Epilog.

[338] Was soll ich Euch fürder berichten von den Nachklängen, oftmal noch hold harmonischen, oft aber auch herb dissonirenden, in welche jener Akkord sich aufgelöst hat seither! –

Eine gewisse dichterische Sehnsucht und Lust, im vollseeligen Einklange das Werk austönen zu lassen, mögte mir Halt gebieten an dieser Stelle meiner Bahn, zumal, da Corona in ihren Randgemälden das Wesentlichste meiner nächstfolgenden Ereignisse noch mit andeutet.

Aber der Historienschreiber tritt hier in einen Konflikt mit dem Poeten.

Was Diesem als ein Schuß über das Ziel hinaus gelten würde, gilt Jenem als unerläßliche Aufgabe zur Vervollständigung des Ganzen.

Wohlan! Ein Versuch zur Vereinung.

Man sollte ihn für leicht ansehen, weil diese Beiden hier eben nur Einer sind. Aber im Gegentheil: deswegen just hat es seine Schwierigkeiten.

Nichts destoweniger: an's Werk. –

Der Poët mag sich damit zufrieden stellen, daß seine Arbeit fortan aus Nachklängen besteht, Nachklängen jenes Schlußakkordes, mehr des lyrischen Charakters in und an sich tragend, als des Epischen, und somit sich hinströmend in freien Ergüssen. –

Der Historienschreiber mag sich daran genügen lassen, an den Rand des Stromes, bisweilen auch in des Stromes Mitte, Bahn zeigende Pfähle aufzustellen mit erläuternden Inschriften. So ist wohl beiden ihr Recht geschehen, zugleich auch dem Leser billig das seinige.


Das erste Ausruhen am frei und friedlich gewordnen Heerde war ein fast seeliges zu nennen: Freundesgrüße von nah und fern,[339] ungehemmtester Umgang mit der Muse, frisches Bewußtsein erfüllter Ehrenpflicht, jeglicher Morgengruß von Weib und Kind ein erneutes Gefühl des labenden Wiedersehens. –

Aber die Denkmünze hatte ihre Kehrseite. Als in der Neujahrsnacht die Waffenbrüder über den Rhein gegangen waren, klopfte das kriegerische Herz des jetzt zur Ruhe gewiesenen, leiblich ermatteten Heerdmannes voll unvertilgbarer Sehnsucht nach den strengen Freuden des Kampfgefildes. Und so ging das Gefühl fürder, begleitend die Waffenthaten des Jahres Vierzehn.

Ein eigen Dilemma auch gab es in seinem Geiste, als es nun galt, ein kurz vor der Lützener Schlacht geschehenes Gelübde zu erfüllen: nämlich die Weihung seines schönen Schwerdtes, falls er es mit Siegesehren zurückbringe, in die Nennhauser Kirche. Als es nun Trennung von der vertrauten Waffe galt, kamen ihm Ablösungsgedanken in den Sinn. Aber nicht einmal der große Frankenkönig Chlodowig hatte ja sein edles Roß in ähnlicher Stellung von der Kirche zu Tours wiederum lösen dürfen. »Wie sollte denn der Major Fouqué um seine liebe Waffe markten?« sprach ich mit lachender Wehmuth mich selbst an, und noch jetzt hängt, ein Schild mit erläuternder Inschrift darunter, die gute Klinge an der Nennhauser Kirchenwand. Ich meinte damals, sie mehrst Allsonntäglich wiederzuschauen. – Es ist viel anders geworden. – Fahr wohl, Du ehrliches Schwerdt, und mahne Dörfner und Dörfnerinnen bisweilen noch an ihren alten Freund, vornehmlich auch ihren jetzt hochgreisenden Pfarrherrn, meinen vielgeprüften Freund! Und möge er ihnen noch lange kraftvoll das Wort des Lebens an geweiheter Stätte verkündigen!


Ernst an die Vergänglichkeit alles Irdischen mahnte mich in den Tagen der beglückten Heimkehr der Heimgang meines väterlichen Freundes Fichte in die Ewigkeit, wie es denn überhaupt der himmlische Vater nicht fehlen ließ an Erinnerungen, wie endloshoch das Ewige leuchte über Allem, auch dem Herrlichsten in dieser Zeitlichkeit. Die Erschöpfung meiner Gesundheit hielt fort und fort den geistigen Boden dafür aufgelockert. Sonst hätte mir dazumal wohl das irdische Leben allzulieb werden mögen und[340] mich kaum loslassen wollen aus seinen freudigen Blüthen-und Blumen- und Frucht- und Lorbeergärten. Die siegreiche Heimkehr des Königs leuchtete als eine Freudensonne in Mitten mannigfach froher Lebensstunden. Einen Ausspruch des frommen Kronenträgers, des Mannes nach dem Herzen Gottes, bei der großen Siegesfeier im Jahre 1814, an mich gerichtet, hab' ich jetzt nach seinem Heimgang in folgendem Sonett aufbewahrt, und ich meine, die Zeilen gehören ganz unerlaßlich hierher:


Der König sprach bei'm Fest nach hohem Siege

Zu einem Rittersmann: »Hätt'st Du gemeint,

Als wir das Schwerdt erhoben auf den Feind,

Uns blüh' so reiches Heil aus heil'gem Kriege?«


Der sprach: »Herr, daß der Sieg voran Euch fliege,

Hofft' ich gewiß, Euch, heil'gem Recht vereint,

Kaum doch, daß also ganz und wie versteint

Der übermüthge Feind vor Euch erliege.«


Da sah der König seinen Rittersmann

Mit ernstem Beifallslächeln heiter an,

Und sprach: »Das konnt' auch eben Niemand meinen.


Der Herr hat's, und der Herr allein gethan.« –

O wie hochherrlich wird in Edens Hainen

Der König jetzt in Siegsdemuth erscheinen!


Was mich selbst betrifft, so lebte ich dazumal in einem jener äußerlich behaglichen, innen Gefahr drohenden Lebensmomente, wo alle Welt gut von uns redet. Verwundert war ich eigentlich darüber nicht. Meinte doch ich es gut mit aller Welt, warum die Welt nicht eben auch gut mit mir, sobald ich nur einmal erst ihre Beachtung auf mich gezogen hatte. Ja, ich wünschte mir in jenen Tagen wohl mehr denn Einmal recht eifrigen Ernstes einen tüchtigen Gegner, um mich an ihm zu messen, und auch auf diese Weise meiner Gott-beschiedenen Kraft inne zu werden. Menschenkind, das gehört unter die Bescheerungen, die auch ohne Dein Wünschen zu kommen pflegen! Und ich erfuhr's reichlich, wie meine Leser vielleicht schon wissen mögen und jedenfalls noch hier vernehmen sollen.[341]

Gewiß aber ist es, daß in den Freudenlichtern allgemeiner Anerkennung oftmal geheimnißreich warnend der Bibelspruch in mir aufstieg:


»Hütet Euch, wenn alle Welt Euch wohlredet.«


Der erste Donner, welcher mich aus dem Geträum irdischer Paradiesesruhe und Freudigkeit aufschütteln sollte, traf ganz Deutschland mit, ja man darf wohl sagen, ganz Europa, und somit in mannigfachen Schwingungen den ganzen Erdenrund zugleich. Sollte ja doch selbst die bis dahin fast unbekannte Insel Sanct Helena dadurch eine wundersam unsterbliche Berühmtheit erlangen. –

Als Napoleon Buonaparte in Frankreich gelandet war, gab es der Leute überviel, die da gradhin meinten, nun stehe er wiederum, wie Hannibal vor den Pforten Rom's, vor den Mauern sämmtlicher beliebigen Hauptstädte, rachevoll bedräuend.

Das meinte nun zwar Fouqué auf keine Weise. Den Ernst des Ereignisses jedoch empfand er auf alle Weise tief, und für sich selbst um so schmerzlicher, als er seine löbliche Kraft, nach wie vor, so durch und durch zerrüttet fühlte, daß an ein unbedingt frisches Zu-den-Waffen-greifen, wie im Jahre Dreizehn, Diesmal nicht für ihn zu denken war. Jedes Unwohlsein mahnte ihn schmerzlich daran. Jedes momentane Aufraffen seiner ermatteten Natur schien ihn zu mahnen, ja zu schelten: »Träger Mensch, und Du sitzest noch nicht im Sattel?« – Endlich schlichtete den innern herben Kampf ein unwiderruflich fester Entschluß: »Kommt der Feind irgend mit Macht über den Rhein, so reite ich zum Heere, krank oder nicht, und reite und helfe mitringen, bis der Feind wiederum hinübergedrängt ist, oder die Unmacht mich vom Rosse wirft.« – Ich machte Dies und die feierliche Verpflichtung, nie und unter keinerlei Umständen den losgeworden Usurpator mit dem Monarchentitel zu ehren, durch den Druck bekannt, und schrieb auch in diesem Sinne an Gneisenau mit der Bitte, mich auf jenen Fall unter seine Adjutanten aufzunehmen. Er schrieb zurück:[342]

»Sollte eintreten, was Gott und deutsche Tapferkeit verhüten wolle, so werde ich gern Streu und Schüssel mit Ihnen theilen, und sie herzlich willkommen heißen.«

Ich fühlte mich beruhigter fortan, und stellte eine längst beabsichtete Fahrt nach Hamburg an, von meinem Töchterlein begleitet, das ich, sollte mein Verhältniß mich rasch vorwärts rufen, getrost im Schutze meines wackern Freundes Friedrich Perthes zurücklassen konnte. Die brüderlichste Einigung zwischen ihm und mir verwob uns in jenen schönen Tagen innig, und hat vorgehalten bis Heut, mitten unter allen geistigen Stürmen und Nebeln der Zeit, und wird vorhalten, geliebt's Gott, die seeligen Aeonen der Ewigkeit hindurch.

Einen mir in Hamburg gewordnen überaus ehrenden Antrag der drei Nordlichen Hansastädte mußte ich leider zurückweisen, weil dazu eine Gesundheit gehörte, welche die Erschöpfungen des Krieges, wackern Beispiels halber, mit dem geringsten Soldaten theilen mußte, nicht nur allein die freudigen Gefahren des Krieg's, woran es im Blücher-Gneisenau'schen Hauptquartier genügt haben würde. Aber mein Dank für das ehrende Vertrauen der edlen Hanseaten und meine Liebe zu ihnen blieb und bleibt sich gleich. Wie mir einst ein frischer Jüngling aus Hamburg sagte: »Wär ich kein Hanseat, mögt' ich ein Preuße sein!« konnte und kann ich voll gleich freudigen Gefühles erwiedern: »Wär' ich kein Preuße, mögt' ich ein Hanseat sein!« –

Es zog mich fürder nach Lübeck, und über Kiel, wo in der Nähe Christian Stolbergs Halle zu Windebuy mich gastlich empfing, und das geliebte Meer mich zum Zweitenmal – wohl zum Letztenmale, muß ich Dreiundsechziger hinzusetzen, nicht ohne sehnendes Seufzen, – anwogte, durch andre edle Ritterburgen fürder, nach Bremen wiederum südlich gewendet. Hier traf die Siegeskunde von Belle Alliance ein, und gönnte mir den Einblick in die vor aller wahrhaft großen Freude fromm glühenden echten Hanseatenherzen, stets dahin emporleuchtend, von wo alles Licht herniederströmt, und eben deshalb so still und stark und frei. –

Gedenket meiner, Ihr edlen wirklichen Freunde in den Hansastädten und in Kiel und auf den Holsteinschen und den Schleswigschen[343] Burgen und in Eutin, so viel Eurer noch leben, und wisset, noch immer tönt es in meiner dankbaren Seele nach, was ich in einem Liede über jene Freudenfahrt sang:


»Ob ich zurück auch späh' nach meiner Kindheit Lenze,

So schön war's damals nie!« –


Auch noch einer holden Fahrt im Jahre Sechzehn möge gedacht werden, nach Burg Scharffenberg hin, an den Elbstrand zwischen Meißen und Dresden, wo mich mein damalig Musikalischer Genoß, meine Reime und Töne aushauchend, gastlich empfing, Karl Borromäus Freiherr von Miltitz. Wie so gar dichterischwohl mir da zu Sinne war, möge dies Lied, einer schon früher von dem Freund gesungenen Melodie angepaßt, verkünden, voll Ahnung nahender, schwer trüblicher Tage:


»Wo blieb der Hain, der Bergeshain,

Durchsichtig hell im Sonnenschein?

Die Ebne dehnt sich weit umher.

Ich seh' den Hain nicht mehr.


Wo blieb die Burg, das Heldenhaus,

Durchweht von lieblich ernstem Graus?

Das liegt so fern, so ungesehn,

Und meine Seufzer wehn.


Wo hebt der Burgherr Schwerdt und Schild?

Wo preist er Gott in Liedern mild?

Ich hört' ihm zu, manch lieben Tag.

Run tön' ich's fernher nach.


Wo strahlt wie süßes Mondenlicht

Der holden Burgfrau Angesicht?

Das lächelt über ferne Au'n.

Im Lied nur kann ich's schau'n. –


Das sang der Sänger tändelnd so,

Noch auf der Burg recht frisch und froh.

Doch ahnend drang wehmüthig Lust

Mir schon durch Herz und Brust.


Das muß nun so mit Sängern sein.

Rauscht Wehmuth uns der Sommerhain,

Singt man in Herbstes Scheideblick

Herauf entschwund'nes Glück.«
[344]

Entschwund'nes Glück. – Ja wohl: mehr und mehr sollte das im Fürderschreiten die Losung dieses Dichterlebens werden.

Noch einstweilen ging er mit völlig frischer, gänzlich ungestörter, vielmehr durch Beifall und Liebe von allen Seiten gehobener Kraft an den Beginn des Altsächsischen Bildersaals, einer ganzen Dichtungsreihe, ihm geweckt und durch Vorstudien bereitet, durch einen geschichtskundigen Freund in Hamburg, einen echten Hanseaten. Schon auf Scharffenberg vollendete Fouqué das Vorspiel zu dem Heldenspiele Hermann, und als er es auf der Heimreise dem dichterischen Freunde August Apel auf dessen Landgut Ermlitz bei Leipzig vorlas, meinte Der, es müsse sich zu der Aufführung eine große Genossenschaft verbünden, unter fürstlich grandiosem Schutz, und die Bühne kein Brettergerüst sein, sondern ein freies Waldthal, etwa im Harz, keine Zuschauer erforderlich, als die zufällig frei zusammenströmenden, die Darstellenden aber sich frei genügen lassend, ohne Rücksicht auf Jene, am kindlich kühnen Spiele der Darstellung selbst, von Waffenübungen keck durchwoben. –

O man hegte dazumal mitunter gar riesig große Gedanken für die Kunst im neu erstandnen Deutschland. –


Aber auch die reale Bretterbühne sollte mir für dasmal eine große Freude bringen: die Aufführung in Berlin meiner mit E.T. Hoffmann (Kreisler) gemeinschaftlich als Oper gestalteten Undine. Sie gewann sich glänzenden Beifall. Denn Hoffmanns geniale Musik ward gelungen ausgeführt, – namentlich fand Undine in Fräulein Johanna Eunike eine lieblichste und kunstreichste Darstellerin, – und der General-Intendant Graf Karl Brühl (wohl nie hat es einen Trefflicheren in diesem Amt gegeben) ließ die durch Schinkel selbst entworfnen Dekorationen durch Gropius ausführen, wie denn auch die Kostume sinnig und prachtvoll hervortraten. Vielleicht fand sich kaum je ein gleich günstiger Verein von Talenten aller Art, gleich wohlwollend und eifrig für die Darstellung eines Bühnenwerkes verwendet.


Aber: – Sic transit gloria mundi –
[345]

oder, wie Matthison singt:


»So vergehn des Lebens Herrlichkeiten,

So entfleucht das Traumbild eitler Macht!« –


kaum war Undine Zwei- bis Dreimal über die Bühne gezogen, so sank durch einen plötzlich ausgebrochnen Brand die prachtvolle Bühne selbst in nichtige Asche zusammen. – Undine hat – so gewogen und nach Kräften hülfbereit ihr auch mein edler Freund Brühl blieb – durch mannigfach seltsame Hemmungen seither die Berliner Bühne nicht anders wiederum betreten, als tanzend: in einem Ballet nehmlich. Es mag dem guten Kinde gar eigen zu Gesicht gestanden haben. In Danzig dagegen ist sie schon vor Jahren als Oper, nach durchgängig sorgsam dramatischer Umarbeitung von ihres Dichters Hand, trefflich komponirt von dem dortigen Musikdirektor Girschner, auf das günstigste empfangen worden.25 Aber in Berlin ist sie noch bis heute nicht wieder erschienen. Es wären mancherlei Geschichten von Undinchens Theater-Schicksalen zu erzählen, aber wohl nicht Eine mögte so heitern Wiederhall in verwandten Geistern finden, als ihn das Mährchen von ihrem Lieben und Leiden in mannigfachen Landen gefunden hat. –

Auch die Provenzalische Sage: »Sängerlie be« trat dazumal an's Licht: eine Lieblingsblüthe meiner Muse, aus leuchtenden Farben selige Todesahnungen hauchen. –

Im Uebrigen war selbige Zeit – das Jahr 1816 und weiter – noch immer für mich eine jener seltsamen Epochen, in welchen der Warnungsspruch gilt: »Hütet Euch, wenn Euch alle Welt wohlredet!«

Nicht selten drang mir dies ernste Mahnen in's Herz, oder vielmehr: es klopfte an am Herzen, ernst, leise, dennoch vernehmlich. Um aufzuthun, und einzulassen das heilsam strenge Wunderwort, führte drinnen die Selbstgefälligkeit und überhaupt manch eitles Gewirr und Getrieb noch viel zu gebieterisch das Wort. –[346]

Inzwischen war von mir ein Roman im Druck erschienen: Die wunderbaren Geschichten des Grafen Alethes von Lindenstein, eine Dichtung aus den Zeiten des dreißigjährigen Krieges, manch eignes erlebtes Leiden und Freuen mit hineingewoben, namentlich auch jene Stimmung zwischen Kampfeslust und Heerdeshuld in den obangeführten Gebet: »Du Urquell aller Güte, Du Urquell aller Macht!« – Das Werk war unvollendet geblieben vor den losbrechenden Kämpfen des Jahres Dreizehn. Jetzt ward in stets ernsthafterer Gewissenhaftigkeit ein dort vorhandner sündlicher Flecken hinausgetilgt und das phantastisch wunderliche Räthselgeflecht aufgelöst in einen – ich darf es nach manch treulichem Ringen sagen – reinen Schluß-Akkord.

Auch erschienen, in ähnlicher Weise wie ehedem Sigurd, vier Heldenspiele, und sodann gesammelte Gedicht mit Vor- und Nachklängen, bezeichnend die verschieden Lebensperioden. Auch Thiodolf der Jsländer ward seiner früheren Belagrungshaft in Hamburg los und ledig. Dabei gab ich auf den Wunsch des Buchhändler Schrag das Frauentaschenbuch heraus, durch manchen Jahrgang fort mich mit vielen ausgezeichneten Geistern Deutschlands in lebhaft erfreulicher Verbindung erhaltend.

Der Altsächsische Bildersaal ward rüstigfrisch durchschritten, und die Dichtung: »Welleda und Ganna« war im Winter von 1818–19 auf bald etwa zwei Drittheil vollendet, als mich in Berlin ein furchtbares Kranken ergriff. Es war der Ausbruch jener frühern Kriegserschöpfung. Mein genialer Arzt, Heinrich Meier, meines stets kränkelnden lieben Franz Horns Schwager, dem ich eben deshalb mit Recht zutraute, er werde einen Dichter nach Billigkeit zu behandeln wissen, hatte mir schon vor Jahren bei der ersten Konsultation gesagt: »Sie scheuen den Tod nicht, und begehren volle Wahrheit. Also frisch heraus! Entweder Ihre Natur welkt nach und nach sanft hin, oder sie ermannt sich bald zum gefahrvollen Kampf. Im letztern Fall hoff' ich auf Sieg.« Als er nun jetzt zu dem schwer Erkrankten beschieden ward, sprach er: »Wohlan, lieber Major, der Kampf ist da! Aber nun auch strenge Subordination gehalten. Sonst bürg' ich für nichts.« – Anfänglich sollte sich der Dichter sogar des Dichtens enthalten. Doch bald ward dem wackern Arzte die Contradictio in adjecto bemerklich. Denn da wirrte sich[347] schauerlich Traum und Wachen in Eins. Also mit ärztlicher Vergunst ward wieder zur Arbeit an Welleda und Ganna geschritten. Seltsam genug ging es damit zu. Die durch Schlagflußanfälle tiefgesunkne, sonst bei mir vor und nachher so ausgezeichnet rege Gedächtnißkraft hatte mich in dieser Krankheit ungewiß gelassen über das Gestern Geschriebene an jeglichem Heute, wo ich es fortsetzen wollte. Man hätte mir es eben so gut für die Dichtung eines andern geistig verwandten Freundes ausgeben mögen, und mit klarem Sinn wäre gelobt worden, was lobenswürdig erschien, gebessert, wo etwa die Eile des Aufschreibens, vom Geiste rasch fürdergetrieben, einzelne Nachlässigkeiten veranlaßt hatte. Klar sodann zugleich arbeitete ich mich in den Strom hinein, und konnte mich von ihm auf's heiterste fürdertreiben lassen, alles Gute und Schöne festhaltend, wie es Ufer und Widerschein mir darbot. Just in dieser Zeit dichtete ich die Canzone, in das tiefste Wesen meiner Dichtung verwoben, beginnend:


»Die Schmerzen

Im viel zu warmem, viel zu treuem Herzen,

Sie lodern,

Und können doch kein Licht zurückefodern.

Im Dunkel nur entlang

Sollst Du, o Tröstungsquelle, mir, Gesang,

Durch's arme Leben,

Beschwörst die Furcht, beschwichtigst Angst und Beben!« –


»So etwas können nur wir Jünglinge dichten!« schrieb ihm der damal schon fast Siebzigjährige feurige Christian Stolberg im Gefühl der nimmerwelkenden Dichterjugend auf die Mittheilung zurück. –


Ich genas, trotz dem, daß gleich in die Erholungszeit ein ganzer Schmerzenszug von dräuenden Familienleiden hereinbrach, und auch wirklich ein geliebtes Haupt in den Tod hinunter sank. Statt gestützt zu werden, mußte der langsam Genesende stützen, und durch Gottes Huld gelang es ihm.


Gedichtet ward in dieser Zeit, außer der Vollendung von: »Welleda und Ganna,« nun in voller Klarheit aller Geisteskräfte[348] durchgeführt, auch ein Trauerspiel: »Hieronymus von Stauf,« zur Preisbewerbung für die Bühneneröffnung in München. Man wollte mir nachher sagen, die Dichtung sei nah daran gewesen, zu siegen. Die historischen Studien dazu waren tüchtig, das Ganze mit vieler Liebe gearbeitet, und mögte wohl dem Aristotelischen Begehr nach einem edelverlockten, mitleidswerth und kraftvoll untergehendem Helden der Tragödie einigermaaßen entsprechen.


Nach einigen Monden konnte der früher Gelähmte wiederum ohne Beihülfe, ja auch ohne sich nur auf seinen Stab zu stützen, in den schönen, weitgedehnten Nennhauser Pflanzungen rüstig umhergehn, und da nun auch alle Familiensorge verschwunden war, sang er: »Ein Lied nach schweren Leiden,« wie es im Vierten Band seiner Gedichtsammlung mit abgedruckt ist. Es schließt mit den Worten:


»Das rechte Lied nach Leiden

Stimmt man dort Oben an.«


Ja wohl! –

Denn Leiden andrer Art griffen hienieden in des Sängers Leben ein, nachdem jene früheren allsammt vorübergezogen waren, und er nun gewähnt hatte, zu einer Gattung irdischen Paradieses durchgedrungen zu sein im befreiten Vaterlande, von seinen Landesgenossen geehrt und geliebt.


Die erste Mahnung, daß er mißverstanden werden könne in seinen vaterländischen Bestrebungen, ja wohl bereits von einer großen Zahl mißverstanden sei, überhaupt, daß es in diesem Sinne mitten in Deutschland Antipoden gebe, hatte sich dem bis dahin völlig Arglosem kurz vor jenem Erkranken in Berlin bei einem großen wissenschaftlichen Festmahle kundgethan. Der Abend war einigermaßen symbolisch zu nennen für seine Schriftstellerbahn in jener Zeit. Zu Anfang jubelndes Mitsingen eines von ihm gedichteten Festliedes, donnernder Beifallruf hinterher, der ihn zu Dankesworten drängte, worin er die ehrende Freudigkeit des Berufes aussprach, in unsrer Zeit ein Deutscher Dichter zu[349] sein. Keine Stunde verging, so fühlte er sich eben so gedrängt durch mehre wunderlich konfuse Trinksprüche einiger Mahlesgenossen, seinerseits einen zweifelsohn – so dachte er – Alle vereinenden Trinkspruch auszubringen. Die vielfach anwesenden holden Frauen nickten und winkten ihm Veifall, die Mehrheit der Männer stimmte freudig ein. Aber es gab ein Wespennest unter den Freudenblüthen des Gartens, und dahinnein hatte er unbewußt gestört. Ein gar seltsamliches Gelärm erhub sich, zwar durch die Gutgesinnten entschlossen unterdrückt, aber doch den Spruch bestätigend: »Ubi effectus ibi causa!« Zu Deutsch: »Wo's raucht, giebt's Brand,« – wenn auch einstweilen nur noch in Kohlen. –


Von da an war es, auf Seiten einer gewissen Partei und soweit selbige das zu bewirken vermogte, um Fouqué's sogenannte Popularität gethan. –

Er hat aber dennoch fortgefahren, zu leben und zu wirken, und lebt und wirkt annoch, und eine frisch seither aufgeblühete Jugend sammelt sich kraftvoll dichtend um ihn her, und wackre Männer halten an ihm fest, und edle Frauen winden ihm Kränze. –

Was will er mehr, um freudiglich fürderzuringen im Strome der Zeit, und dem willkürlichen Getrieb' entgegen, das man sich: »Zeitgeist« zu benennen herausgenommen und angewöhnt hat! –


Als vor Jahren in Berlin ich einen wackern Gegner, Einem jener Widersacher, die mir vollkommen redlichen Willens und Wollens gegenüberstehn, auf der Straße antraf, und wir in liebevoller Wehmuth mit einander ins Gespräch kamen, die schönen Tage ehmal störungsloser Verbrüderung herausrufend, quollen mir die Worte aus dem Herzen:

»Dennoch, Du Lieber, sind wir nicht geschieden. Denk an die Prismafarben. Da mag dem Einen vielleicht Grün scheinen, was dem Andern Blau, dem Einen Gelb, was dem Andern Roth, aber Wer das Eine reine, weiße Licht in allen Farben[350] ahnet und versteht, ist dennoch im tiefsten Grunde mit allen in dieser Hinsicht Gleichgesinnten einig, ja Eins. So ist es mit uns Beiden. Und was die Zeit nicht zu einigen vermag, das einigt einst seelig und herrlich die Ewigkeit.«

Gut Wort fand gute Statt. –

Ihr lieben Widersacher allzumal, redlich ringend gegen mich an aus bester Ueberzeugung, wie auch ich anringe gegen Euch, lasset auch bei Euch gute Statt finden jenes Wort, denn wahrlich: es ist gut Wort, schon weil ein gutgemeintes.

Von den Zänkern um des Zankens willen, von den Schmähern um der Schmählust willen kann hier die Rede nicht sein, und müßte eigentlich, wenn's nach den Rechten ginge, überall keine Rede sein, als etwa die, womit sie sich untereinander behelfen möchten. –

Man hat mich dazumal und auch hin und wieder seither befragt, wessen man sich eigentlich von mir zu versehen habe. Offen und frei hab' ich jedesmal geantwortet, auch schon Einmal gedruckt, in den mit meinem edeln Freunde Friedrich Perthes gewechselten Briefen über den Adel. Aber gern und willig sprech' ich es hier abermal öffentlich aus:

Ihr habt Euch alles dessen von mir zu versehen, wessen Ihr Euch von einem einfach Bibel-gläubigen Christen versehen könnt, nicht mehr noch weniger, so Gott mir Kraft verleiht, – denn von Ihm al lein kommt meine Kraft, – und zwar gemäß den Pflichten und Rechten, in welche Gott mich hieniden gestellt hat. Ob man bei solcher Gesinnung Bauer, Bürger, Edelmann oder Fürst sei, ob geistlichen oder weltlichen Standes, bleibt an sich Einerlei. Das ist die Gleichheit die vor Gott gilt und auch vor Menschen, insofern sie an Gott glauben, und also auch Göttlichen Sinnes genannt werden können. Das ist die Einigkeit, ja Einheit, welche sich just in den mannigfachsten Rechten und Pflichten, wenn treulich erkannt und geübt, am herrlichsten entfaltet in seeliger Harmonie, im sich hienieden stimmenden Chorgesange für den Himmel. Die Zeit kann trügen, die Ewigkeit nicht. Der Zeitgeist kann trügen, der aus dem Ewigen offenbarte Gottesgeist nicht.
[351]

Da habt ihr meine öffentliche Beichte, und somit auch mich selbst, insofern es vor Euer Forum gehören darf.


In mein allerliebstes Innerstes griff, bald nach der leiblichen Genesung, eine geistliche zu vollbringen bemüht, ein jugendlicher Freund, der Gottesgelahrtheit beflissen, gewaltig, ja man möchte fast sagen gewaltsam herein. Er hatte den Freiheitskampf als Freiwilliger in einem rühmlich ausgezeichneten Infanterie-Regiment mitgefochten, und nebst einer ehrbaren Schußwunde auch den Offizierrang mit herausgebracht, war aber zu seinen theologischen Studien zurückgekehrt. Schon vor dem Kriege hatte ihn seine bedeutende Dichtergabe zu mir geführt, und es bestand in dieser Hinsicht zwischen ihm und mir das heiterste Verhältniß von Schüler zu Meister. Eines Tages aber schrieb er mir einen Brief gar andrer Gattung. Statt der erwarteten poetischen Mittheilungen, Anfragen, auch wohl gelegentlich Danksagungen für Aehnliches, gab es eine Bußpredigt, ihm aus einer plötzlichen Erweckung ausgegangen, über die Lauheit und Halbheit meines Wandelns und Ringens nach dem ewigen Heil. Ich schrak zusammen, waffnete mich jedoch bald wiederum mit gewissen bequemen Schildern und solchen Stützen und Krücken, welche das Hinken auf beiden Seiten – wie es der gewaltige Prophet Elias nannte – vor dem Hinkenden selbst unmerklich machen. Schon war ich im Begriff, dem Freunde zu antworten, er möge sich keine unnütze Unruhe machen meinetwegen. Zwischen meinem Gott und mir stehe Alles gar gut, – und was der selbstgefälligen Sprüche solcher Art es mehr zu geben pflegt. Es kam anders, und zwar auf Anregung meines bisher nur mehrst poetisch geliebten Jakob Böhme. –

Auch das gehört mehr in eine Beichte, als in eine Biographie. Nähere Andeutungen darüber jedoch findet der etwa darnach verlangende Leser in einem von mir vor ungefähr zehn Jahren an's Licht getretnem Büchlein: »Jakob Böhme. Ein biographischer Denkstein.«

Mein erwachter und mehr stets erwachender Ernst für das Eine, was noth ist, brachte mich in mannigfach nähere Verhältnisse zu Solchen, denen ein gleiches Bewußtsein aufgegangen war.[352]

Doch freilich ermangelte es auch dabei der Anfechtungen nicht.

Viele der wohlmeinenden und wahrhaft Gläubigen begannen, jede Anwendung poetischer Gabe auf sogenannt weltliche Gegenstände für sündlich anzusehn und zu erklären, und viele Aufforderungen von jener Seite herüber ergingen an Fouqué, seine Dichterkraft ausschließlich auf Geistliches zu verwenden. Als er sich nicht fügen wollte, erging manch Anathema über ihn: von Einigen ausdrücklich ausgesprochen, von Andern eben nur kundgegeben durch herbes Zurücktreten von dem ihnen ärgerlich gewordnen Bruder. Sie irrten, wenn sie's für Leichtsinn ansahen. Viel zu ernst schon war dazumal Fouqué in seinem Innern geworden über Zeit und Ewigkeit, als daß er Betrachtungen solcher Art hätte mit hergebrachten Weltsprüchen über die Seite werfen wollen und können. Schwer gerungen hat er darob vor Gott. Aber davon weiß nur Gott und er. Doch statt der Verwerfung sei nes weltlichen Dichterberufes ward ihm Bestätigung zu Theil, ja Erhöhung seiner Gabe, die er fortan, versteht sich, weit öfter, als schon in frühern Tagen, in geistlichen Liedern und Sprüchen austönen ließ. Mehre davon sind vor der Welt erschienen, andre – und zwar wohl zahllos zu nennende – liegen in seinen Papieren aufgezeichnet, und mögen erst nach seinem Heimgange dem künftigen Sammler reichlichen Stoff bieten zur Auswahl für etwanige Bekanntmachung. Für damal indeß gewann er frischen Muth, denjenigen Eif'rern, – Bruder Zelotes im Zauberringe mochte ihm als ahnungsmahnendes Vorgebild, oder (Bergschottisch zu reden) second sight dafür gegolten haben, – die nicht ablassen wollten mit Donnerworten gegen seinen Beruf, entschlossen zu erwiedern, und zwar mit seinem Jakob Böhme: »Höret auf. Euer Treiben turbiret mich.« – Daß er nicht sündigte mit dieser Abweisung, haben die Klarsten und Edelsten aus ihnen seither freundlichst anerkannt, und es liegen fortan keine Berge zwischen uns, ja nicht einmal Hügel mehr, – es müßten denn mitunter Maulwurfshügel sein. Und deren achtet bekanntlich ein rüstiger Wandrer nicht, das Ziel im Auge, zur Seite unfern die befreundeten Fahrtgenossen.
[353]

Freilich nicht Alle, die ehedem auf ungehemmter, mit Kranzgewinden ausgeschmückter Bahn sich lustiglich mir zugesellt hatten, sind bei mir geblieben in den Tagen so mannigfacher Anfechtungen. Manche haben sich den Gegnern zugesellt: wie ich's von den Mehrsten zuversichtlich hoffe, in eigenthümlichster Ueberzeugung, und dann – Freunde nach wie vor. Andre sind Halbfreunde geworden, nicht kalt nicht warm. Gott verzeihe ihnen die Lauigkeit. Ihr aber, – Gott-Lob, es sind Eurer Viele, – die Ihr liebevoll fest an mir gehalten habt bis an Euer Grab, und noch jetzt mit mir wandelt in alten, guten, endlos frischjugendlichen Liebestreuen, nehmt hier meinen erneueten Dank und Gruß. Ihr erkennt Euch, ob ungenannt, in diesem Spiegel.

Von den Vorangezognen, denen noch in diesem Werke nicht eigentliche Abschiedsworte geweihet wurden, laßt mich einige nennen, der Welt zumehrst bekannt, und mögten den jetzt Verklärten die kleinen Denktafeln an ihren Gräbern, falls ihnen bewußt, auch wohlgefällig fein.


Held Gneisenau.


Der Mann der Treue, das weiß die Welt, für König und Vaterland, und wahrlich auch für Jeden, dem er Einmal sein großes Herz zugewendet hatte, und welcher so erhabner Gabe nicht unwerth geworden war. Gott-Lob, er hat mich deren würdig erachtet bis zu seinem, für uns Unzählige, die ihn liebten und ehrten, noch immer allzufrühem Heimgange. Oft hab' ich neue Lebenskraft und frische Lebensfreude geschöpft aus dem Born seines gewaltigen Geistes, denn der Zutritt zu ihm war mir nimmer verschlossen. Er vergönnte mir es, ihm mein streng historisch gehaltnes Epos, Bertram du Guesclin, zuzueignen, und war zufrieden mit dem Ringen, was ich dort unternommen hatte, voll eben so vieler Wahrhaftigkeit, als die uralten Heldendichter nach ihrer tiefften Ueberzeugung, die Geschichte in poetischer Form darzustellen, den Wahn widerlegend, als sei Poesie und streng wahrhafte Historie unverträglich, da sie doch vielmehr im tiefsten Grunde ganz untrennbarlich Eins und Dasselbe sind. Seine Briefe bleiben mir noch jetzt heiterleuchtende Sterne in mancher tieferen Erde-Nacht.


[354] General-Lieutenant Freiherr von Valentini.


Als jugendliche Männer begrüßten wir uns zuerst. In frisch heitrer wissenschaftlicher Mittheilung geleiteten wir einander durch das Leben bis an das Ende des vielfach begabten Mannes, an waffenbrüderlicher Freundlichkeit das rechte Musterbild eines echten Kriegers. Eben deshalb auch lebt in seinen militärischen Lehrwerken ein wahrhaft beflügelter und beflügelnder Dichtergeist. In einer dieser gelehrten Arbeiten, für die höhere Kriegskunst unsterblich deutete er auf mein Epos vom Bertram du Guesclin als auf ein tüchtiges Soldatenbuch hin. Erfreulicher ist nimmermehr ein Kranz mir beschieden worden.


Amalie von Helvig, geborne von Imhof.


Ja, es war mir beschieden, die holde Sängerin von Lesbos während ihrer letztern Lebensjahre, wohl ein Decennium hindurch, wiederzusehn, und ihr nahe zu stehn in vertraulich poetischer Mittheilung, wie es, in jenen früheren Ahnungstagen zu Weimar, mein sehnsuchtsvoller Traum gewesen war, nur eben kaum zum Wunsche sich emporwagend. Ihrem wundersam viel begabtem und viel erfahrnem Gatten, einem echten Nordmann, stand ich, aus gar verschiedenartigen Gesichtspunkten her, oftmal geistigringend gegenüber, doch stets in freundlicher Anerkennung des Einen zum Andern. Und so stehen er und ich noch bis auf den heutigen Tag, und ich rühme mich Dessen gern.


Zelter,


der kraftvolle Tönemeister, der vielleicht entsprechendste Freund für Goethe, schloß mir sein eben so künstlerisch freies, als treulich altpreußisches Wesen und Sein in frischer Vertraulichkeit auf Das waren Stunden der Fülle, die ich mit ihm in seinen, wie magisch von Melodieen und Harmonieen durchhalleten schönen Wohnungsräumen gelebt habe. Oft hat mich's umschwebt als Vision einer mythischen Novelle: so ein klangesmächtiger Riese in seiner klingenden Burg, lieblich rätselhafte Gebilde hin und wieder wallend, – wer weiß, was noch geschehen kann, es sei denn, meiner letzten Tage Abend komme bald.


Fürst Anton Radziwill.


Gott lohne es ihm noch in der Ewigkeit, wie er mich oft mit den Klängen seiner gewaltigen Compositionen erhoben und erquickt[355] hat, und mit sinnigen Gesprächen über die Kunst. Vor Allem Einmal, wo ich in einer der trübsten Epochen meines Lebens zu ihm kam. Die Anmeldung zögerte ungewohnt, zu meinem Befremden, fast zu meinem Unwillen. Ist ja der innerlich tief Leidende – vergesset das nie, Ihr Beglückten! – auch äußerlich leicht verletzbar. Hier lösete sich's auf das lieblichste. Der Fürst trat mir mit den Worten entgegen: »Willkommen! Weil ich hier mit einem wackern Clavierspieler meine Faustcompositionen durchgehe, wollte ich für Niemand zu Hause sein. Aber wie könnte ein Dichter zu viel sein zwischen Componist und ausübendem Musiker. Nun erst ist das Trio fertig. Willkommen!« Und das Werk, schon bis zur Kerkerscene gelangt, ging fürder. Radziwill deklamirte zu dem Clavierspiel auf eine so tief ergriffne, also auch ergreifende Weise, daß selbst sein fremdartiger – Polnisch-Deutscher – Accent der Wirkung nicht Eintrag that, vielmehr, so klang es mir, sie noch auf eigenthümliche Weise seltsam erhöhete. Meine gedrückte Seele hob sich mehr und mehr auf ihren gelöseten Schwingen, und als nun vollends das von ihm hinzugefügte: »Gloria in excelsis!« anklang, fühlte ich den Anhauch ewiger Sphären, und Freudenthränen empfand ich in meine Augen quillen. »Ich kann es Ihnen nicht aussprechen, was Sie mir Heut gegeben haben!« sprach ich bei'm Scheidedanke zum Fürsten. Ja wohl: Scheidedank. Bald darauf rief ihn Gott ab zu höheren Harmonieen, und wir hatten einander zum Letztenmal gesehen, – hienieden, mein' ich. Aber: »Gloria in excelsis!«


August Ferdinand Bernhardi.


Du sinniger Schulmann, Du ernsthumoristischer Dichter, Du tiefgründender Sprachforscher, Du unerschütterlicher Freund in allen Wechselfällen des Lebens, – Dich hatte mir Gott schon weit früher von der Seite genommen. Aber viele Jahre lang hast Du mich voll rührender Bruderliebe geleitet, und unser Verhältniß für die Ewigkeit gilt. –


Franz Horn.


Länger beliebst Du bei mir, Du klar aufschauend zum Himmel,

Keine Stunde, wo nicht Ewiges ahnte Dein Geist.

Liebreich ziehst Du mich nach in die nun bezogene Heilswelt,

Liebreich mahnest Du mich: »Mühlicher Pilger, halt aus!«


[356] Den verklärten Brüdern Stolberg.


Am 25sten Mai 1821.


Einsam ging ich entlang die tiefgrün schattende Pflanzung,

Süß vom durchhellenden Blick liebender Sonne bestrahlt,

Wo mir so oft sie genaht, die holdbegeisternde Muse,

Dann mich geleitend zurück in das verschwiegne Gemach,

Daß ich dem Kiel und dem Blatt vertraute die heimlichen Sprüche,

Selbst mir bewahrend ihr Licht, Andern auch kündend ihr Licht.

Heut so ging ich und sann, – und wieder mir nahte das Mägdlein,

Heischend den kindlichen Dank, daß mir ein neues Gebild –

Längst in die Seele gestrahlt durch sie, mein erquickliches Sternbild, –

Hatte nach ringendem Kampf fest sich gestaltet im Sang:

Des Verfolgten Gebild, der kühn im blutigen Kampfreihn,

Viel geduldig in Noth, selbst im verkennenden Schmähn,

Viel geduldig, – auch da! – hindurch sich steuerte muthvoll

Zwischen umbrandetem Riff, trauend dem leitenden Licht! –

Ach, ich dank' ihr so gern! – Doch Thränen entquollen im Dank mir,

Und sie lächelte mild: »weine nur, weine Dich aus!«

Niemand weiß es ja besser, als ich, wenn dieses Dein Lied galt,

Wer es in Dir hat erweckt, Ihm Dir es gönnte, zu weihn!

Friedrich, den ich gekränzt vom ersten Erwachen des Lichtblicks

In der begeisterten Brust an das ernstliche Ziel,

Wo ihm sein Herz nun brach, sein treues, liebendes Herz brach,

Liebend im Scheidegewölk, liebend im ewigen Strahl,

Der es nun heilend verklärt! – Ich weiß, er gab Dir dies Lied ein:

Deutsche Rittergewalt, freudiglich immer und fromm

Ringend mit wachsender Noth, mit Weh von innen und außen,

Aber nur höherer Kraft trauernd, der eigenen nicht!

Trauend dem ewigen Gott, und treu der heiligen Ehre, –

Singe das, sprach er, o Freund! – Singe das, sprach ich, o Freund!

Ach, nun zog er Dir fort, voran in's seelige Dunkel.

Dunkel nur Dir, nicht Ihm, – denn was Du ahnest, Er schaut's! –

Nicht mehr kannst Du ihm bringen Dein Lied, nicht jenem Geliebten,

Seinem Genossen im Sang, wie auch in Wonnen und Weh,

Weil Ihm nach er geschwebt, dem Bruder der liebende Bruder,

Und um die Beiden zugleich sehnende Thräne Dir quillt! –

Heitre den Blick im Gesang! Die Thräne durchries'le die Saiten,

Aber die stürzende nicht, nein, die gesänftigte nur!

Also ziemet es sich, als Christ um Christen zu weinen,

Seeliges Wiederschau'n leuchtend in hoffender Brust!

Nur Mairegen – befruchtender Schau'r und blumenerweckend,

Ries'le dahin! Es vernimmt froh ihn das seelige Paar!
[357]

Sollte ich Alles aussprechen, was ich für die edlen Dioskuren Stolberg, vor und nach ihrem Heimgange, sang und empfand, – wie mögt' ich in den vorliegenden Blättern Raum finden dazu! –

Das Werk, dessen Epilog jene Klänge bilden, hätte wohl verdient, mehr bekannt zu werden, als es, meines Wissens, geworden ist. »Der Verfolgte,« ein Ritterroman in Drei Bänden, enthält Spiegelbilder aus der innern Welt im Verein mit echten Darstellungen aus der uralten Helden- und Sagenzeit. So auch zwei andre Ritterromane gleichen Umfanges, dazumal gedichtet und erschienen: »Wilde Liebe« und »Ritter Elidouc,« Letztrer zunächst auf eines altedlen Troubadours Reime begründet.

Weit mehr Beachtung fand, wie billig, die von mir dazumal mit pflichtschuldiger Anstrengung ausgearbeitete Lebensbeschreibung meines Großvaters, des Generals der Infanterie, Baron de La Motte Fouqué, vom Großen König Friedrich ruhmvoll anerkannt als Feldherr und innighold als Freund. Neben der Wichtigkeit des Gegenstandes nahm auch die Ausführung des Buches in militärisch-historischer Hinsicht die Aufmerksamkeit des kriegerischen Publikums in Anspruch, insbesondre ein entschiedener Anfall wider all und jedes Spionierwesen, als unsittlich, und eben so unnütz obenein. Da stellten sich ihm viele, an sich gar achtbare Stimmen entgegen, die Unsittlichkeit alles Spionirens zwar eingestehend, aber zugleich behauptend, es sei nun einmal eine trübe Notwendigkeit damit, und wer zuerst davon abstehe, setze sich in unverantwortlich-verderblichen Nachtheil gegen das Feindesheer. Fouqué dagegen blieb bei dem Hauptsatze fest: Was unsittlich ist, kann nie wahrhaft vorteilhaft sein, und gab an, wie man statt unzuverlässiger Kundschafter auf schändlichen Wegen lieber zuverlässige Soldaten auf ehrlichen Wegen belohnen könne und solle, um Nachrichten vom Feinde einzuziehn. Gneisenau entschied für Fouqué durch den einfach großen Erfahrungssatz: »Wir fanden in Frankreich keine Spione wider Napoleon und sein Heer, und haben gesiegt. Wenn's gegen solch einen Feldherrn und solch ein Heer ohne Spione ging, gehts allerwärts ohne Spione. Quod erat demonstrandum.« –
[358]

Während Fouqué mit einer jener obgenannten drei Roman-Dichtungen eifrig beschäftigt war, ward in Berlin die Verlobung der jetzigen Kaiserin Alexandra von Rußland durch den prachtvollen Festzug aus Thomas Moore's erhabnem Ostland's Gedicht Lalla-Rukh würdig gefeiert. Fouqué, als Kaschmirscher Ritter im Zuge mitgehend, empfing von der erhabnen Braut einen Wink, das Gedicht aus dem Engländischen ins Deutsche zu übersetzen, und nahm ihn voll freudiger Begeisterung auf. Daß die Arbeit für gelungen gelten mag, vieler Schwierigkeiten des Versbaues unerachtet, während seine eigne Dichtung ungehemmt freudig vorrückte, diene mit zum Beweis, wie ein poetisches Uebersetzen, wo das Original selbst in wahrhafter Poesie lebt und webt, keine drückende Lastarbeit ist, sondern vielmehr ein kräftigendes Meerbad, das den Geist auch zu anderweitigem Ringen erquicklich anregt.


Bald nachher ward auf gar anmuthige Veranlassung eine Novelle angefangen und vollendet, die Sophie Ariele heißt. Sie ist gewissermaaßen eine Schwester der Undine, welche auch noch andre Geschwister hat. Mit diesen Verwandten ging es folgendermaaßen zu. Daß eine Quellnymphe noch fürderrieselnde Bächlein aussendet, versteht sich ohnehin von selbst. So geschah es denn, daß Undinen, – wie es schon in der äußerlichen Anlage vorbestimmt war, – auch, indem sie selbst als Frühling lächelnd aufgetaucht war, drei andre Jahreszeit-Novellen folgten: die zwei Hauptleute, eine kriegerische Dichtung, die sommerlichen Gewitter und ihren Seegen darstellend, Aslaugo's Ritter, von herbstlichen Ahnungsträumen duftig umhaucht, und als Winterbote Sintram und seine Gefährten, welcher sich beinah so viele Freunde gewonnen hat, als Undine, und einer überaus trefflichen Uebersetzung ins Engländische sich erfreut, wo die Strengheit der Sprache dem Urbilde just hier vielleicht an mehren Stellen den Preis abgewonnen hat.

So gesellte sich denn auch späterhin dem Wassermädchen Undine die mir überaus lieblich erschienene Sophie Ariele als Sylphide zu, und späterhin rief noch eine dritte Novelle die beiden[359] andern Elementargeister in den Beschwörungskreis der Poesie herauf.


Es sind der damaligen Gebilde zu Viele, um sie allesammt hier anzuführen, wenn sich die Biographie nicht in einen Catalogue raisonné umgestalten soll. Ohne meinen Namen ist Keines davon erschienen. Grüße sie denn mit gütiger Teilnahme, freundlicher Leser, wenn sie dir irgendwo vor Augen kommen sollten. –

Nur einige Arbeiten aus jenem Zeitraume müssen hier noch ausdrücklich erwähnt werden.

Zuvörderst: »der Réfugié, ein Roman.« Eine Darstellung der innern und äußern Stellung jener Glaubensflüchtlinge, oder vielmehr ihrer Nachkommen, in dem ihnen so gastlichen Norddeutschland, verwoben mit Kampfesbildern aus dem Freiheitskriege. Jenes braven französischen Husaren-Obristen Lampériere, aus den Erinnerungen vom Jahr 1808 den Lesern dieser Blätter bekannt, war gleichfalls im Roman gedacht, und sein edles Soldatenbild mit raschkecken Zügen gezeichnet. Wohl hatte ich im Jahre Dreizehn stets unter den Kriegsgefangnen nach ihm geforscht, bereit, wie sich's versteht, Alles mit ihm zu theilen, was theilenswerth war. Auch träumte ich dazumal oft von der ernstheitern Möglichkeit, wir könnten einander begegnen zu Roß, die Klinge zur Hand, und, wie sich's ebenfalls versteht, mitsammen ringen im rühmlichen Ehrengefecht. Auf keine von beiden Weisen hatten wir uns gefunden. Jetzt war einstmal sein Sohn, Knabe noch, zu der holden Mutter, einer Deutschen von Geburt, die uns ehemal in Nennhausen besucht hatte, rasch hereingetreten, ausrufend: »Mutter, in dem Buch hier steht etwas von meinem Papa!« Und die alten Erinnerungen erwachten, und manche freundliche Brieftauben, Licht aus Dunkelheit erweckend, flogen zwischen uns hin und her.


Inzwischen verfaßte ich die Lebensbeschreibung des verewigten General der Infanterie von Rüchel, auf den mich ehrenden Wunsch seiner edlen Nachgelassenen. Es galt das In's-Licht-stellen[360] eines echten Heldenlebens, schon in des großen Friedrich Heldenschule früh entblüht, dann ruhmvoll reifend unter den Gewittern der Kriege wider das revoluzische Frankreich und in den nächstfolgenden Friedensjahren glänzend, endlich unter den Unglückswolken des Jahres 1806 außenher umdunkelt, aber mit dem eigenen Blute sich Bahn sprühend und brechend zu dem entschlossensten Widerstande gegen die Uebermacht im Jahre 1807, und somit herrlich wiederum aufstrahlend, auch von seinem Könige Friedrich Wilhelm dem Dritten ehrenvoll anerkannt.

Das Buch erwarb dem Verfasser manch ehrenden Beifall, namentlich von dem erhabnen Erzherzoge Karl von Oesterreich, dem Sieger von Aspern, aber auch viele Abgunst ward ihm dadurch auf andern Seiten genährt, wenn auch nicht eben laut, um desto mehr heimlich wirkend im Stillen. Denn der wackre Rüchel, kühn und frei Allem sich entgegenstemmend, was er in der Zeitrichtung als verderblich erkannte, galt vielen Leuten für einen Obskuranten, also auch sein Biograph mit.

Ja, als ich gleich nach Ktzebue's Ermordung Warnungsjamben an Deutschlands Jugend ertönen ließ, voll ernster Trauer den weichmüthig edlen Jüngling Sand scheidend von seiner gräßlichen Kannibalenthat, mich berufend auf meine Waffenbrüderschaft als Mann mit den blühenden Freiwilligen, warnend vor dem wiederum auftauchenden Gespenst des verzerrten und verzerrenden Voltaire, – da meinte ein (wie gewöhnlich ungenannter) Recensent, ich sei nicht mit dem Zeitalter fortgeschritten, und mogte sich dabei rühmen, das Organ vieler Leute zu sein. –

Ja, ihr lieben Leute, ich bekenn' es euch gern und laut:

Ich erkenne den Zeitgeist für keinen Flügelmann, dem man unerlaßlich nachererziren müsse für jeglichen Griff, und als einem Vordermann nachmarschiren auf jeglichen Tritt, sondern für einen der Geister, die man prüfen soll, nach Anweis der heiligen Schrift, ob sie von Gott seien.

Und der Meuchelmord ist nicht von Gott.

Und keine Untreue ist von Gott.

Und keine Lüge überhaupt ist von Gott.

Und kein Hassen ist von Gott.[361]

Sondern die brüderliche Liebe, und die Treue, und die Wahrheit, und alle echte Liebe überhaupt, – die sind von Gott.


In diesen Tagen mannigfach geistiger Kämpfe, auch einstmal wiederkehrenden Kränkelns, – es schien abermal bedenklich damit werden zu wollen, – geschah es, daß die Anwesenheit der Kaiserin von Rußland Veranlassung zu einem Turnierfest in dem Schloßhofe des vom großen Friedrich unweit Potsdam erbaueten Pallastes gab. Huldreich dazu eingeladen sahe Fouqué mit freudigster Ueberraschung, wie die erhabensten Damen und Preisvertheilerinnen des Turniers (und sie selbst erzeigten ihm die Ehre, es ihm auszusprechen) als Bilder des Zauberringes erschienen. Die Kaiserin Alexandra als Blancheflour verlieh ihm huldreichst eigenhändig das Silberzeichen der weißen Rose, sonst nur den unmittelbaren Theilhabern des Festes ausgetheilt. Es waren hochfeierliche Stunden, denn ein echter Rittersinn webte durch das Ganze, die großen Zeiten der Urväter abspiegelnd in den Geistern der ringfertigen Enkel.


Der Dichter des Zauberringes fühlte sich wunderbar genesen von allem früherem Krankheitsweh durch diese Anschauungen einer Großes und Schönes verheißenden ritterlichen Gegenwart.


»Der liebe Gott schickt warmen Wind, wenn das Lamm geschoren ist,« sagt ein altes schönes Spruchwort. –

Man mag indeß auch mit gleichem Rechte sprechen:

»Der liebe Gott schickt warm Gefieder für die Vögel, wann ein herber Winter aufzieht.« –


Auf solche Weise ging es dem armen Sangvogel, von welchem sich es allhier handelt, mit jenen erhebenden Turnierfreuden. Denn wahrlich, wahrlich: eine herbe Leidenszeit zog nach und nach für ihn herauf.
[362]

Nicht lange nachher, so begann die bis daher so blühende Gesundheit seiner unaussprechlich geliebten Gattin Erschütterungen zu erleiden. –

Leiden sind das, welche in die tiefsten Wurzeln einer liebenden Seele eingreifen. –

Im Julius des Jahres 1831 hatte dies Erkranken einen bedenklichen Grad erreicht. Doch konnte ich noch immer nicht an den wirklichen Untergang eines Gestirns glauben, welches mir seit so vielen Jahren als Centralsonne meines Lebens erschienen war. –

Am 20. Julius hatten wir uns noch heiter einander gute Nacht gewünscht. –

Ja: Gute Nacht. –

In der ersten Morgenfrühe des ein und zwanzigsten Julius erwachte ich von heftigem Thürenschlagen und raschem Hin- und Hergehen in dem jetzt außerdem so tiefstillem Hause.

Erstarrendes Entsetzen fuhr durch meine Gebeine. –

Für einige Momente noch wagte ich zu hoffen, vielleicht hätte ich sonst überhaupt Langschläfriger nach gestrig langem Nachtlesen bis hoch in den Tag hineingeschlummert, und die Bewegung im Hause gelte vielleicht nur eben einem heiter unerwarteten Besuch am gastlichen Heerde, –

Für einige Momente, –

Länger nicht, –

Denn über die unten geschlossenen Fensterladen dämmerte von Oben das erste Morgengrau herein. –

Ich fuhr zitternd in die Kleider. –

Da, – die Thür geht rasch auf, – meine Tochter Marie steht drinnen, –

»Vater,« – ruft sie mit bebender Thränenstimme, – »Vater, komm! Ach, Mutter ist sehr krank!« –

Und gleich darauf wieder hereinwankend, winselt sie:

»Vater, eile Dich! Eile Dich! Sie stirbt!« –

Ich eilte mich. – Ich kam. Die geliebte Gattin starb unter meinen Hülfe leistenden, unter meinen betenden Händen. –[363]

Kein Laut mehr von ihren süßen Lippen. –

Aber mein Jammer war nicht gottlos. Ich darf sagen: mein Jammer war fromm. –


Und so saß ich Vereinsamter denn gegen 4 Uhr Morgens in dem für mich nun verödetem Hause still in meinem ganz einsamlichem Gemach, und las in der Bibel. Im 14. Kapitel des Evangeliums Johannis las ich, Vers 16 bis 21. Wer den rechten Sinn für so was hat, nehme seine Bibel zur Hand, – oder wenn er unglücklicherweise noch das Buch der Bücher nicht bei sich haben sollte als sein holdes Eigenthum, so lasse er sich es von einem Glücklicheren reichen, – und lese die Stelle nach.

Ich, indem ich sie las, empfand eine tiefe Sehnsucht nach dem Empfang des Heiligen Mahles, eine dringende, ja beinah drängende Sehnsucht. Aber ich mogte den geliebten Landpfarrer, meinen echten Seelsorger, – Lympius heißt dieser wahrhaft evangelische Geistliche, – nicht wecken lassen aus seinem vielleicht noch recht süßem Morgenschlummer mit solch einer Schmerzenskunde.

Harrend saß ich, bis der Schmerzenstag höher heraufsteige. –

Da hat es an meine Thüre gepocht, leise, leise.

Voll seltsamlich seeligen Schauderns sprach ich: »Herein!« –

Und herein trat der ehrwürdige Prediger Lympius, dem die Kunde der schweren, mich betroffenen Fügung schon in dieser Morgenfrühe durch milde göttliche Fügung zugekommen war, ich weiß nicht mehr: wie.

Gottes Geist aber trieb ihn, mir zum Trost, und da stand es vor mir, das liebe, ehrwürdige Angesicht.

Wir weinten uns miteinander aus, recht mild und still.

Dann gab ich ihm mein Verlangen nach dem Heiligen Mahl zu erkennen, und er sprach zu mir:

»Folgen Sie mir nach einem Viertelstündlein in meine Wohnung. Dann finden Sie Alles bereit.« –

Er ging.

Ich folgte.[364]

So frischduftig hell der schöne goldige Sommermorgen! So freundlich alle die einfach stillen wohlbekannten Gegenstände um mich her! –

Wie so oft war ich dieses Weges anders gegangen! – Es war zugleich er Kirchweg. – Und nun! –

Mir begegnete ein Durchreisender aus der Nähe, und grüßte mich mit behaglicher Freundlichkeit, ohne – sahe man wohl – noch zu wissen, was geschehen war. Die Leute hatten mich lieb rings umher. Ich dankte so ganz freundlich. Ach, Du lieber Gott, aber mein Inn'res! –

Nun trat ich in die still behagliche Pfarrwohnung ein. – Ach, auch das wiederum so ganz anders, als sonst! – Mit verweinten Augen winkte mich die Magd in das Wohnzimmer. Da standen schon auf weißgedecktem Tischlein die Geräthe zum Heiligen Mahl. –

Wenige Momente, und der liebe Pfarrherr trat herein in seiner Amtstracht.

Er verwaltete das heilige Mysterium in heilsamer Beziehung auf mich Weinenden.

Gottes Friede kam in meine Seele. –

Hosianna! –

Halleluja! –

Amen! –


Eine schwere Wittwerzeit war es, die nun über mich heraufstieg. Dazu legte die Cholera ihre verderblichen Riesenschatten über das Land und die Lande weit umher, und noch sonst mancherlei Schmerzliches und Herbes griff störend in mein Leben ein.

Die Muse verließ mich nicht.

Eine seit vielen Jahren in mir umhergetragene Ritterdichtung, Parcival, nach des alten Wolfram von Eschenbach Epos, aber in völlig eigenthümlich freier Darstellung unter den mannigfachst wechselnden Formen der Poesie, keimte mir jetzt am Grabe der geliebten Entschlafenen auf, und ward vollendet. Möglich, daß die sehr umfassende Arbeit nun erst über meinem[365] Grabe an's Licht treten mag. Druckbereit liegt sie jedenfalls. Als Denkmal jener Trauerzeit erschien seither im Verlage von Freund Perthes ein Büchlein:


»Von der Liebeslehre.«


Ich mag es wohl eine süße Frucht aus herben Tagen nennen, und den Leser dorthin weisen, mit der Ueberzeugung, ihm Gutes zugewiesen zu haben.


Den lindernden Balsam der Freundschaft und holder Kindheit und Jugend-Erinnerungen ergoß in meine blutende Seele ein Aufenthalt bei A.G. Eberhard auf seinem anmuthigen Landsitze zu Giebichenstein unweit Halle an der Saale.

Gott lohn' es Euch, Ihr lieben, Ihr zum Theil nun seither schon verklärten Seelen, was Ihr dazumal des Lieben und Guten an Eurem Freunde gethan habt.

Meine neue Laufbahn für einen Beruf als Lektor in Halle bereitete sich dorten vor, im Jahre darauf, ob ziemlich spät am Lebensabende schon, dennoch – ich darf es sagen – mit Jugendkraft betreten und fortgeführt bis Heute, und, will's Gott, fürder noch durch manch ein Jahr. Hat mir ja doch Gott eine jugendlich holde Gattin als Liebes- und Lebens-Genossin zugeführt! Hat Er ja doch einen edlen Hörerr-Kreis aufblühender Dichterjünglinge und ehrenwerther Männer, ja auch sinnig holder Frauen um mich versammelt, und wecken deren klar wiederhallende Geister mir oftmal neuerhebende Anklänge dessen, was ich ihnen über Poesie und deren Geschichte, auch während der Wintermonde über Zeitgeschichte vorzutragen mich berufen fühle! Begegnen doch so viele Beweise des liebevollen Zutrauens und der erquickenden Ehrerbietung mir in der treuen Saalestadt, aus der ich vor nun 46 Jahren hinritt auf meinen Erstlings-Feldzug an den Rhein, und wo ich nun den Eyclus meiner Bahn völlig zu beschließen hoffen darf! Ward mir ja doch von der geliebten Gattin am 29. Oktober 1839 ein blühend frischer Knabe geboren, dem ich folgende Liedesklänge entgegensang: –


[366] 1.

Nimm hin, mein Sohnlein, Deinen ersten Degen.

Für jetzt noch ist die Waffe Dir zu groß.

Doch mehr stets ring' Dich, Ritterblümlein, los

Zum Rittersmann durch Gottes heil'gen Seegen.


Dann muthvoll wall 'auf Gottes heil'gen Wegen:

Im Frieden mild, fromm, hold, zum Kampfgetos,

Wann Treu' und Ehre winkt, auf Hieb und Stoß

Ringfertig stets, Du selbst ein wackrer Degen!


Ein Preußendegen! Und erring' ein Kreuz,

Wie's einst Dein Vater sich im Feld' errungen,

Daß er im Himmel spreche noch: »Mich freut's!«


Und wolle Gott, daß auch in Liedeszungen

Du einst austönest kräft'gen Jubeldank,

Wie jetzt Dein Vater Schwerdtesgruß Dir sang.


2.

Alt-edler Meister Hildebrand von Bern,

Der einen jungen Held hast auferzogen

Zum edlen Schwung durch kühne Kampfeswogen,

Einpflanzend ihm all frommen Wissens Kern!


Wie las von Dir die Kund' ich stets so gern,

Schon als noch Jugendkräne mich umzogen,

Und Jugendlieder flatternd mich umflogen,

Und dacht: »Ach glich' ich einst dem alten Herrn!«


Nun trat ich schon seit Jahren in den Orden

Der alten Herr'n, bin drin vertraut geworden,

Und doch klopft jugendfrisch mir noch die Brust.


Ja, frischer noch, als an der Jugend Borden,

Weil ich der edlen Waffenmeister-Lust

Am neugebornen Sohn mir ward bewußt.


Von jenen letztern Jahren wäre freilich hier noch viel des Ausgeführteren nachzuholen.

Aber mit den Autobiographieen geht es auch in dieser Hinsicht, – mit vielem Schaffen im Leben gleichfalls, wo nicht mit allem, – wie mit dem Berg-an-Steigen. Hier gilt das Gleichniß vornehmlich dahin:

Je näher annoch die zurückgelassenen Gegenstände, je mehr decken sie einander, bis zur Undeutlichkeit.[367]

Je weiter abwärts hinter uns zurückgeblieben, je leichter übersehbar gruppiren sie sich, und vergönnen dem Blick ein um so richtigeres Urtheil über ihre Gestaltung und ihr gegenseitiges Verhältniß zu einander.

