[Rezension von Jean Paul]

[2] Heidelbergische Jahrbücher der Literatur. Zweiter Jahrgang, Zehntes Heft S. 52. Sigurd der Schlangentödter. Ein Heldenspiel in sechs Abentheuren, von Friedrich Baron de la Motte Fouqué. Berlin, 1808.


Es ist der Verfasser Alwins (unmittelbar vorher nämlich spricht der Rec. von diesem noch unter dem Dichternamen des Autors, Pellegrin, erschienenen Romane) zufolge seiner schönen Zueignung an Fichte:


Jetzt, da mein Lied zum ernsten Schlusse kam,

Und ich vor dich hintrete, dir's zu bringen.

Fällt von den Schultern mir das Pilgerkleid,

Das reich an vieler Muscheln farb'ger Zier

Verliehn mir ward von theurer Meisterhand,

Als ich zuerst hervorschritt zum Gesang,

Und drin ich, ein wegfroher Pellegrin,

Verschiedne Lieder vor der Welt begann.

Du kanntest mich im bunt phantast'schen Mantel,

Nun jenes heitern Spieles sey genug,

Ernst zeig' ich mich vor dir, als der ich bin,

Auch mit dem Namen, dem ausländ'schen zwar,

Jedoch der sich ein Bürgerrecht errang

Im deutschen Volk seit dreyen Menschenleben

Durch treuen Sinn und ehrbarn Kriegesmuth.
[2]

Selten wird ein Rec. so schön überrascht; über alle glänzenden Aurorens-Wolken Alwins ragt Sigurds Schreckhorn hell hinaus ins Blaue. Die nordische große Dichtung ist bekannt, wie Sigurd, König von Niederland, den in Drachengestalt sein Gold bewachenden Faffner tödtet; wie er in die von Flammen bewachte Burg der Brynhildis eindringt und dadurch diese Titanide zur Braut erobert; wie die Weissagung ihm zwei Bräute und kurzes Leben verkündigt; wie ihn ein Zaubertrank der Königin Grimhildis die beschworne Liebe zu vergessen zwingt, und er sich mit deren Tochter Gudruna vermählt; wie die Königin ihrem Sohne Gunnar die Brynhildis zur Braut erkiest, und dieser sie, da er selber nicht in die Flammenburg zu dringen vermag, von dem seine Gestalt annehmenden Sigurd für sich erobern läßt; wie später endlich der verrauchte Zaubertrank dem edlen treuen Sigurd wieder Erinnerung der ersten Braut verstattet, und er in der Liebe seiner Gattin die für Gunnar unternommene Verwandelung[3] ausplaudert, und diese sie im Zanke wieder der Brynhildis; wie Brynhildis den Mord des schlafenden Sigurds durch den dritten Bruder Gunnars erstürmt, und wie wieder Mörder und Mörderinnen fallen, und sich das ganze Haus der Niflungen gegen den Abgrund senkt.

Der griechischen Mythologie steht, wenigstens in romantischer Erhabenheit, weit näher als die indische, die nordische, ein Reich voll Eispalläste, Eisseen, Eisberge; ihr Menschengeschlecht ein Eichenwald im Sturm. – Und unser Verf. war es werth, daß er in diesem Walde seine Siegeszeichen aufhing.

Obgleich nichts schwerer zu malen ist, wenn man nicht Homer und Shakespear ist, als Tapferkeit; denn ein Paar tausend Erlegte oder Keckwörter reichen kaum die Schatten und Farbenkörner zum Gemälde: so hat doch der Verf. im Sigurd einen der größten, edelsten, liebenswürdigsten Helden aufgestellt; schon im Vorspiel, gleichsam in der Vorhalle, erscheint er unter einem Siegesbogen. Seine[4] Treue, Milde, Liebe, sein gerechter Sinn mit seiner freien Tapferkeit, seine Lebenslustigkeit und Frische bei der Aussicht des abgekürzten Lebens (gleich dem Achilles) schlingen einen Bund, der ihn auch zum Helden jedes Leseherzens erhebt. Der erste Abschied von der noch geliebten und gekannten Brynhildis schlägt durch seine und ihre Ahnung und Weissagung und durch die einfachen einsylbigen Herzenslaute, gleichsam nur vernommene Schläge des Herzens an jeden an, der eines hat. Wozu aber kraftloses Zuwinken, wenn doch die Rezension das Buch nicht nachdrucken darf? Kurz die vier ersten Abentheuer zeigen und bringen uns aus dem Norden das schönste Elfenbein, welches er seit Langem geliefert. Der großherzige Verf. will laut der Zueignung mit diesen erhabenen deutschen Resten beseelen und befeuern; und in der That kleidet er die Elephantengerippe der Götterlehre aus Norden in lebendiges Fleisch, und die Kolossen schreiten und blicken.

Nur das fünfte und sechste Abentheuer,[5] um doch auch nach den Mondsflecken Alwins einige Sonnenflecken Sigurds zu entdecken, dehnt sich zu einem ungestalten Wehe aus. Die Verzweiflung, der Wahnsinn dürfen nur vorüberfliehen, und diese Furienmasken mauere keiner uns in das Herz als Verzierungen eines Schauspielhauses hinein; ihre Flucht ist ihre Stärke, und ihr Feststehen Versiegen.

Schicke uns Frankreich nur mehrere solche Franzosen zu, wie Fouqué und Villers; jeder solcher soll uns so lieb seyn, wenn nicht lieber, als ein ganzes Regiment Gemeiner, und soll noch herzlicher empfangen werden, als hätt' er blutiger gesiegt.

Wer viele Lorbeerzweige auf seinem Kopfe trägt, der nehme einige davon und flechte eine Siegeskrone für den Fremden, aus welchem dieses rein-deutsche Gedicht entsprungen ist.

Jean Paul Friedrich Richter.

Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 2-6.
Lizenz:
Kategorien: