraushaben, aber gleichwohl mehr Einsicht und Ernst erfordern. Ein im Dienste grau gewordener Seemann ist in der That nicht minder ehrwürdig, als der alte Krieger, und hat noch einen Kampf mehr, nehmlich mit den Schrecknissen und Todesgefahren des furchtbarsten Elementes, bestanden. Mit fünf und vierzig solchen auserlesenen Matrosen, achtzehn Seesoldaten, und noch etwa zwölf subalternen Seeleuten, also mit fünf und siebzig Mann, vollbrachte Cook seine größte und beschwerlichste Entdeckungsfahrt gegen den Südpol. Allein seine vorzügliche Stärke bestand in der großen Anzahl brauchbarer Officiere, die er sich von seinen Vorgesetzten ausgewirkt hatte. Ungeachtet sein Schiff nur achtzehn Kanonen führte und folglich nach der gewöhnlichen Regel des Seedienstes nur Einen Lieutenant haben sollte, erhielt er deren drey, nebst drey Lootsengehülfen oder Steuermännern (masters mates); und anstatt zweyer Seecadetten (midshipmen) durfte er sechs besolden, und noch mehrere unbesoldete mit sich nehmen. Diese Einrichtung hatte bey der Ausführung seines großen Reiseplans den wesentlichsten Nutzen. Es konnten nämlich, ohne das Schiff von Officieren zu entblößen, wenn es im Hafen lag, mehrere Partheyen zu gleicher Zeit, jede unter Aufsicht eines Officiers, in verschiedenen Geschäften ausgeschickt werden, und es blieben jederzeit noch einige unbeschäftigt, die ihre Erholungsstunden zu Lustpartien und Spatziergängen anwenden konnten. Allein der wichtigste Vortheil dieses neuen Verhältnisses der Officiere zu der übrigen Besatzung zeigte sich zur See, in einer wohlthätigen Eintheilung der Wachen, die zugleich der Einsicht und der Menschlichkeit ihres Urhebers Ehre macht. Auf allen Kauffahrern sowohl, als auf Kriegsschiffen, ist das ganze Schifsvolk nur in zwey Hälften vertheilt, wovon stets eine auf dem Verdeck den Dienst versieht, indessen die andere ruht. Auf Englischen Schiffen lösen sie einander siebenmal des Tages ab, so daß täglich eine Hälfte der Mannschaft zehn, die andere[161] aber vierzehn Stunden wacht. Noch beschwerlicher scheint die holländische Einrichtung, nach welcher in vier und zwanzig Stunden nur fünf mal abgelöset wird, und wobey denn ein Theil der Mannschaft acht, der andere gar sechzehn Stunden im Tage arbeiten muß. Cook hingegen theilte sein Schiffvolk in drey gleiche Theile, deren jede unter einem Lieutenant, einem Steuermann und einigen Seecadetten stand. Dadurch gewann er erstlich, daß jedes Drittel nur um den dritten Tag zwölf Stunden lang Dienste zu leisten hatte; die beyden anderen Tage aber nur sechs Stunden lang wachte; zweytens, daß die härteste Wache, von Mitternacht bis vier Uhr Morgens auch nur in drey Tagen wieder an denselben Mann kam, und endlich, daß die Zwischenräume der Ruhe mehrentheils doppelt so lange, als nach der gewöhnlichen Vertheilung ausfallen mußten, da man zwey Wachen hindurch verschont blieb.13 Ja diese Einrichtung war so reich an Vortheilen, daß jene schwere Mitternachtswache allemal den Theil des Schiffsvolks treffen mußte, der an demselben Tage nur überhaupt sechs Stunden lang diente. Wer von der Härte des Seedienstes einen Begriff hat, wird, ohne weiteren Commentar einsehen können, wie nothwendig diese Schonung auf langen Reisen sey. Allein dem Mittelländer fehlt dieser Begriff, den nur das Anschauen recht lebhaft erwecken kann. Wer malt ihm die täglichen Beschäftigungen des Schifsvolks, so treu versinnlicht, daß er selbst ein Urtheil fällen, und mit mir den ganzen Werth einer Einrichtung beherzigen könne,[162] wodurch Cook einer so nützlichen Menschenklasse die Mühseligkeiten ihrer harten Lebensart erleichterte? Kaum hat die Schiffsglocke geläutet, oder viermal angeschlagen, so ertönt des Bootsmanns Pfeife durch den Matrosenraum, und seine heisere Stimme ruft die Wache hinauf, um ihre Cameraden abzulösen. Beym zweyten Ruf muß alles auf den Beinen seyn, und auf dem Verdeck, auf dem Vorder-Casteel, und am Steuerruder ein jeder seinen angewiesenen Posten einnehmen. Der Ungestüm zweyer Elemente, die fast in unaufhörlicher Bewegung sind, dringt mit vereinten Kräften auf sie ein. Um sich warm zu erhalten, laufen sie beständig auf und ab, bis irgend ein Vorfall sie zur Arbeit ruft. Ändert der Wind seine Richtung, so werden die Segel nur anders gestellt; steigt aber seine Heftigkeit, so müssen sie theils eingereft14, theils völlig eingezogen werden. Der Anblick dieser gefährlichen Verrichtung ist schauderhaft, wenigstens für jeden der es nicht gewohnt ist, Menschen ihr Leben auf das Spiel setzen zu sehen. Sobald die untersten Zipfel des Segels vom Verdeck aus gelöset und aufgezogen werden, brausen die Winde darin, und schlagen es an Stange und Mast, daß das ganze Schiff davon erbebt. Mit bewundernswürdiger Behendigkeit und nicht geringerem Muthe klettern die Matrosen sogleich bis zur zweyten oder dritten Verlängerung der Masten hinan. Dort hängen in starken Tauen die Segelstangen oder Raaen quer über das Schiff; an ihren beyden Enden und in der Mitte befestigt, hängt ein schlotterndes Seil, welches den Füßen des verwegenen Seemannes zum Ruhepunkt dient. Auf diesem Seil gehen sechs bis acht Matrosen hurtig und mit sichrem Tritt zu beyden Seiten bis an die äußersten Enden der Raa hinaus, trotz dem Winde, der das flatternde Segel gewaltsam hin und her schleudert, und das Seil unter ihren Füßen erschüttert, trotz der schwankenden Bewegung des Schiffs, welche in jener Höhe ohne Vergleich stärker gefühlt wird, als auf dem Verdecke. Man hat berechnet, und mit dem Sextanten gemessen,[163] daß der Mast zuweilen, bey sehr hohler See, in einem Winkel von acht und dreyßig Graden von der Perpendikularlinie abweicht. Ich habe zu gleicher Zeit das Ende der großen Raa sich in eine thürmende Welle tauchen sehen. Der Matrose am Ende einer Segelstange, die gegen funfzig Fuß hoch am Maste hängt, wird folglich mit jeder Welle alsdann durch einen Bogen von funfzig bis sechzig Fuß geschaukelt! Jezt scheint er ins Meer hinabgeschleudert zu werden; jezt wieder die Sterne zu berühren. Doch ohne sich diese gewaltsamen Bewegungen anfechten zu lassen, biegt er sich über die Segelstange, entreißt dem Winde das Segel, rollt es zusammen, bindet es fest, und vollendet diese gefahrvolle Arbeit mit seinen Gehülfen in wenig Minuten. Seine einzige Sorge bey diesem, wie bey jedem andern Geschäfte, ist dahin gerichtet, daß es ihm keiner an Geschicklichkeit und Muth zuvorthun möge; denn dieser rühmliche Wetteifer liegt tief in seiner Seele, und ist die Folge eines gewissen gemeinschaftlichen Gefühls, welches diesem Stande eigen ist. Ihm muß es übrigens gleichgelten, ob die Sonne ihm dazu leuchtet, oder ob er sich, in der tiefsten Finsterniß der Nacht, blos auf das Tasten seiner harten Hände verlassen darf. Selbst wenn der Sturm ein Segel zerrissen hat, und mit den Stücken alles zerpeitscht, scheut kein Matrose die Gefahr von einem solchen Schlag getroffen zu werden, und rettet was zu retten ist. Wenn in der Nähe Land vermuthet wird, sitzt er mehrere Stunden lang unbeweglich am höchsten Gipfel der Marsstenge, und blickt aus dieser einsamen, schwindlichtmachenden Höhe wachsam umher. Er lächelt, wenn unerfahrne Landleute, oder junge Anfänger jeden heftigen Wind einen Sturm nennen, und ist ungern freygebig mit diesem Namen, so lange das Schiff noch mehr, als die unteren großen Segel führt. In offner See hat selbst ein Sturm nichts schreckliches für ihn; was kann ihm schaden, sobald alle Segel eingezogen sind, und das Schiff mit dem Schnabel gegen den Wind beygelegt, mit fest gebundenem Ruder, dem Drange der Wellen folgt? oder wenn man es, sicher daß kein Land in der Nähe sey, mit wenigen Segeln schnell vor dem Sturm hinfliehen läßt?15 Nur alsdenn wird[164] der Sturm in der That furchtbar, wenn er das Schiff auf eine Küste führt, wo kein Hafen dem Seefahrer Sicherheit verspricht, und die einzige Hofnung dem Schiffbruch zu entgehen, auf der Stärke der Segel beruht. Diese Gefahr trift ihn indeß nur selten; Anstrengung und Unannehmlichkeiten hingegen, sind sein tägliches Loos. Der Posten am Steuerruder ist einer der beschwerlichsten; keiner hält es länger als eine Stunde dabey aus; und wenn die See in hohen Wogen geht, oder der Wind heftig stürmt, müssen zwey Personen zugleich das Rad regieren, welches sonst für die Kräfte des einzelnen Mannes leicht zu mächtig wird, und ihn zuweilen so mit sich fortreißt, daß er in Lebensgefahr ist. Wenn das Schiff nahe am Winde geht, und die See etwas ungestüm ist, so schlagen die Wellen oft hinein, und zwar hauptsächlich da, wo die Wache sich aufhält, die zuletzt, bis auf die Haut durchnäßt, sich lachend über ihr Unglück tröstet. Diese Gleichmüthigkeit, die den Sinn für Freude nicht ausschließt, ist ein Hauptzug in dem Charakter des Seemannes; und hat sie gleich oft den Anstrich eines kindischen Leichtsinnes, so gränzt sie doch zuweilen an die wahre Philosophie des Lebens, und ist auch, wie diese, das Resultat der Erfahrung und der Gesundheit. Die schnellen Veränderungen der Witterung und des Windes, die man zur See so oft erfährt tragen vieles dazu bey, den Matrosen gegen alles Ungemach zu härten. In Sturm und Regen lebt er der frohen Hofnung, daß bald wieder milder Sonnenschein und guter Wind kommen werde. Allein, auch wenn die Zeit der Prüfung kommt, wo diese Hofnung fehl schlägt, ist das Beyspiel des Befehlshabers und der Officiere hinreichend, um den Muth des getäuschten Seemannes aufrecht zu erhalten. Auf jenen viermonatlichen Fahrten gegen den Südpol, wo das Schiffsvolk fast täglich von Kälte und Nässe litt, wo das Eis an den Segeln und Tauen die Hände verwundete, die es angreifen mußten, wo einmal über das andere die ganze Mannschaft aufgerufen ward, um das Schiff aus einer dringenden Gefahr zu retten, wo das hin- und hersegeln zwischen Eismassen, denen man öfters ausweichen[165] mußte, nebst vielem stürmischen Wetter, vollends alle Kräfte erschöpfte, wo endlich der Nebel die Sonne fast immer vor unsern Augen verbarg, und wie ein drückendes Gewicht auf unserm Geiste lag; – wenn da der Trabsinn des Engländers endlich überhand genommen hätte, fürwahr! man hätte Unrecht gehabt, sich darüber zu wundern. Doch dazu kam es nie. Ich habe unsere Leute schweigen sehen, wenn Monate lang das Verdeck, ihr Spielplatz und Erholungsort, ein unangenehmer Aufenthalt für sie war; aber unverdrossen und thätig blieben sie immer, denn ihre Vorgesetzten erduldeten bey Tag und bey Nacht mit ihnen die vielfältigen Beschwerden ihres harten Dienstes. Der Officier blieb, durchnäßt und starrend vor Kälte, auf dem Verdeck, und verließ es nicht eher als seine Wache, und Cook selbst genoß keine andre Speise als der gemeine Seemann. Eine Last wird leicht, und die Gefahr verschwindet, wenn man sie mit andern theilt. Noch wirksamer war aber das feste Vertrauen des Volks auf die weise Führung seines Befehlshabers, und die Ehrfurcht, die man allgemein an Bord für seine Talente und seinen Charakter hegte. Theils jene freywillige Enthaltsamkeit von allem ausschließenden Genuß, theils unzählige Beyspiele von seiner unermüdeten, väterlichen Sorge für das Wohl seiner Untergebenen, stärkten ihr Vertrauen auf ihn bis zu einem Grade von Enthusiasmus. Ein Fest, welches er ihnen zu rechter Zeit erlaubte, ein stärkender Trank, den er austheilen ließ, wenn die Witterung zu schneidend war, oder wenn harte Arbeit die Leute ermattet hatte; ein Zug von Menschlichkeit, wenn er seine Zimmer aufopferte, um den Segelmacher dort bequemer arbeiten zu lassen, und viele kleine Nebensachen dieser Art, gewannen ihm das Herz der rauhen, harten Kerle, die selten so behandelt worden waren. Man darf daher mit Recht behaupten, daß seine Disciplin musterhaft war, und dies vielleicht um so viel mehr, da diejenigen Officiere, die aus andern Kriegsschiffen unter Cooks Commando versetzt wurden, sie gemeiniglich nicht strenge genug fanden. Wie rühmlich ist nicht dieser Tadel für Cook? Wie schön ist nicht dieser Contrast eines großen Mannes, der auch im Matrosen die Menschheit ehrt, gegen jene Seedespoten, in deren Schule die Tadler gelernt hatten, ihre Willkühr für ihr[166] höchstes Gesetz zu halten? Allein auch nur der konnte am besten für den Matrosen fühlen, der selbst auf den untersten Stufen des Seedienstes das eiserne Scepter solcher kleinen Tyrannen kennen und verabscheuen gelernt hatte. Cook strafte selten und ungern, nie ohne dringende Ursach und allemal mit Mäßigung. Er störte nie die unschuldige Freude seiner Mannschaft; vielmehr munterte er sie dazu auf, und gab ihnen Freyheit zum Spiele. So wie sie die traurige Gegend des Südpols verließen, und in der Annäherung zum heißen Erdstrich den belebenden Einfluß einer wärmeren Luft und einer hellleuchtenden Sonne empfanden, kehrte ihre ganze Munterkeit wieder zurück. Der Überfluß, der ihrer in O-Taheiti und den benachbarten Inseln wartete, und die Aussicht, dort mehr als einen Sinn, der jezt so lange gefeyert hatte, zu vergnügen, verbreiteten oft einen Grad von Fröhlichkeit, der in abentheuerliche Tänze und ausgelassene Possenspiele ausbrach. Die Nächte, die jezt mild und warm zu werden anfingen, wurden im Mondenschein oder auch im Finstern angenehm verplaudert, und das noch übrige Ungemach der Reise, welches gegen den Beschluß unseres Sommerzugs an sich immer unerträglicher ward, schien, eben weil es zu Ende gieng, weit weniger als sonst gefühlt zu werden. Man muß mit Cook gereiset seyn, um recht lebhaft zu empfinden, daß ein schönes Klima wirklich mehr als die Hälfte alles Genusses dessen der Mensch fähig ist, aufwiegt. Wenn man mit eignen Augen gesehen hat, wie es gleichsam magisch wirkt, daß Herzen, die vorher in sich gekehrt und gegen jedermann verschlossen waren, sich für einander öfnen; wie es Heiterkeit und frohen Scherz erweckt; wie es einen ganzen rohen Haufen mit einem gemeinschaftlichen Geiste belebt: so kann man sich des Gedankens kaum erwehren, daß es dem Menschengeschlecht in warmen Ländern zuerst gelingen mußte, den schönen Bund der Geselligkeit zu errichten, und zu jenem höchsten Genuß ihres Daseyns hinanzusteigen, der nur in der Freude anderer zu finden ist.

Die Rückkehr in mildere Zonen, und die Annäherung gegen einen bequemen Erfrischungsort wirken aber nicht allein auf den Matrosen; auch die Officiere fühlen alsdenn den Einfluß des wohlthätigen Gestirns, und den innern Trieb sich mitzutheilen,[167] den die freudige Hofnung ihnen einhaucht. Man würde sich in der That sehr irren, wenn man glaubte, daß eine Seereise, welche eine Anzahl Menschen in den engen Bezirk eines Schiffs zusammendrängt, sie dadurch auch näher verbinde. Die Eigenthümlichkeit des Seelebens, erzeugt vielmehr einen gewissen Grad von Ungeselligkeit. Die wirksamste Ursache dieser Vereinzelung und Zurückhaltung ist ohne Zweifel die strenge Subordination. Mehr als fünf oder sechs Personen können, vermöge ihrer Verhältnisse, nicht auf gleichen Fuß miteinander umgehen. Wie darf man, unter so wenigen, auf den glücklichen Fall einer zur Vertraulichkeit und Freundschaft einladenden Übereinstimmung rechnen, die überall, in den volkreichsten Städten, wie in den entlegensten Dörfern, das seltenste Geschenk des Himmels ist? Selbst die gesellschaftliche Unterhaltung, – um auf jenen höheren Genuß des Herzens Verzicht zu thun, – wird durch den engen Kreis, in welchem man sie suchen muß, gestört und eingeschränkt. Zwar sieht man oft im Anfang einer Reise, zumal unter jungen Leuten, jene ungeschliffene Familiarität entstehen, die entweder Unerfahrenheit und Leichtsinn, oder Mangel eines edlen Selbstgefühls verräth; doch eben diese betrügliche Grundlage macht, daß sie sehr vergänglich ist. Wie leichte elektrische Körper, ziehen sie sich, bis zum Augenblick der Berührung, heftig an, und stoßen einander dann nicht minder heftig zurück. Zu Schiffe fällt aber auch alles weg, was in Städten den Umgang in vermischter Gesellschaft erträglich oder wünschenswerth macht. Es ist nicht genug, daß hier schlechterdings keine Auswahl und keine Abwechslung Statt finden kann; denn diese Unbequemlichkeit empfindet man bisweilen auch zu Lande. Allein der stete Wechsel häuslicher und öffentlicher Begebenheiten, diese unerschöpfliche Quelle der gleichgültigen Gespräche, womit gewöhnliche Menschen die Leere ihrer Erholungsstunden ausfüllen, ist für den Seemann verloren, sobald er der Küste den Rücken kehrt. Wenige Wochen erschöpfen den kleinen Vorrath von eigenen Abentheuern, Anekdoten und lustigen oder witzigen Einfällen, die jeder vorzubringen weiß, und deren zweyte, dritte Wiederholung man nur noch eben ohne Gähnen hört. Sobald ein jeder alle diese Erzählungen auswendig weiß, verstummt[168] die Tischgesellschaft, oder man höre wenigstens nichts, als einige Alltagsbetrachtungen über Wind und Wetter. Was die gesellschaftlichen Verhältnisse der Seefahrer noch unanmuthiger macht, ist die unvermeidliche Nothwendigkeit eines gemeinschaftlichen Aufenthalts. Es giebt einen bestimmten Gesichtspunkt selbst für wahre Größe. So wie man dem Meisterstück eines Phidias nicht zu nahe treten kann, ohne den Eindruck des Ganzen zu schwächen, und sich mit einem anscheinenden Mißverhältniß zu täuschen; so muß man oft den Helden aus einer gewissen Entfernung betrachten, um nicht die Schwächen der Menschheit an ihm gewahr zu werden. Je tiefer man nun vom Helden zum gewöhnlichen Menschen hinabsteigt, desto ekelhafter ist der Anblick seiner dem Auge zu nahe gerückten Gestalt. Bey dem lebhaftesten Sinn für gesellige Freuden, würden dennoch die meisten in unzähligen Fällen ihnen weit lieber entsagen, als die Bedingung eingehen, mit denselben Personen, deren Umgang ihnen von Zeit zu Zeit die angenehmste Unterhaltung gewährt, immer fort in Einem Hause zu wohnen, und in demselben Zimmer zu schlafen. Man denke sich, um dieses Bild zu vollenden, die engen Behältnisse, die ich vorhin beschrieb; die tausend kleinen Bequemlichkeiten, die dem Städtebewohner zu Bedürfnissen geworden sind, und die man zur See entbehren muß; endlich die Sitten mancher Seeleute, und die Unmöglichkeit einander zu vermeiden, ohne sich einzuschließen, oder in die Hangmatte16 zu werfen; so hat man den Schlüssel zu jener so oft an Seefahrern bemerkten Ungeläufigkeit der Zunge, und zu ihrer mürrischen Verschlossenheit. Man begreift aber auch, wie selbst ein edler junger Mann, vom lebhaftesten[169] Zeit gewinnen konnte, während Cooks erster Reise die Tafeln zum astronomischen Kalender auf zwey Jahre zu berechnen.17

Wenn jene Stille unterbrochen wird, so geschieht es mehrentheils durch das entgegengesetzte Extrem einer lärmenden und tobenden Fröhlichkeit, wozu die feyerliche Begehung gewisser Festtage den nächsten Anlaß giebt, weil sie die verschiedenen Klassen von Officieren in größere Gesellschaften vereinigt. Das Weihnachtsfest und zuweilen auch des Königs Geburtsfest waren solche Tage. Cook bewirthete dann zwölf bis vierzehn Officiere, und ein Lieutenant machte die Honneurs einer zweyten Tafel, zu welcher alle Unterofficiere des Schiffs gezogen wurden. Auch der gemeine Matrose ward bey dieser Gelegenheit nicht versäumt; und wenn doppelte Portionen seines Branntweins ihm nicht Genüge thaten, so wußte er mit einem Vorrath, den er seinem Munde ganze Monate lang vorher entzogen hatte, das Fest nach altem Brauche zu begehen und die Gefahren der Reise, ja die ganze Welt und sich selbst, zu vergessen. Consequenter, wenn gleich nicht weiser, als seine Vorgesetzten, die sich zum Theil ihrer rauschenden Ausschweifung schämten, hatte er sich im Voraus darauf gefreut, und noch lange nachher blieb ihm die Erinnerung daran eine Losung zur Freude. Offen für alle Eindrücke des gegenwärtigen Augenblicks, kennt er die Quaal des Nachdenkens nicht; und mitten unter siebzig bis achtzig Menschen seines Gleichen fühlt er weder die Einschränkung, noch den Mangel der Gesellschaft, der seinem Officier so lästig fällt. Der gröbste sinnliche Genuß ist der Sold, um welchen er mit unüberwindlicher Anstrengung und desto hartnäckigerem Beharren dient, je gewisser er überzeugt ist, daß ihm dieser Lohn nach wenigen Wochen, höchstens Monaten, nicht entgehen kann. Sein ganzes Leben, ein unaufhörlicher Wechsel von mühseligen Schiffahrten zum üppigen Aufenthalt des Hafens, bürgt ihm für die Wahrheit des Satzes, daß er jede Freude, wofür er Sinn hat, mit Arbeit erkaufen kann; und dieser Schluß, der kühnste Flug seiner Vernunft, haftet fest in[170] seiner Seele. Wir können das Loos der Menschheit beklagen, die es zufrieden seyn muß, um diesen unwürdigen Preis ihre Kräfte zu verschwenden; allein wir müssen den wackern Kämpfer ehren, der ihn erarbeitet, und nur den Müßiggänger verachten, der Lüsternheit ohne Thatkraft besitzt, und schamlos genießt, was er nie erwerben kann. Wie erhaben und geistig aber auch der Genuß immer sey, den wir an die Stelle dieses thierischen setzen, und unseres Erringens werth achten mögen; so besteht dennoch die vollkommenste Art unseres Daseyns, nach den ewigen Gesetzen der Natur, wechselsweise im Sammeln und Zerstreuen unserer Kräfte. Nur die Zwischenräume der Ruhe und Labung erquicken und stärken den erschöpften Arbeiter zum Kampfe mit neuen Beschwerden; und von dem richtigen Verhältniß zwischen Handlung und Erholung hängt sogar die Dauer unseres Lebens ab. Je härter die Anstrengung war, desto süßer ist der darauf folgende Genuß, und wir können hinzusetzen, daß er desto unentbehrlicher sey, je sicherer man darauf gerechnet hat. Die Erfahrung lehrt unwidersprechlich, daß die Menschheit unter einer unerträglichen Bürde entweder völlig erliegt, oder sie mit gerechtem Unwillen abschüttelt. Im erstern Falle wird die menschliche Natur bis in ihre Grundfesten erschüttert, die wenigen Tage des Lebens werden noch verkürzt, die organische Kraft wird unwiederbringlich geschwächt; ihr Gebilde verliert sein göttliches Ebenmaaß, und erlangt nie seine volle Größe und Stärke. Man sehe fünf elende Negersklaven, oder eben so viel noch unglücklichere nordische Leibeigene, eingeschrumpft, erschlafft und kraftlos, mit Mühe eine Last bewegen, die Ein Deutscher oder Engländer im vollen Genuß seiner Kräfte rüstig davon trägt! Wo hingegen der Unterdrückte noch nicht gänzlich entkräftet ist, da kann ein Funke des Selbstgefühls noch Zunder in ihm finden, und eine Flamme erwecken, die seinen Tyrannen verzehrt. Selbst ein vortreflicher Probus ward das Opfer seiner ergrimmten Legionen, als er die Austrocknung der Sirmischen Sümpfe, an einem brennenden Sommertage, mit unmenschlicher Härte betrieb F.18

Wenn man die Lebensart der Seefahrer in obiger Rücksicht[171] betrachtet; so scheint sie mit einer dauerhaften Gesundheit und einem ziemlich hohen Alter wohl bestehen zu können. Noch mehr; wenn die Zeitpunkte der Erfrischung nur nicht zu weit von einander entfernt sind; wenn man den Krankheiten vorbeugen kann, welche von der harten Schiffskost und dem ungesunden Aufenthalt im Schiffsraume bey der geringsten Vernachlässigung so leicht entstehen: so würden vielleicht Entdeckungsreisen vor allen andern zur Erhaltung der Mannschaft die zweckmäßigsten seyn, weil man von den minder gesitteten Völkern des Südmeeres jene starken Getränke nicht erhält, deren Mißbrauch in Europäischen Besitzungen für den Seemann so nachtheilige Folgen hat. Selbst die Ausschweifungen, denen er sich in den Armen einer Venus Pandemos so gern überläßt, lassen dort nicht den tödtlichen Stachel zurück, den das Verderbniß großer Städte so furchtbar macht. Das Gift der Seuche ist dort, wegen der stärkeren Ausdünstung, und der gesunden Pflanzenspeise weniger als anderwärts gefährlich.

Cook wußte aber nicht nur zwischen der Dauer seiner Entdeckungszüge und den Kräften seiner Untergebenen ein richtiges Verhältniß zu beobachten; sondern er sorgte auch, wie ich schon gezeigt habe, durch eine bessere Eintheilung der Wachen dafür, daß die täglichen Zwischenräume der Ruhe länger als die Arbeitsstunden währten. Ungeachtet jedesmal nur fünf und zwanzig Mann aufzogen, waren sie gleichwohl hinreichend, alle gewöhnlichen Verrichtungen des Tages zu bestreiten. Früh Morgens bey Sonnenaufgang wuschen sie das Verdeck, theils der Reinlichkeit wegen, theils um die gar zu heftige Austrocknung im heissen Erdstrich, und das daraus erfolgende Leckwerden zu verhüten. Um acht Uhr ging, wenn nichts außerordentliches vorfiel, die ganze Wache, bis auf einen Quartiermeister und einen Mann am Steuerruder, zum Frühstück, welches aus Weizengrütze bestand. Der Vormittag ging insgemein damit hin, daß Fässer mit Lebensmitteln zum Verbrauch aus dem Schiffsraum hervorgezogen, und ledige an ihre Stelle hinuntergeschickt wurden. Zwischen eilf und zwölf Uhr kam der Schiffsschreiber auf das Verdeck, um jeder Cameradschaft ihre tägliche Portion Brantwein, und zwar, damit sie keine verkehrte Wirkung in den Köpfen hervorbringen[172] möchte, bereits mit Wasser gehörig verdünnt, zuzutheilen. Außerdem aber war es jedermann erlaubt, aus einer offenen Tonne auf dem Verdeck so viel Wasser als er wollte, zu trinken, doch ohne einen Tropfen zu einem andern Gebrauch mit sich forttragen zu dürfen. Durch diese vortrefliche Einrichtung sorgte Cook zu gleicher Zeit für die Gesundheit seiner Leute, und verhinderte die Verschwendung eines so nothwendigen Vorraths. So bald die Polhöhe oder die Uhr die Mittagsstunde bestimmt hatte, war das Geläute der Schiffsglocke ein Signal, das Mittagsessen aus der Küche zu holen. Die ganze Mannschaft ist gewöhnlich in kleine Tischgesellschaften oder Cameradschaften (messes) von drey oder vier Personen abgetheilt, wovon einer wöchentlich das Amt übernimmt, die Portionen Essen und Trinken für seine Tischgenossen in Empfang zu nehmen. Daher sind auch die Stücken Fleisch schon so zugeschnitten, daß die Größe derselben der Anzahl der Personen in jeder Cameradschaft angemessen ist. An den vier Fleischtagen wird, außer der gewöhnlichen Erbssuppe, worin Täfelchen von eingekochter Fleischbrühe zerlassen werden, um sie nahrhafter zu machen, gepökeltes Rind- oder Schweinefleisch mit Sauerkraut gegeben. Mit diesen wechseln die Banianentage, denen der Matrose, mit Anspielung auf die Enthaltsamkeit der Indier von allem Fleische, diesen Namen giebt, weil auch er alsdenn, anstatt des Fleisches, nur einen harten Klos von Mehl bekommt. Der jedesmalige Wirth (caterer) einer jeden Cameradschaft, hat, so lange seine Woche dauert, ein mühsames Amt, denn er muß dafür sorgen, daß seine Tischgenossen ein gutes Stück Fleisch bekommen, und daß ihnen überhaupt an ihren Portionen nichts abgehe. Ein altes Herkommen giebt jeder Tischgesellschaft das Recht, die Nachläßigkeit ihres Wirths zuerst mit Schmälerung seines eigenen Antheils, dann aber auch mit dem Tagel, als dem Werkzeuge der summarischen Justiz des Schiffraums, zu ahnden. Da es nun fast unvermeidlich ist, daß nicht von Zeit zu Zeit ein gar zu kleines Stück in der Tonne seyn sollte, welches irgend einem zu Theil werden muß, so ergötzt sich das Volk ziemlich oft an dem Schauspiel einer solchen scherzhaften Execution. Während des Mittagsmahls bleiben wieder nur die Officiere, nebst ein paar[173] Leuten am Steuerruder, auf dem Verdeck. Der Nachmittag ist gemeiniglich frey von Nebenarbeiten; am Abend wird das Waschen des Verdecks wiederholt, und gegen acht Uhr verzehrt der Matrose sein frugales Abendbrod, welches mehrentheils aus bloßem Schiffszwieback, und dem Überreste der Mittagsmahlzeit besteht. Die nächtlichen Wachen bringen ihre Zeit mit Gehen zu, um sich munter zu erhalten. Zu Schiffe wird aber überhaupt viel gegangen. Außer den gesetzten Zeiten, die jedermann, wenn die Reihe ihn trift, auf dem Verdecke zubringen muß, kommt sowohl der Capitain als die meisten Officiere täglich ein paar mal herauf, um sich ein paar Stunden lang eine Bewegung zu machen. Unzähligemal habe ich mich auf dem Quarterdeck, welches höchstens vier und zwanzig Schritt lang ist, mit zwölf bis vierzehn Personen befunden, die paarweise hintereinander auf und ab spazierten, so, daß wir jedesmal beym zwölften oder funfzehnten Schritt umkehren mußten. Die Bewegung des Schiffs, welches theils von einer Seite zur andern rollt, theils mit dem Vordertheil bald sinkt, bald steigt, macht einen eignen Gang nothwendig; man muß nämlich, um sicher zu treten, mit gebogenem Knie und ziemlich weit auseinander gesetzten Füßen, sich wechselsweise auf einem und dem andern Beine wiegen, und gleichsam wie die Enten einherwatscheln. Ächten Seefahrern wird dieser Gang so sehr zur Gewohnheit, daß sie ihn auch zu Lande nicht ablegen können, wo er ihnen ein linkes Ansehen giebt, weil die Erde nicht unter ihren Tritten ausweicht, wie das Schiff. Die heftigen Bewegungen, welche die See dem Schiffe mittheilt, machen in der That eine Menge kleiner Vorkehrungen nöthig, wovon man zu Lande keinen Begriff haben kann. Alles Bewegliche muß befestigt werden; alle Gläser und Flaschen nebst Theetöpfen und Tassen werden in Bretter mit Einschnitten gehängt. Selbst die Tischgesellschaft in der Kajüte bindet man auf ihren Stühlen fest an den Tisch, und wenn die Suppe gegessen wird, hält jeder den Teller frey in der Luft, und balancirt unaufhörlich damit, um das Überfließen zu verhüten. Alle diese Fertigkeiten erwirbt man sich indeß in kurzer Zeit, ja man lernt sogar bey dem gewaltsamsten Schwanken des Schiffs, schreiben, zeichnen, und sich rasiren. Nur das Toben eines Sturms, wobey[174] die Wogen sich wie Berge thürmen, kann diese Beschäftigungen unterbrechen, und die Spaziergänger vom Verdecke verscheuchen.

Außer dieser Unannehmlichkeit legt das ungestüme Wetter dem Matrosen auch eine neue Last auf, weil es öfters die vereinigten Kräfte der gesammten Mannschaft erfordert. Wenn Segel eingereft oder ganz eingezogen werden; wenn man das Schiff im Sturm umlegen, oder sonst ein Manoeuvre vornehmen will, welches eine schnelle und geschickte Ausführung erfordert: so muß jedermann (all hands), es sey bey Tage oder bey Nacht, heraufkommen und Hand anlegen. Ist die Lage des Schiffs im mindesten gefährlich, so ruft man auch alle Officiere herbey, und der Befehlshaber ist gemeiniglich der erste, der in solchen Fällen auf das Verdeck kommt, da ohne seinen ausdrücklichen Befehl, es sey denn im Fall einer plötzlichen und dringenden Gefahr, niemand das Schiff umlegen lassen, oder die Richtung, in welcher es fortgeht, ändern darf. In ofner See weiß man indeß wenig von solchen überraschenden Ereignissen. Nur am Lande, nur an diesem Ziele, dem der müde Seemann zuletzt so sehnsuchtsvoll entgegensieht, lauert die Gefahr im Hinterhalt; hier muß er oft mit vielen durchwachten Nächten, und mit Erduldung des härtesten Ungemachs, die Erfrischungen des Hafens erringen.

In einer Gegend, wo Cook Land vermuthete, ließ er die Schiffe, wenn deren zwey zugleich unter seinem Befehl standen, drey bis vier Seemeilen weit auseinander segeln, um ein desto größeres Feld übersehen zu können, und wo möglich keine Entdeckung zu verfehlen. Gränzten seine Vermuthungen an Gewißheit, oder befand er sich wirklich in der Nähe von bekannten Inseln, so ließ er des Nachts ab und zu laviren, um nicht aus der Stelle zu kommen, die er am Abend untersucht hatte. In Fällen aber, wo ihm viel daran gelegen war, keine Zeit zu verlieren, und so früh als möglich einen bestimmten Ort zu erreichen, mußte ein Officier die ganze Nacht hindurch in einem Boote einige Meilen weit voraussegeln, und falls er Land erblickte, durch Raketen oder andere Feuerwerke Nachricht davon geben. Ich wage es nicht, die Regungen zu beschreiben, die der wirkliche Anblick des Landes nach einer langwierigen Schiffahrt, ohne Ausnahme[175] bey jedem Seefahrer erweckt. Sobald der Wächter im Mastkorbe Land! ruft, steigen die neugierigsten zu ihm hinauf; sobald es aber vom Verdeck gesehen werden kann, bleibt Niemand mehr unten im Raume; selbst Kranke kriechen alsdenn hervor, und ich müßte mich sehr irren, oder es ist nicht die Neugier allein, die sie so unaufhaltsam antreibt, das Land mit eigenen Augen zu sehen. Es liegt in der That schon etwas erfrischendes in diesem bloßen Anblick, etwas, das den ersten Heißhunger des Verlangens stillt. Das Auge ruhet und genießt; und dieser Genuß ist Labung für den ganzen Menschen, im weitesten Umfang des Einflusses, den selbst die strengsten Ärzte den Geisteskräften auf den Körper zugestehen. Je näher man kommt, desto lebhafter wird das Interesse, durch die Menge der Gegenstände, die man allmählig deutlicher unterscheidet. Allein gerade diese Annäherung bringt den Seemann oft in große Verlegenheit. An einer unbekannten Küste muß er verborgener Klippen und Untiefen gewärtig seyn, wogegen ihn nur die äußerste Sorgfalt und Wachsamkeit schützen kann; und selbst in völlig bekannten Gegenden, ist nur eine Windstille nöthig, um sein Schiff dem Schwanken des Oceans preis zu geben, und in die augenscheinlichste Gefahr zu bringen, an die Küste getrieben zu werden. Diese Schwierigkeiten, die mit jeder Entdeckung des Landes verbunden sind, schrecken insgemein den Befehlshaber einer Entdeckungsreise von der genauen Untersuchung der neuen Länder zurück. Sie fordern gerade die Mischung von Erfahrung und Kühnheit, die Cook besaß, wenn man sich über sie wegsetzen soll. Die Tagebücher seiner Reisen sind aber auch mit vielen Beyspielen angefüllt, wo ihn der Eifer für die Erdkunde in die allergefährlichsten Lagen gebracht, und seine Schiffe mehr als einmal auf Riefe oder Klippen getrieben hat. Ich erinnere mich, auf der Reise, wo ich ihn begleitete, daß wir uns wenigstens sechsmal wegen einer Windstille in der größten Gefahr befanden, an der Küste zu scheitern; nämlich bey Otaheiti, an den Riefen der Freundschaftlichen Eilande, zweymal unter den neuen Hebriden, und zweymal an der Küste von Neucaledonien. Bey Otaheiti kamen wir wirklich auf den Felsen zu sitzen, und es war ein Glück für uns, daß wir auf einem Korallenriefe,[176] welches sonst gegen die Seeseite hin steil wie eine Mauer in den Abgrund geht, einen Absatz fanden, wo ein Anker in der Tiefe von etlichen siebzig Klaftern liegen konnte. In diesem Augenblick der allgemeinen Noth griff jeder, ohne Unterschied des Ranges oder der Beschäftigung, die ihm sonst zukam, zur Arbeit, um das Schiff vom Felsen hinab in tieferes Wasser zu winden. Wundärzte, Sternkundige, Naturforscher, Zeichner, lauter Leute, die sonst mit der Schiffsarbeit nichts zu thun haben, keichten an der Ankerwinde bey einer Hitze von mehr als dreyßig Graden.

Die Ankunft im Hafen macht den Arbeiten des Schiffvolks nicht allemal ein Ende; im Gegentheil finden sich alsdenn eine Menge Verrichtungen, welche die anhaltendste Anstrengung erfordern, und wobey zuweilen viel zu wagen ist. Die unvermeidliche Nothwendigkeit, gewisse Vorräthe, wie z.B. Holz und Wasser, zu ergänzen, und das bey mißlichen Gesundheitsumständen oft nicht minder dringende Bedürfniß frischer Lebensmittel, sind zwar an sich hinlängliche Bewegungsgründe, einen Hafen zu suchen; allein so wichtig sie immer seyn mochten, und so ernstlich Cook zu allen Zeiten darauf sann, seine Mannschaft gesund und muthig zu erhalten, so vergaß er doch nie den Zweck seiner Reise über die Mittel zur Erlangung desselben, und hütete sich, diese Mittel je als Zwecke anzusehen. Das Entdeckungsgeschäft blieb also auch alsdenn noch sein Hauptaugenmerk, wenn er am Lande Erfrischungen suchen mußte. Wo seine Vorgänger, oder er selbst, bey einem früheren Besuch, im Fache der Geographie nichts nachzuholen übrig gelassen hatten, wie z.B. in den Societätsinseln und in verschiedenen Gegenden von Neuseeland da verweilte er nicht länger, als es die Erholung des Schiffvolkes unumgänglich erforderte. Wie eifrig er es sich aber angelegen seyn ließ, während dieses Aufenthalts, von der innern Beschaffenheit des Landes nähere Nachricht einzusammeln, und mit dem Nationalcharakter der Einwohner vertrauter zu werden, davon giebt insbesondere das Tagebuch seiner letzten Reise den redendsten Beweis. Nachdem Wallis und Bougainville, jeder ungefähr drey Wochen, Cook aber in der Endeavour, wegen des Durchgangs der Venus, volle drey Monate, und auf seiner zweyten Reise zu zwey verschiedenen[177] Jahreszeiten über vierzehn Tage in O-Taheiti zugebracht hatte, hielt er noch auf der dritten Reise die wichtige Nachlese von den dortigen Sitten, Gebräuchen und Religionsbegriffen, die seine letzten Aufsätze so lehrreich und unterhaltend macht. In der That ist es offenbar, daß so vieler wiederholten Besuche ungeachtet, unsere Kenntniß von jener Insel noch jezt sehr unvollkommen seyn müsse, und daß es auch schlechterdings unmöglich sey, auf Entdeckungsreisen, die einen bestimmten Zweck haben, den ganzen Umfang aller Verhältnisse eines jeden neuentdeckten Landes zu erschöpfen. Ohne hier auf ein Beyspiel zu verweisen, welches uns nahe liegt; ohne zu erinnern, daß es die Beobachtung vieler Jahre und unzählige Hülfsmittel erfordert, um, ich will nicht sagen, einen vollständigen Begriff von unsern Ländern zu erlangen, sondern nur von einzelnen Gegenständen, wie Verfassung, Rechtspflege, Religion, Wissenschaft und Kunst eines Europäischen Staates, genaue Nachrichten zu sammeln; muß es jedem auffallen, daß Unbekanntschaft mit der Sprache jener Völkerschaften in den meisten Fällen dem Forscher ein unübersteigliches Hinderniß in den Weg legt. Dem Reisenden bleibt unter diesen Umständen weiter nichts übrig, als aufmerksam zu beobachten, und das gesehene treu zu erzählen. Alles was außer seinem Gesichtspunkte liegt, ist so gut, als ob es noch nicht existirte; wenigstens sind alle Nachrichten, die man aus dem Munde der Eingebohrnen erfährt, bey der Unvollkommenheit unserer Sprachkenntniß, mehr oder weniger schwankend und unzuverlässig, je mehr Beziehung sie auf abstrakte Begriffe oder auf Gegenstände der Einbildungskraft und Logik haben. Die Taheitische Götterlehre und Kosmogenie bleiben daher noch immer doppelt verschleyert, einmal durch ihre eigenthümliche Ungereimtheit, und dann durch unsere fehlerhafte Auslegung. Doch diese Schwierigkeit beyseite, wie viele Handlungen und Begebenheiten, welche die Hauptzüge zum Nationalgemälde liefern, können nicht Statt finden ohne daß sie sich gerade während des kurzen Aufenthalts des Entdeckers ereignen? Cook war viermal in Otaheiti gewesen, und dennoch sah er erst das letztemal ein Menschenopfer, diesen so äußerst merkwürdigen Zug von der Grausamkeit des Aberglaubens bey einem übrigens sanftmüthigen Volke. Eben[178] so verhält es sich mit allen andern Gegenständen des Nachforschens. Wenn man eine weit ausgebreitete Küste, oder eine Insel von beträchtlichem Umfange beschifft, so schränken sich alle Untersuchungen auf die wenigen Anlandungspunkte ein; außer ihnen bleibt alles, und hauptsächlich das Innere des Landes unerforscht. Wie läßt es sich auch denken, daß man in einigen Tagen, oder wenn es hoch kommt in einigen Wochen, alle Produkte, selbst nur jener kleinen Bezirke einsammeln könne, da jede Jahreszeit und fast jeder Monat, seine besondern Blüthen und Früchte trägt, da Thiere, Vögel und Fische zu gewissen Zeiten ihre Wohnplätze verändern, und Insekten während ihrer verschiedenen Verwandlungsepochen oftmals von der Oberfläche der Erde verschwinden? Allein der Entdecker soll ja nicht Topograph seyn; er hängt von seinem Reiseplan ab, und sucht sein Verdienst in einer weisen Eintheilung und Benutzung seiner Zeit, so, daß er zugleich seinen Hauptendzweck, die Entdeckung neuer Länder, und die wichtige Nebenabsicht ihrer genaueren Untersuchung, nach Möglichkeit erreicht.

Insofern das Entdeckungsgeschäft von Umständen abhängt, die sich nicht vorhersehen lassen, ist es fast unmöglich, den Erfolg bey jeder neuen Veranlassung vorauszubestimmen. Stürme, widrige Winde, Windstillen, die Annäherung einer Jahreszeit, die den Entdecker nach andern Meeresgegenden hinruft, der Wassermangel des neuen Landes oder dessen Unfruchtbarkeit, welche ihm die nöthigsten Erfrischungen und Schiffsbedürfnisse versagt, die Unsicherheit einer offenen Rheede, die Schwierigkeit und Gefahr des Anlandens, die Wildheit und Feindseligkeit der Eingebohrnen, – alles dies sind Einschränkungen, welche die weisesten Maaßregeln vereiteln, und der feurigsten Forschbegierde Einhalt thun können. Man gehe indeß Cooks drey große Reisen durch, und erwäge, wie viel er, unter solchen Umständen, in Vergleich mit andern Seefahrern geleistet hat, so wird man, auch ohne nautische Kenntnisse zu besitzen, leicht entdecken, was Erfahrung, Unerschrockenheit, Geduld, Scharfsinn und Eifer des Entdeckers dagegen vermögen, und wie manches Hinderniß sie glücklich bezwingen. Der Unbeständigkeit des Wetters und selbst einem langwierigen Widerstande der Winde setzte[179] Cook sein, nur großen Männern eigenthümliches, Beharren entgegen, und da er jeden Vortheil unverzüglich benutzte, war er seines Sieges jederzeit gewiß. Aufmerksam auf den Wink des Botanikers, der ihm blutreinigende und nahrhafte Kräuter zeigte, schuf er sich aus unbewohnten Wüsteneyen, wo kein anderer Seefahrer verweilt hätte, die herrlichsten Erfrischungsplätze. In der Behandlung der minder gesitteten Völker, welche die jenseitige Halbkugel bewohnen, ging er den Mittelweg, der dem Entdecker geziemt. Sein richtiges Gefühl, sein von den Fesseln des Vorurtheils freyer Verstand, seine Achtung für die Rechte der Menschheit bewogen ihn zur Schonung und Nachsicht. Er mäßigte den überkochenden und zu geringschätzigen Eifer derer, die sich bey der geringsten Widersetzlichkeit lieber furchtbar als beliebt machen wollten. Es ist allerdings empörend, wenn man, bey dem Bewußtseyn der besten Absichten, nur Mißtrauen erblickt, und für angebotene Freundschaft nur höhnende Ausforderungen zurück empfängt. Allein das Ehrenrührige und zur Wiedervergeltung Anspornende fällt weg, sobald man sich mit Cook an die Stelle jener rohen Menschen setzt, bey denen Fremdling und Feind beynahe gleichgeltende Begriffe sind. Der Europäer, dem seine Waffen eine entschiedene Überlegenheit geben, kann überdies nicht eigentlich von dem Schwächern beleidigt werden, dessen Unwissenheit er schonen, und dessen Tapferkeit er ehren muß. Cook vermied daher sorgfältig jede Gelegenheit zum Streite, und suchte das Vertrauen der Eingebohrnen zu rechter Zeit durch Geschenke und Freundschaftsbezeigungen zu gewinnen. Von einer andern Seite hingegen litt er es nie, daß man an ihm und seinen Leuten ungestraft die allgemein erkannten, und selbst dem Wilden heiligen, Rechte des Eigenthums gewaltthätig kränkte. Nichts gleicht dem Übermuth des Räubers, dem sein erster Versuch gelingt; mit stolzer Verachtung sieht er auf seinen Gegner als seine Beute herab, und indem der Besitz des geraubten Gutes seine Habsucht schärfer reizt, kann ihn nichts mehr abhalten, einen neuen Anschlag auf des Fremden Eigenthum und Leben zu wagen. Immerhin mögen Romandichter, die sich ihrer Ideale nicht entschlagen können, und gewohnt sind, von Naturmenschen, vom goldnen Zeitalter, von ursprünglicher Vortreflichkeit[180] und Einfalt, und einem angebohrnen Gefühl, daß allen alles gehöre, überirdisch zu träumen, immerhin mögen sie, sage ich, diese Bilder ihrer süßelnden Phantasie auch in ihre Darstellung der wirklichen Welt übertragen: der Reisende durchirrt alle vier Welttheile, und findet nirgends das liebenswürdige Völkchen, welches man ihm in jedem Walde und in jeder Wildniß versprach. Getäuscht durch eine faselnde Erdichtung, die den Namen der Geschichte und der Philosophie entheiligt, schämt er sich endlich seiner kindischen Leichtgläubigkeit, und erweiset dem läppischen Naturmenschen noch unverdiente Ehre, wenn er ihn zu den Centauren und Cyklopen, oder zu den redenden Thieren der alten Fabel zählt.19 Man zeige uns den Wilden, der, ohne blödsinnig zu seyn, vom Mein und Dein gar keine Begriffe hat. Sein ist die Hütte, die er errichtet, der Pelz, den er genähet, der Kahn den er ausgehöhlt, der Bogen den er geschnitzt, die Schleuder, die er geflochten, das Netz das er gestrickt, der Putz den er sich mühsam zusammengesucht und mit unendlicher Geduld bereitet hat. Sein ist der Baum über seinem Haupte, der ihm Früchte trägt, das Wild das er tödtet, der Fisch den er fängt. Sein ist endlich der Wald wo er jagt, das Ufer wo er fischt, das Weib, das er umarmt. Niemand versucht es ungeahndet, ihn im Besitz dieses Eigenthums zu beeinträchtigen. Doch auch das Thier, könnte man einwenden, fühlt einen zueignenden Trieb; wer kennt nicht den sultanischen Instinkt des Seelöwen und des Affen-Anumants?20 Allein für den Menschen giebt es beydes, ein Eigenthum der Begierde, und eines der Vernunft. Der Instinkt geht vor dem Begriff her, er dauert auch neben ihm fort, und ist das Übergewicht, wodurch die Vorstellung des Mein immer ungleich lebhafter zu[181] bleiben pflegt, als die Vorstellung des entgegengesetzten Dein. Aber der Begriff, der nur durch eben diesen deutlichen, klaren Gegensatz offenbar werden konnte, entstand fast zugleich mit der Sprache und mit der Gesellschaft. Die Nordamerikaner im Nutka-Sunde wollten für die Erlaubniß Holz zu hauen, Wasser zu füllen, und Gras zu mähen bezahlt seyn, und rechneten es sich hernach zum Verdienst an, daß sie den Engländern Holz und Wasser unentgeldlich überlassen hätten. Cook fand ihre Forderungen billig, und würde, wenn er zugegen gewesen wäre, die Erlaubniß erkauft haben, wie er in der Folge wirklich für das Heumachen bezahlte. Können auch, darf ich jezt fragen, gesittete Europäer den Begriff des Eigenthumsrechtes weiter ausdehnen? Und ist er nicht jederzeit wechselseitig? ist das Recht des Seefahrers auf sein Eigenthum nicht so gültig, als das, womit der Wilde das seinige besitzt? Wie gelangte der Wilde sonst zu dieser Erkenntniß, wenn nicht bey einer Gelegenheit, wo er zugleich einem andern ein ähnliches Recht zugestehen mußte! Wissentlich also wagt er einen Eingriff in dieses von ihm selbst anerkannte Recht, wenn er, aus Übermuth und im Vertrauen auf seine Stärke, einen gewaltthätigen Raub begeht. Daher stimmen alle zuverläßige Reisende und insbesondere Cook mit seinen Gefährten, darin überein, daß die Rechtmäßigkeit der an den Plünderern vollzogenen Strafe in allen Fällen, ohne Ausnahme, von den Wilden selbst freywillig eingestanden worden sey. Der Mensch der nur sein Recht behaupten, und jedem andern das seinige absprechen wollte, wäre fürwahr! nur ein etwas klügerer, und folglich ein desto furchtbarerer Tiger. Man hat zwar hier und dort Wüthriche dieser Art, selbst auf dem Throne gesehen; allein sie und ihr göttliches Recht sind der Abscheu und zugleich die Schande der Menschheit.

Es ist das Schicksal des Entdeckers, so friedfertig er übrigens gesinnt seyn mag, in Lagen zu kommen, wo er sein Leben auf das Spiel setzen, und bisweilen mit dem Blute derer, die ihn angreifen, erkaufen muß. Seine Wachsamkeit und Vorsicht vereiteln zwar insgemein den regellosen Angriff der Wilden; der Blitz und Donner des Geschützes, das aus der Ferne tödtet, entscheiden schnell für ihn, nicht so wohl durch die Anzahl der Erschlagenen, als durch das Schrecken, das sie verbreiten;[182] doch hat man auch Beyspiele von dem seltneren Falle, daß er unversehens überfallen, oder von der tollkühnen Menge überwältigt worden ist. Cook war lange der Gegenstand einer anbetenden Verehrung bey dem Volke von Owaihi, bis es über eine rasche That eines Officiers plötzlich in Gährung gerieth. Noch wollte er das Leben der Insulaner schonen, und versäumte dadurch den Augenblick seiner eigenen Rettung; es war zu spät zu den Waffen zu greifen, da schon blinde Wuth die Gemüther erfüllte. Eine Maaßregel, welche zu rechter Zeit ein größeres Blutbad verhütet, kann vielleicht den Anschein von Strenge haben; allein sie ist menschlich und weise, so bald man ihre Folgen betrachtet. Könnte oder möchte man sich doch zuvor ganz an die Stelle des Entdeckers denken, ehe man sein Betragen gegen die Einwohner jener fernen Weltgegenden verdammte! Es ist guter Ton, daß Herren und Damen von feinem Gefühl sich über den Mißbrauch der Übermacht gegen ein unschuldiges, und wenn es ihnen beliebt, ein harm- und wehrloses Völkchen ereifern; daß sie mit Abscheu und Entsetzen die Mordthaten der Europäer erwähnen. Woher kommt es denn aber, daß man sich Beschuldigungen von der gehässigsten Art erlaubt, so bald von Entdeckern und Indianern die Rede ist, da es in jedem andern Falle ungezogen seyn würde, ohne die unläugbarste Evidenz damit hervorzutreten? Selbst würdige und gelehrte Männer giessen viel unverdienten Spott über den Entdecker aus; weil er, ihres Bedünkens, ein unrechtes Compendium des Naturrechts nachgeschlagen haben müsse, um darin die Richtschnur seines Verkehrs mit den Insulanern des Südmeers zu finden. Cook hatte aber weder den Barbeyrac noch den Puffendorf gelesen, und überhaupt den Wilden nicht theoretisch studirt. Sollte es auch nicht einem kleinen Zweifel unterworfen seyn, ob man wirklich Compendien nachschlägt, wenn man sich in Lebensgefahr befindet? Doch vielleicht ermannet sich irgend ein empfindsamer Sittenrichter, seinen Flaum und seinen niedlich besetzten Tisch zu verlassen, um den Seemann auf einer mühsamen Fahrt zu begleiten. Wenn alsdenn ein Sturm die Masten zerschmettert, oder eine Klippe den Boden beschädigt, wenn der unentbehrlichste Vorrath von Holz und Wasser zu Ende geht, wenn der Scharbock[183] unter der Mannschaft wüthet, mit Einem Worte, wenn das harte Gesetz der Nothwendigkeit den Entdecker in den Hafen treibt, so wird hoffentlich der nunmehrige Theilnehmer an diesen Leiden genau bestimmen können, was die Selbsterhaltung fordert, und wo die Menschlichkeit anfängt. Der Neuseeländer der heute ganz friedlich Fische zum Verkauf bringt, kommt morgen als Feind. Wohlan! heute giebt man ihm Nägel, und morgen wehrt man sich mit Kugeln. Weit entfernt also, jene Menschen nach unsern schulgerechten Begriffen zu behandeln, sieht man sich vielmehr gezwungen, sich zu den ihrigen herab zu lassen. Die Frage, womit der strenge Moralist sich zuletzt durchhelfen will, nämlich: mit welchem Rechte man den Wilden in seinem Lande beunruhige? gehört eigentlich nicht hieher; denn sie betrift nicht mehr das Betragen des Entdeckers, sondern will die Moralität der Entdeckungsreisen überhaupt verdächtig machen. Wer dasjenige erwägt, was hierüber im Eingange dieses Aufsatzes gesagt worden ist, wird es schwerlich den Europäern zur Sünde anrechnen, daß sie nicht die ersten sind, die auf einer entfernten Insel anlanden, sondern Menschen dort antreffen, welche sich bereits in früheren Zeiten dahin gewagt haben. Wie viel indeß auf die Mäßigung des Befehlshabers ankomme erhellt aus einer Vergleichung zwischen Cooks Reisen und andern Südseefahrten. Mendanna, Quiros, Roggewein, Wallis und Carteret richteten große Niederlagen unter den Eingebohrnen der wenigen Südseeinseln an, die sie berührten; da hingegen Cook, bey dem erstaunlichen Umfang seiner Entdeckungen, mit den verschiedensten Völkerschaften, in O-Taheiti, den Societäts- Freundschafts- und Sandwichsinseln, den Marquisen und neuen Hebriden, in Neucaledonien, Neuholland und Neuseeland, und an der ganzen Nordwestküste von Nordamerika, mehrentheils in gutem Vernehmen stand und nur äußerst selten in die betrübte Nothwendigkeit versetzt wurde, zu gewaltsamen Vertheidigungsmitteln zu schreiten. Die Anzahl der Erschlagenen bleibt auch alsdenn noch unbeträchtlich, wenn man die unglücklichen Schlachtopfer der unverantwortlichen Übereilung oder Fühllosigkeit einzelner Officiere hinzu rechnet.

Das Mittel, wodurch der große Seemann diesen Theil seines[184] Plans durchsetzte, war jene außerordentliche und nie ermüdende Thätigkeit, die ihn auch bewog, die geschäftigsten Rollen selbst zu übernehmen, und der Willkühr seiner ungestümeren, oft harten Untergebenen so wenig als möglich zu überlassen. So bald man sich dem Lande nahete, fing eine Reihe von neuen Beschäftigungen an. Von einem Augen blicke zum andern, so wie die verschiedenen Vorgebirge und Spitzen zum Vorschein kamen oder sich wieder hintereinander verborgen, mußte ihre Lage und Richtung vermittelst des Compasses bestimmt werden. In der Nähe des Ufers, insbesondere wo ein Hafen zu seyn schien, oder wo ein flacher mit Sand bedeckter Strand an das Meer gränzte, ward das Senkbley fleißig ausgeworfen, um zu erforschen, ob Ankergrund vorhanden sey. Die Schiffe änderten ihre Richtung nach den Beugungen und vorspringenden Spitzen der Küste, welche man oft gänzlich aufzunehmen suchte, ehe man vor Anker ging. Beym Anschein eines Hafens, wo es nicht rathsam gewesen wäre, sogleich einzulaufen, ward ein Boot ausgesetzt und zur Untersuchung abgeschickt. Die Tiefe des Wassers, die Beschaffenheit des Grundes, die Lage des Eingangs; mit welchem Winde man hinein, und mit welchem man bequem heraussegeln könne? ward auf die Art vorher bestimmt. Wo die rechte Einfahrt leicht verfehlt werden konnte, mußten sich Boote auf die Untiefen zu beyden Seiten legen, und dieser Vorsicht ungeachtet blieb dennoch bisweilen manche Klippe unter dem Wasser verborgen und unerforscht, die man erst mit der Gefahr das Schiff zu verlieren kennen lernte. So eifrig man bemühet gewesen war, sich mit den Eingebohrnen, die etwa in ihren Kähnen sich einige Meilen weit in See an das Schiff gewagt hatten, freundschaftlich zu unterhalten, so hörte doch gleichsam aller Handel und alles Gespräch mit ihnen auf, so lange die ungewisse Lage des Schiffs an einer unbekannten Küste die ganze Aufmerksamkeit des Seemanns erfoderte. Hätten diejenigen Insulaner, die geneigt waren uns als Feinde anzugreifen, einen Begriff davon gehabt, wie schwer es sey, unsere großen Schiffe zu regieren, so würden sie unfehlbar keinen gefährlicheren Augenblick zum Angriff haben wählen können, als eben den, wo die ganze Mannschaft in voller Beschäftigung stand, und niemand seinen Posten bey[185] den Segeln, bey dem Senkbley, bey dem Anker und den Kabeltauen verlassen durfte. Allein solche kritische Zeitpunkte giengen immer glücklich vorbey. Cook wählte sich den Ankerplatz, das Anker ward am bestimmten Orte geworfen, die Segel wurden eingezogen, und dann die Boote von neuem bemannet, um zu versuchen, was das Land hervorbrächte. Der erste Gegenstand des eigenen Nachforschens oder der Nachfrage bey den Einwohnern, war ein bequemer Platz, wo man die ledigen Wasserfässer mit frischem Trinkwasser füllen könnte. Die Pantomime leistete bey solchen Gelegenheiten wesentliche Dienste, bis man die nothwendigsten Wörter der Landessprache erlernt hatte. Das Bedürfniß des Essens und Trinkens durch Zeichen zu verstehen zu geben, ist so leicht und dem Mißverstande so wenig unterworfen, daß alle Conversation am Lande gemeiniglich davon anfängt. Beynahe immer nennt der Insulaner, sobald er begreift was man von ihm fordert, das Verlangte, z.B. Wasser, oder die Frucht am Baume, auf die man hindeutet, oder das Schwein welches unweit seiner Hütte umher läuft, mit Namen; und für Leute, denen alles daran liegt, sich verständlich zu machen, gehen seine Ausrufungen nicht verloren. Sobald er seiner Seits durch einige Beyspiele dieser Art inne wird, daß die Fremden seine Töne nachsprechen und zu verstehen suchen, deutet er auf die Menge der Gegenstände um sich her, und nennt einen jeden mit dem in seiner Sprache üblichen Worte. Der Sprachforscher findet also, wenn die Eingebohrnen nicht etwa, wie die Feuerländer, in Trägheit und dumme Fühllosigkeit ganz versunken sind, frühzeitig Gelegenheit, sein Wörterbuch zu bereichern. Seine Untersuchungen werden indeß durch ihre verschiedene Gemüthsart bald erleichtert, bald eingeschränkt Wenn gleich die Fälle selten sind, wo sie in wirkliche Feindseligkeiten gegen die Entdecker ausbrechen, so giebt es doch auf der andern Seite auch wenige Beyspiele von einem so unbegränzten Zutrauen und einer so patriarchalischen Gastfreyheit, wie sie in Taheiti und den Freundschaftsinseln angetroffen wird. Je mehr Zurückhaltung und Mißtrauen der Insulaner blicken läßt, desto vorsichtiger und behutsamer muß sich der Reisende gegen ihn betragen. In Mallikollo wagten wir es kaum, zehn Schritte weit in den Wald zu gehen,[186] der sich längs dem Strande hinzog; und dennoch winkten uns die Einwohner, sobald sie uns gewahr wurden, wir sollten sogleich an den Strand zurückkehren. In Tanna durften wir anfänglich auch nur ganz kurze Spaziergänge wagen, bis wir nach mehreren Tagen die Wohnungen des für uns am freundlichsten gesinnten Alten entdeckten, und allmählig die Zuneigung der dortigen Familien gewannen. Gleichwohl blieben die Einwohner, welche sich gegen den Vulkan hin aufhielten, jederzeit auf ihrer Hut, und ungeneigt mit uns vertrauten Umgang zu pflegen, so, daß sie uns zu wiederholtenmalen den Durchgang durch ihre Pflanzungen, nach jenem feuerspeyenden Berge versagten. Allein die gewöhnliche Kürze, oder auch die unbestimmte Dauer des Aufenthalts, und vorzüglich die Menge und Mannichfaltigkeit der in der Nähe zu beobachtenden Gegenstände gestatteten selten weitere Excursionen in das Innere, wenn auch die Insulaner nichts dawider hatten. Schon am Strande, wo die Neugier den größten Haufen der Einwohner zu versammeln pflegte, beschäftigte man sich oft Tage lang mit Erlernung der Sprache, mit der Beobachtung dieser von uns so verschiedenen Menschen, mit dem Tauschhandel um ihre Kleidungsstücke, ihre Waffen, ihre Zierrathen und andre Kunstarbeiten. In ihren Hütten erforschte man ihre Lebensart erst durch wiederholte Besuche; man untersuchte allmählig, so wie man sich durch Geschenke und kleine Liebkosungen gleichsam die Rechte der Freundschaft in einem immer höheren Grade erwarb, das Innere des Haushalts, die Geräthschaften, die Speisen, und ihre Zubereitung; zuweilen lernte man nur wenig, aber täglich wenigstens etwas neues. Bald beobachtete man die Austheilung der Arbeiten, die Verfertigung der Kleidungsstücke, die Bestellung des Ackers, den Bau einer Hütte oder eines Kahns; bald ereignete sich Gelegenheit, irgend eine merkwürdige Sitte, oder einen auffallenden Gebrauch zu sehen; bald fand man unverhoft einen Ehrenmann, der von der Erzeugung seiner Götter und von der Schöpfung zu erzählen wußte. Die Produkte des Steinreichs, die ein jedes Land darbot, die dortigen Vögel, Insekten und Gewürme, mußten theils gesammelt, theils mit Geduld verfolgt werden; und die Blüthen der Bäume und Kräuter nöthigten den Botaniker, wegen[187] ihrer Vergänglichkeit, an Bord zu eilen, um dort ihre Beschreibungen und Abbildungen vollenden, und dann nach einer neuen Ernte ans Land zurückkehren zu können. In den meisten Fällen mußte er sich ohnehin in seinen botanischen Spatziergängen nach den Beschäftigungen und Erholungsstunden des Schiffvolks richten, weil es, außer an den bestimmten Tagszeiten, wo Boote abgeschickt wurden und andere ankamen, selten Gelegenheit gab, vom Schiffe ans Land, oder zurück an Bord zu kommen. Alles war während dieser geschäftigen Zeit in Bewegung. Eine Parthey mußte Wasser füllen, eine andere fällte Brennholz; einige Officiere waren mit dem Tauschhandel um Lebensmittel beschäftigt. In fischreichen Gegenden schickte man Boote aus, um auch diese Erfrischung nicht zu versäumen; in unbewohnten oder unbebauten Ländern suchte man sich durch wildwachsende Suppenkräuter für den Mangel der Gartengewächse schadlos zu halten. Zu gleicher Zeit wurde das Schiff ausgebessert, und, wie es nach einer langen Fahrt nothwendig war, mit neuem Tau- und Takelwerk versehen. Cook ließ das Meergras und die Muscheln die sich angesetzt hatten, vom Boden abkratzen, und die Ritzen zwischen den Planken, welche durch das Eintrocknen und das beständige Arbeiten des Schiffs gegen Wind und Wellen immer weiter aus einander gegangen waren, mit Werg verstopfen. Auf eben die Art kalfaterte man das Verdeck, welches zuweilen das Wasser stromweise durchließ, und wenn alles fertig war, füllte man die Fugen mit Pech an, und bestrich das ganze Schiff mit Theer. Endlich ließ Cook auch Ballast laden, um das verminderte Gewicht zu ersetzen, und den Gang des Schiffes zu erleichtern, kurz, er setzte es in segelfertigen Stand. Wenn es die Umstände erforderten, mußte am Lande eine Schmiede errichtet werden, um neue Bolzen, Klammern, und dergleichen zu schmieden; und wo es anging, legte Cook auch eine Brauerey von Tannen- oder andern ähnlichen Sprossen an, um seine Leute durch eine gesunde Art von Bier zu erquicken. Ferner wurde am Lande ein Zelt aufgeschlagen, welches zur Sternwarte eingerichtet war. Während der Zeit wurden, zumal in weitläuftigen Bayen, deren Umfang und Lage man nicht mit einem Blick übersehen konnte, von Zeit zu Zeit Entdeckungspartheyen[188] ausgeschickt, welche die verschiedenen Gegenden genau aufnehmen, und in Charten bringen mußten. Cook selbst belebte und betrieb fast alle diese Geschäfte durch seine Gegenwart. Er landete in einem neuen Lande fast immer selbst zuerst, oder folgte bald dem ersten Boot; er wies den Partheyen ihre verschiedenen Plätze an, und besuchte sie täglich mehrmals, um die Arbeit zu fördern, und allen Unordnungen und etwanigen Mißhelligkeiten mit den Einwohnern vorzubeugen. Wo diese sich sehen ließen, suchte er sie dadurch zu gewinnen, daß er Bänder, Schaumünzen21 und andere Geschenke, insbesondere aber Eisengeräth unter sie austheilte, sie zu sich bat, die Vornehmsten an seiner Tafel bewirthete, und vor allen Dingen es dahin zu bringen suchte, daß ein Handel um Lebensmittel zu Stande kam. In unbewohnten Gegenden, wo diese Hülfe wegfallen mußte, und der Fischfang fast die einzige Erfrischungquelle blieb, pflegte er mit einer Gesellschaft von Officieren auf die Jagd zu gehen, und das erlegte Wildpret, es mochte nun in Seelöwen und Robben, oder in Pinguinen, Wasserraben, Enten, Gänsen und anderem Geflügel bestehen, unter die Mannschaft zu vertheilen.

Die Aufmerksamkeit des berühmten Entdeckers auf diesen Gegenstand, verdient wohl, daß ich noch ein Paar Bemerkungen darüber hinzufüge. Es hätte warlich wenig gefruchtet, daß man die Schiffe unter seiner Führung von England aus so reichlich mit allen Erfordernissen versah, wenn nicht Er selbst den großen Haushalt geführt, zu rathe gehalten, und wo es möglich war, zu ergänzen gesucht hätte. Eine von den Ursachen, welche den Capitain Furneaux bewogen, nach seiner zweyten Trennung von Cook, geradesweges nach England zurückzugehen, und ein ganzes Jahr früher als er sollte, das Südmeer zu verlassen, war der Mangel an Lebensmitteln, welche nicht mehr auf eine dritte Campagne hinreichend befunden wurden. Gleichwohl hatte man sein Schiff eben so reichlich, wie die Resolution, auf drey volle Jahre versehen,[189] und es hatte bloß an jener strengen Sparsamkeit gefehlt, welche Cook so weit trieb, als es mit der Erhaltung seiner Mannschaft nur immer bestehen konnte. Er wußte den Zeitpunkt abzumessen, wo er seinen Leuten etwas von ihrer vollen Portion abkürzen durfte; er unterließ auch nie, sobald nur frische Lebensmittel gereicht werden konnten, den ganzen Vorrath von Schiffskost, der täglich verbraucht zu werden pflegte, für eine künftige Gelegenheit aufzusparen. Von Zeit zu Zeit ließ er die Vorräthe aller Art genau besichtigen, was verdächtig befunden ward, zuerst verzehren, und allerley Handgriffe vornehmen, um den Überrest vor künftiger Beschädigung zu sichern. Dieser Sorgfalt verdankte er die Dauer seiner zweyten Reise, indem er dadurch noch zu rechter Zeit entdeckte, daß aller Schiffszwieback, den man in neue Fässer gepackt hatte, schimmlicht geworden war. Sogleich mußte in Neuseeland ein Backofen errichtet werden, worin er den Zwieback, nachdem vorher aller verdorbene ausgeworfen war, nochmals trocknen ließ. Wäre Cooks Wachsamkeit nicht so sehr ins Einzelne gegangen, und hätte sie nicht die dem Anschein nach geringfügigsten Kleinigkeiten, so wie die große Einheit des ganzen Plans umfaßt, so würde es ihm schwerlich gelungen seyn, seine Mannschaft, zum Erstaunen von Europa, drey Jahre lang so gesund zu erhalten, daß von hundert und zwanzig Menschen nur Einer durch Krankheit verloren ging. Er wußte aus Erfahrung, daß Unreinlichkeit und Mangel an frischer Luft im Matrosenraume oftmals ohne weitere Ursachen hinreichend sind, die heftigsten Ausbrüche des Scharbocks zu veranlassen. Man stelle sich jenes niedrige enge Behältniß vor, wo die Hangmatten dicht neben einander gereihet sind. Es erhält zu allen Zeiten nur wenig frische Luft; bey stürmischem Wetter aber fast gar keine, weil alsdenn der Hauptzugang mit einem Gatter und darüber mit Persening, oder getheerter Leinwand, bedeckt ist. Die Ausdünstungen von mehr als achtzig Personen verpesten nicht nur diesen Raum, und verursachen daselbst eine ungesunde Hitze, sondern sie durchdringen auch die Betten und Hangmatten, und selbst die Balken und Verdecke des Schiffs. Um die nachtheiligen Folgen dieser mephitischen Luft so viel als möglich zu vermindern, ließ Cook die Hangematten bey[190] schönem Wetter alle Morgen auf das Verdeck bringen, und in die daselbst befindlichen Boote werfen, damit sie den ganzen Tag über vom frischen Winde durchlüftet wurden. Von Zeit zu Zeit, mehrentheils einmal in vierzehn Tagen, mußte jedermann heraufkommen, indeß zwischen den Verdecken mit Schießpulver und Essig geräuchert ward; und damit der Rauch alles Holzwerk recht durchziehen möchte, ließ Cook die Räume auf ein Paar Stunden lang zuschließen. Bisweilen wurden auch die Verdecke mit Essig gewaschen, und bey heißer Witterung spannte man auf dem Verdeck einen weiten Cylinder von Segeltuch gegen den Wind aus, dessen unterstes Ende den Zug der frischen Luft bis in den Matrosenraum hinableitete. Um den gemeinen Matrosen, der, sich selbst gelassen, ziemlich cynisch einhergeht, zur Reinlichkeit anzuhalten, pflegte Cook gewöhnlich des Sonntags die ganze Mannschaft zu mustern, und wer alsdenn nicht wenigstens rein gewaschen erschien, oder von der vorzüglichen Unsauberkeit seines Anzugs keine befriedigende Rechenschaft zu geben wußte, ward das erstemal durch Vorenthaltung seiner Branntweinsportion und nach wiederholten Vergehungen auch wohl mit der Peitsche bestraft. Auf den beyden Reisen, welche die Erforschung der Pole zur Absicht hatten, führte Cook einen beträchtlichen Vorrath von warmen Kleidungsstücken mit sich, welche das Admiralitätscollegium auf seine Vorstellung unter die Mannschaft austheilen ließ, um sie in jener kalten Weltgegend vor der ungestümen Witterung zu schützen. Diese Kleidungsstücke bestanden in einer Jacke und Schifferhosen vom allerdicksten und der Nässe fast undurchdringlichen Boy, die er hernach noch mit einer Kappe für den Kopf vermehrte, wovon der Halskragen den Nacken und die Schultern bedeckte.

Noch muß ich das Hauptverwahrungsmittel und das beynahe specifische Heilmittel gegen den furchtbaren Scharbock erwähnen, für deren Einführung auf langen Seereisen Cooks Name, so lange Großbritannien Flotten hat, mit Dankempfindungen und mit Ehrfurcht genannt werden wird. Hier zeigte er die ganze Stärke einer gesunden natürlichen Beurtheilungskraft, welche durch seine ausgebreitete Erfahrung und den Umgang mit einsichtsvollen Männern geschärft worden war. Wenn es einen Wahrheitssinn, das ist, um deutlicher[191] zu sprechen, wenn es eine so glückliche Organisation giebt, welche zum richtigen Auffassen der Verhältnisse vorzüglich geschickt ist, – und wie wollte man daran zweifeln? – so besaß sie Cook gewiß in einem vorzüglichen Grade. Der Sieg den er über Vorurtheile davon trug, die den Verstand des gemeinen Seemannes seit Jahrhunderten gefangen hielten, ist davon ein so auffallender Beweis, daß ihm die Königliche Societät der Wissenschaften in London, blos dafür die goldene Schaumünze des Ritters Copley zuerkannte. In dem seltsamen Charakter des Matrosen bemerkt man neben dem fröhlichen Leichtsinn und dem Hange zum gröbsten sinnlichen Genuß, wovon ich bereits gesprochen habe, einen Zug von Halsstarrigkeit gegen alle Neuerungen und von blinder Anhänglichkeit an das alte Herkommen, der wirklich auf eine sonderbare Art damit contrastirt. Fast sollte man denken, daß er seine Eigenschaften nicht blos von den beweglichen Elementen, zwischen denen er unaufhörlich schwebt, sondern zum Theil auch von dem eichenen Kasten, in dem er herumschwimmt, entlehnt haben müsse. Umsonst versucht man es, die wohlthätigsten Anstalten zu seiner unmittelbaren Erhaltung in Gang zu bringen; er würde eher das äußerste leiden, als sich eine ungewohnte Speise aufdringen lassen. Cook, der diese eiserne Unbiegsamkeit des Schiffvolks kannte, versuchte es nicht, seinen Endzweck durch gewaltsame Mittel zu erreichen. In der Oberzeugung, daß das Sauerkraut durch seine Säure der Fäulniß kräftig widerstehen müsse, aß er es täglich selbst, und bewog seine Officiere es ebenfalls zu essen. Dem gemeinen Manne, der gleich Anfangs seinen Abscheu dagegen zu erkennen gegeben hatte, stellte er es frey, sich eine Portion zu holen, oder sie noch fernerhin zu verschmähen. Allmählig ließ sich nunmehr einer oder der andere einfallen, was der Capitain und die Officiere täglich mit so vielem Wohlgefallen genössen, könne doch so schlimm nicht seyn. Es wurden einige Portionen geholt; bald darauf noch mehrere, und endlich ward die Tonne leer. Bey der Eröfnung der zweyten fand sich ein jeder ein und verlangte seinen Antheil, so daß von der Zeit an die Austheilung regelmäßig von Statten gieng. Auf diese Art setzte Cook sein Vorhaben durch, und erlangte mit Gelindigkeit, was er durch Gewalt gewiß nicht[192] erreicht haben würde. Auf seiner zweyten Weltumschiffung wurden sechzig große Fässer voll dieses treflichen antiscorbutischen Gemüses ausgeleert. Wenn sich demungeachtet bey Personen, die besonders zum Scharbock geneigt waren, oder wegen eines Zusammenflusses von andern Ursachen, Symptome dieser Krankheit zeigten, so wurden sie durch den Gebrauch der aus frischem Malz bereiteten und noch lauwarm getrunkenen Bierwürze, und durch Auflegung der Träbern auf die scorbutischen Flecken, theils völlig vertrieben, theils so sehr gemildert, daß sie nicht gefährlich werden konnten, und bey der Ankunft am Lande binnen wenigen Tagen verschwanden. Durch die Anwendung eben dieser prophylaktischen Methode rettete Capitain Clerke in Kamtschatka den größten Theil der dortigen russischen Besatzung, unter welcher der Scharbock in seiner schrecklichsten Gestalt wüthete. So bald übrigens durch die Einführung des Sauerkrauts der erste Schritt gewonnen war, besiegte Cook mit leichterer Mühe die Vorurtheile seiner Mannschaft in Rücksicht mancher andern Nahrungsmittel, welche unter einem weniger sorgfältigen Befehlshaber Gegenstände ihres Ekels geblieben wären. Welcher Matrose würde Wallrosse, Seelöwen und Seebären, Pinguinen, Sturmvögel und Albatrosse gegessen haben, wenn ihm sein Befehlshaber nicht mit gutem Beyspiel vorgegangen wäre? Die wilden Kräuter in Neuseeland, als Celery, Löffelkraut, Tetragonien, u.a.m. würden ihm eben so wenig, als das Bier aus harzigen Baumsprossen genießbar geschienen haben, wenn man nicht anfänglich den Gebrauch seiner freyen Willkühr überlassen hätte. Diese Nachsicht gegen die Schwäche seiner ungeübten Vernunft war vielleicht das beste Mittel, ihr einen neuen Grad von Energie zu geben wenigstens gab es auf Cooks Schiffen nunmehr Matrosen, die aus eignem Antrieb die Vorurtheile der Erziehung oder der Gewohnheit überwanden, und sogar auf die Ratten, die von ihrem Vorrath zehrten, als auf Leckerbissen, Jagd machen lernten.