Sollte ich noch ein Dezennium oder was drüber auf dieser Erde wallen und wallfahrten, so fände sich auch vielleicht ein Standpunkt, um das jüngsther Durchlebte, hier nur in Umrissen Angedeutete, näher auszuführen, vielleicht wohl gar mit Farben auszufüllen.

Leuchtet mir ja, wie bei meiner Rückkehr nach dem lieben Halle vor neun Jahren, wo mich die Worte so heilsamlich ahnend ergriffen, noch immer vom Giebel der Frankeschen Stiftungen der auch dort so schön bestätigte Spruch des Propheten Jesaïas um das Adlerbild her entgegen:

»Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln, wie Adler, daß sie laufen, und nicht matt werden, daß sie wandeln, und nicht müde werden.«

Fußnoten

1 Anmerkung. Eine bedeutsame Stelle im Generalstabe.


2 Anmerkung. Beiläufig gesagt, der Satz der Pariser Akademie: »Il ne faut pas ensanglanter la scene,« trägt zwar, wie so Vieles von dorther Kommende, sein Albernes in sich, wenn man ihn zur unabweichlichen Richtschnur annimmt. Wohlverstanden jedoch in ziemender Begränzung, trägt er, wie gleichfalls gar Vieles von dorther Kommende, seine beachtenswerthe Wahrheit in sich. Das Sterben ist allerdings ein viel zu ernster Aktus, um so leichtsinnig vor die Augen der Zuschauer heraufbeschworen zu werden. Doch just, weil es ein ernster Aktus ist, gehört seine Anschauung, wo es nehmlich die Muse gebietet und nicht etwa die Effekthascherei damit gaukeln will, in die Tragödie streng' unerlaßlich herein – wie ja in's diesseitige Leben überhaupt.


3 Anm. Ein Landgut des Besungenen.


4 Anm. Die inn're Richtigkeit des Fündleins wird durch eine gelehrte Bescheinigung verbürgt, wo ein Gymnasiums-Direktor bei dem Bericht über den zerstörenden Brand seines Schulgebäudes folgenden Satz niederschrieb und abdrucken ließ: »Ich, um das Ganze desto besser zu übersehen, blieb gänzlich unthätig, worin der Herr Collaborator B. mich auf das kräftigste unterstützte, während mein Schwager, der Conrektor W. in den obern Zimmern das Nehmliche that.« – Relata refero. Aber ich weiß es aus Munde des damal gepriesenen Collaborators selbst.


5 Anm. Diesmal zitire ich sogar die Franzosen, aber freilich die Altfranzosen: »Apprendre par coeur.«


6 Anm. Seltsam prophetischer Spaß wider den damal republikanischen General. Und wie sehr hat's der Erfolg noch überflügelt! –


7 Anm. S. die zarte Schilderung solcher Tage in des Großen Friedrich »Art de la Guerre.«


8 Anm. Jenes Regiment garnisonirte in Friedenszeit zu Bielefeld, und seine Kantonnisten bestanden aus wackern Westfahlen; seine Offiziere bildeten eine eben so muthig rasche, als fein und edel gebildete Rittergenossenschaft.


9 Anm. Das Regiment Weimar hatte schon früher seit dem Holländischen Kriege die Benennung: »Patriot«, womit sich die dortigen Rebellen sehr ungeziemend schmückten, als etwas Verwerfliches zu brauchen, wie damal auch die treugebliebnen Holländer, in der Gewohnheit. Wir sahen es schon vorhin in einem Liedesfragment.


10 Anm. Zu Deutsch etwa:

»Gestern wurden die Feinde, sich wider einen rüstigen Angriff unsrer Seits vertheidigend, völlig zurückgeworfen. Man hat den Couci todt auf dem Schlachtfelde gefunden. Ich weiß: Du liebtest ihn, meine Schwerer. Aber freue Dich, Bürgerin. Er war ein Freiheitsfeind.«

»Der Bürger Robert Montmorency.«


11 Anm. Zu Deutsch etwa: »Lasßt mich, Ihr seid Franzos! Ihr seid Emigrant. Ihr habt Euer Vaterland verrathen.«


12 Anm. In einem in druck-bereit liegenden Roman: »Abfall und Buße, oder die Seelenspiegel,« habe ich das mich sehr tragisch ergreifende Bild einer solchen Lebenswendung ausgemalt.


13 Anm. Von Oertzen hieß er, und starb als Major a.D. vor mehren Jahren in der Mecklenburg'schen Stadt Güstrow.


14 Anm. Siehe: Shakespear's jungen Osrik im Hamlet.


15 Anm. S. Taschenbuch der Sagen und Legenden von Amalie von Helwig und L.M. Fouqué, auch des Letztern gesammelte Gedichte.


16 Anm. Ein überaus liebliches Idyll Amaliens schilderte Mädchen am Brunnen in der Wartburgs-Nähe, sich mit frommen Sagen von der heiligen Fürstin wechselseitig erlabend. Die vielbegabte Künstlerin hatte es in ein altväterlich gemahltes Büchlein zierlich eingeschrieben zur Gabe für ihre sinnig erhabne Herrin, die damal regierende Herzogin Luise von Sachsen-Weimar. Gedruckt erschien die Dichtung nach vielen Jahren auch in dem Taschenbuch der Sagen und Legenden, herausgegeben durch Amalie von Helvig, geb. von Imhof, und L.M. Fouqué.


17 Anm. Eschenburg in seiner Shakspears-Uebersetzung nennt ihn so – ich weiß nicht warum – statt des in der Urschrift befindlichen Namens: Droll, den auch A.W. Schlegel wiederum hergestellt hat. Ich aber hatte damals noch nicht aus der Quelle getrunken.


18 Anm. Daß der Meister in seiner liebenswürdigen Selbstkritik sich eben nicht allzuscharf getadelt habe, giebt gleich der Beginn jener sonst so grandiosen Tragödie kund. Pater Domingo eröffnet sie mit den Worten:


»Die schönen Tage in Aranjuez

Sind nun vorüber. Eure Königliche Hoheit

Verlassen es nicht heiterer. Wir sind

Vergebens hier gewesen.«


Schreiben wir es einmal ohne Versabsätze hin, und zwar mit Gedankenstrichen, wo der Schauspieler nothwendig pausiren muß, um das vergebliche Bemühen des Beichtvaters anzudeuten, der den Prinzen gern in's Gespräch bringen mögte:

»Die schönen Tage in Aranjuez sind nun vorüber. – Eure Königliche Hoheit verlassen es nicht heiterer. – Wir sind vergebens hier gewesen.«

Der kann dabei an irgend ein bestimmtes Metrum denken? – Und doch bilden diese Zeilen einen Typus der gesammten metrischen Behandlung.


19 Anm. Zur Beurtheilung für den Spanisch lesenden Leser mögen jene ersten Vier Zeilen mit ihrer vom Kritiker gerügten Berdeutschung hier stehen:


»Esa dificil y pesada carga,

Que el senado Romano me ha entregado,

Tanto me pesa, me aprieta y carga,

Que ya sale de quicio mi cuidado.«


»Dies schwierige Geschäft voll wicht'ger Lasten,

Vom Römischen Senat mir aufgegeben,

Läßt nimmer ab, so hart mich zu belasten,

Daß schon die Sorgen ihrem Bord' entstreben.«


»Un cuidado que sale de quicio« – wörtlich: »Eine Soge, die aus der Angel fährt,« auf eine Thür anspielend, könnte wohl nicht unpassend durch Hindeutung auf Wellen, die »ihrem Bord' entstreben«, wiedergegeben werden, wenn man auf Deutsch überhaupt verständlich werden wollte.


20 Anm. Damals noch Hofprediger.


21 Anm. Variante:

»Wer zu ihr aus der Schlacht Begeistrungs-Schrecken« u.s.w.


22 Anm. jetzt Galerie-Direktor in Frankfurt am Main, leuchtend im Kreise unsrer trefflichsten Maler.


23 Anm. Als wir Brandenburger just angetreten waren, um in gottesdienstlichem Dank die Siege von Kulm, Großbeeren und an der Katzbach zu feiern, kam unser eben so tapfrer als milder Brigade-Chef, General von Röder, langsam herangeritten. Vor den abgesessenen Jägern stehend, sah ich auf seinen edlen Zügen einen tiefen Ernst, und meinte schon, es sei irgend eine nachtheilige Botschaft in die Freude gefallen. Er winkte mich zu sich heran, und sprach feierlich: »Ein neuer Sieg. Der Feind ist bei Dennewitz durch General Bülow gänzlich geschlagen. Sie können's den Jägern in voller Gewißheit mittheilen.« – Ich stand, wie erstarrt, sprechend: »Herr Gott, daß ist ja fast zu viel der Gnaden!« – »So ist mir's auch zu Muth!« sagte der General.

Da entstanden in mir die Schlußzeilen jenes oberwähnten Siegsgesanges:


»Könnt fassen Ihr den reichen Seegen

Von nah und fern?

Bist Du nicht fast davor erlegen,

Du Volk des Herrn?


Vor Dem durchbebt Dich heil'ges Zittern,

Der kann und will.

Knie nieder unter Fruchtgewittern,

Und bete still.«


24 Anm. Jetzt General-Lieutenant und Kommandant von Berlin.


25 Anm. Die beiden jetzt verklärten Kunstgeister Zelter und Fürst Anton Radziwill erklärten bei einer Concertaufführung die Composition für ein Meisterwerk.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Lebensgeschichte des Baron Friedrich de la Motte Fouqué. Halle 1840.
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