Wenn man Cooks Reisegeschichten liest, wird man mit Erstaunen gewahr, daß eigenes Nachdenken mit Scharfsinn begleitet, im Nothfall zuweilen bessere Dienste leistet, als Belesenheit und genaue Bekanntschaft mit den Entdeckungen der vorigen und gegenwärtigen Zeit. Oft ist es gerade das[193] systematische Wissen, was einem sonst guten Kopfe den Zugang zu neuen Ideen verschließt. Wäre Priestley ein Scheidekünstler gewesen, so hätte er in der Physik und Chemie keine so merkwürdige Revolution zuwege gebracht, die Beschaffenheit der Luftarten wäre unerkannt geblieben, und die Montgolfiers, die Rosiers und die Blanchards wären nie in die Luft gestiegen. Es galt seit langer Zeit durchgehends für eine ausgemachte Wahrheit, daß es ganz unmöglich sey, in heissen Ländern frisch geschlachtetes Fleisch einzusalzen, und wie in unserm gemäßigten Erdstrich aufzubewahren. Die Einwohner jener wärmeren Gegenden kannten diese Methode nicht, und den Europäern, die sie dort versuchen wollten, war sie jederzeit mißlungen. Der Überfluß an Lebensmitteln, den Cook auf den Societätsinseln und insbesondere in O-Taheiti einzutauschen pflegte, konnte ihn natürlich genug auf den Gedanken leiten, ob es nicht etwa möglich wäre, den Kunstgriff zu entdecken, der, dem Klima zum Trotz, den glücklichen Erfolg des Einsalzens sichern könnte. Der Umstand, daß die größten und fettesten Schweine die Seereise sehr schlecht ertrugen, nicht fressen wollten, und in den ersten Tagen häufig starben, machte eine solche Entdeckung noch wichtiger, und veranlaßte einen Versuch zur Probe, der alle Erwartung übertraf. Durch eine genaue Aufmerksamkeit auf die kleinsten Nebenumstände, und vorzüglich durch eine musterhafte Reinlichkeit brachte es Cook endlich in dieser Kunst so weit, daß ihm kein Versuch mehr mißlang; und einer seiner Zöglinge hat seitdem dieselbe Methode, mit gleichem Erfolg in den Westindischen Inseln probirt.22 Dieser Sieg über ein Vorurtheil, welches in unzähligen Fällen die Mittel der Erhaltung einschränken mußte, scheint mir, wegen seines großen Nutzens und seines ausgebreiteten Einflusses auf die Versorgung der Matrosen und Truppen in heissen Ländern, hier mit Recht einen Platz zu verdienen. Eben die Fruchtbarkeit an Erfindungen, den Bedürfnissen seines Schiffs abzuhelfen, die hier den großen Seemann eine neue Salzspeise bereiten lehrte, gab ihm auch in den starrenden Polargegenden ein Mittel an die Hand, seinen Wasservorrath zu ergänzen,[194] und sein Tauwerk auf mancherley Art vor zu schneller Verderbniß zu sichern. Es ist wahr, unter den frühen Abentheurern, welche im Norden eine Durchfahrt suchten, hatten bereits Frobisher und Davis in den Jahren 1578 und 1585 das Eis, welches im Meere schwimmt, ungesalzen befunden, und zum Trinkwasser gebraucht; allein Herr Cranz, der die Grönländischen Küsten später beschrieben hat, behauptet das Gegentheil, und diese Meynung hat auch in neueren Zeiten die Oberhand behalten, so, daß bis auf Cooks zweyte Reise das Vorurtheil von salzigem Eise weit und breit herrschte. Cook hatte das Verdienst, es nicht etwa durch einzelne Versuche, sondern dadurch, daß er seinen Wasservorrath zu wiederholten malen von schwimmendem antarktischen Eise ergänzte, von neuem zu widerlegen. Zum Beweise, wie tiefe Wurzeln jene irrige Meynung geschlagen hatte, brauche ich nur zu erwähnen, daß es nach Cooks Rückkunft noch Chemiker gab, die durch Versuche im Kleinen darthun wollten, das Eis im Meere müsse salzig seyn, und Cook habe nur solches eingesammelt, welches sich am Lande in großen Flüssen gebildet habe. Zuverläßigere Scheidekünstler bewiesen indeß die Nachläßigkeit im Verfahren jener Hypothesenfreunde, und erhielten allerdings vom Meerwasser ein reines, salzleeres Eis; und jeder Physiker sahe deutlich ein, daß, wenn auch um den Südpol jenseits des siebzigsten Grades der Breite Land liegen sollte, die Kälte daselbst so groß seyn müßte, daß keine Quellen, geschweige denn Flüsse daselbst entstehen könnten. Cook, dem auf die Art die beeisten unfreundlichen Meere, die den Pol umgeben, den nothwendigsten Lebensvorrath liefern mußten, fand auch Mittel, die dortigen Seethiere zu seinen Zwecken zu benutzen. Außerdem, daß er seine Mannschaft das Fleisch derselben essen lehrte, ließ er aus dem Speck, womit die Natur sie gegen die Kälte gerüstet hat, Thranöl brennen, und ihre Häute zur Ausbesserung des unbeweglichen Tauwerks, wo Leder nöthig war, verwenden. Der Thran wird auf dem Schiffe theils in Lampen, theils zum Einschmieren verschiedener Werkzeuge und zu andern Absichten sehr häufig verbraucht; folglich gehörte die Ergänzung dieses Vorraths zu den Gegenständen, welche der Sorgfalt des Entdeckers würdig waren.[195]

Den Umfang und die Schwierigkeiten des Entdeckungsgeschäftes, die Wichtigkeit und Mannichfaltigkeit der Pflichten, Sorgen und Arbeiten, die auf Cooks Schultern lagen, endlich die völlige Abhängigkeit des glücklichen Ausgangs aller Unternehmungen von den Talenten dieses einzigen Mannes, von der unermüdeten Thätigkeit und steten Gegenwart seines an Hülfsmitteln unerschöpflichen Geistes, wird man auch in meinen unvollkommenen Entwürfen deutlich erkannt haben. Aus der Vergleichung desjenigen, was Cook geleistet hat, und der Art wie er dabey zu Werke gieng, mit den geringfügigen und kraftlosen Bemühungen anderer Seefahrer, bestätigt sich also die große Wahrheit, daß im Gewühl der Welt bisweilen Männer von außerordentlichen Gaben erscheinen, die zu gewissen Endzwecken gleichsam ganz eigentlich gebildet sind, und den großen Haufen des Menschengeschlechts weit hinter sich zurücklassen. Wenn man nicht bezweifeln kann, daß die natürliche Anlage, die Erziehung im weitesten Verstande, und die Verhältnisse der Zeit und des Wirkungskreises die Verschiedenheiten hervorbringen, die man zwischen Menschen und Menschen bemerkt, so scheint auch jene Behauptung nichts zu enthalten, was der Erfahrung und der Vernunft widerspräche. Das Seltene und Große verdient aber, wenn es gleich aus natürlichen Gründen erklärt und hergeleitet werden kann, jederzeit den Grad von aufmerksamer Achtung, den man Bewunderung nennen muß, weil er auf die höhere Ordnung in der Verkettung der Ursachen zurückgeht, auf eine Ordnung, die unsere Begriffe übersteigt. Doch indem wir die thörichte Bewunderung der Unwissenheit vermeiden wollen, fallen wir oft in das entgegengesetzte Extrem, alles wirklich Erhabene kalt und gleichgültig vorbeyzugehen. Jenes plus ultra, jenes weiter Eilen und Emporstreben zu neuen Kenntnissen und Entwicklungen unserer Kräfte, welches der menschlichen Natur so eigenthümlich ist, liegt allerdings bey dieser Geringschätzung des Bekannten zum Grunde; nur fehlt man insgemein darin, daß man das erschöpft: zu haben glaubt, dessen Oberfläche man doch kaum berührte. Bey der Betrachtung eines ungewöhnlichen Charakters ist es schwerlich hinreichend, daß man sich im Allgemeinen vorstellen könne, wie seine Züge[196] sich bildeten, und daß man ihn für keinen vom Olymp herabgestiegenen Halbgott halte. Wem dieses genügt, der kann unmöglich ein Gefühl von dem, was Größe ist, erlangen, und wird sehr schwer, ich will nicht einmal sagen selbst zur Unternehmung großer Handlungen angefeuert werden, sondern auch nur sich die Fertigkeit erwerben, gewöhnliche gut zu verrichten. Indem wir das Große mit den Triebfedern zusammenhalten, die es hervorbrachten, können wir freylich keine andere als diese Resultate herausbringen: die Ursach ist der Wirkung gleich, und keine Wirkung ist ohne Ursach; hielten wir aber dasjenige, was vor unsern Augen geschieht, mit dem zusammen, was wir leisten können, oder wirklich thun, so stießen wir in vielen Fällen auf ein Verhältniß, welches uns entweder schamroth machen, oder uns wenigstens eine unwillkührliche Bewunderung abnöthigen würde. Die letztere Art Vergleichungen anzustellen muß heut zu Tage seltner werden, da man oft mit achtzehn oder zwanzig Jahren alles zu wissen glaubt, und diese geistige Überladung gewöhnlich das kalte Fieber der Afterphilosophie nach sich zieht. Denn nicht genug, daß ein jeder bey Dingen die ihm leicht gethan dünken, ungerührt bleibt, so pflegt auch, wenn Thaten erzählt werden, welche bey dem Zuhörer oder Leser das Gefühl der Unerreichbarkeit erwecken, ein wegwerfender Scepticismus der gedemüthigten Eigenliebe zu Hülfe zu kommen, und die Gränzen des Möglichen willkührlich zu verengen, um alles Große für erdichtet halten zu können. Die Erfahrung des praktischen Lebens lehrt hingegen jeden, der auf sich Acht haben will, von einer Seite die Schwierigkeiten in der Ausführung dessen, was ihn so kinderleicht dünkte, gehörig erkennen; von einer andern aber auch den Punkt des Erreichbaren, wohin man durch gleichförmige Anstrengung aller Kräfte die in unserer Gewalt sind, gelangen kann, richtiger zu bestimmen und weiter hinauszurücken. So entsteht endlich eine bescheidene Anerkennung und Schätzung des fremden Verdienstes, ein Sinn für diejenige Vollkommenheit und wahre Größe, deren der Mensch fähig ist, und eine theilnehmende, herzliche Bewunderung der edleren Sterblichen, in denen die ganze Würde unserer Natur hervorleuchtet. Diese Wärme des Gefühls, die einen rühmlichen[197] Wetteifer nährt, und sich mit den niedrigen Regungen des Neides nicht verträgt, ist zugleich das beste Verwahrungsmittel gegen jene eingeschränkte, partheyische, und leider noch so allgemeine Vorliebe für unsere eigene Beschäftigung, welche mit der Herabwürdigung anderer Lebensweisen und anderer Klassen des menschlichen Wissens verbunden ist. Thätigkeit ohne vorzügliche Geisteskräfte kann im Subalternen, Scharfsinn ohne regen Trieb zu handeln im spekulativen Philosophen brauchbar seyn; aber durch die Verbindung beyder Eigenschaften ward Cook zum Entdecker. Wenn lebhafte Erinnerungen von jener Fahrt, auf der ich ihn in einem frühen Alter begleitete, in einer ungeschmückten Erzählung, dazu beygetragen haben, diesen Charakter im Allgemeinen kenntlicher und namentlich in Cooks Beyspiel hochachtungswürdiger zu machen; so dürfte ich hoffen, diejenige Klasse von Schriften, welche von Entdeckungsreisen handelt, von dem schweren Vorwurfe befreyt zu haben, daß nichts sie den Lesern reizend mache, als die dadurch genährte leere Sehnsucht nach einem in Faulheit verträumten, oder mit kindischem Spiel vertändelten Leben.

Quelle:
Georg Forster: Werke in vier Bänden. Band 2, Leipzig [1971], S. 149-198.
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Cook, der Entdecker
James Cook, der Entdecker: Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Frank Vorpahl

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