An Fichte.

[6] Aus deutschen Wäldern mahnend stieg der Klang

Uralten Heldenliedes, halb verweht,

Ja, meist geahnt nur mit der Schatten Säuseln,

Der Wiese Duften zu den Enkeln auf,

Anschwellend in manch' liebevoller Brust

Verwandte Regung, Sehnen nach den Thaten,

Den Liedern auch der alt ehrbaren Zeit.

Ach, hättet ihr die edlen Väter drum,

Und nur die Väter ganz allein befragt,

Uns würde längst, statt frühen Morgenroth's,

Des Tages warmer Sonnenschein umleuchten,

Rings um uns ragen ein gewalt'ges Volk,

Die alten Helden unsres Norderland's. –

Ihr wolltet's anders, Fremde fragtet ihr,

Und schuft euch ein verkrüppeltes Gebild

Ausländ'scher Sitte, fremder Tauglichkeit,

D'rin sie, in ihren alten ehrnen Waffen,

Mit ihrer Feste freudehellen Bechern,

Mit ihrer Liebeslust kühn blüh'nden Kränzen, –

D'rin sie, die Väter, sollten auferstehn.

Sie zürnten, wandten abwärts tiefer noch[7]

In die langschlummernde Vergangenheit

Den kecken Blick vor solchen fremden Worten,

Daß selten euch von dort ein Strahl erstieg.


Nun ist verschwunden jener Zweifel Wahn,

Verschwunden vor den Bessern, Liebenden;

Wie sich auch Dumpfheit sperrt und Leerheit wundert.

Denn viele starke Jünger, Bergmannskühn;

Sie drangen froh den lieben Vätern nach

In den verrufnen, vielgescheuten Fels,

Und von den alten, treuen Geistern unten

Mit elterlicher Traulichkeit begrüßt,

Erforschten sie manch' edlen Schatzes Kammer,

Und brachten schön geläutert Gold herauf;

Vor Allem das vom Nibelungenhort,

Drob, ein geweihter Schatzesgräber, noch

Mit starker Wünschelruth' ein Hagen kämpft,

Verbessernd so des grimmen Hagne Schuld.

Viel schon gewann er, wird noch mehr gewinnen.

Daß, die noch Kinder sind in dieser Zeit,

Dereinst aufwachsen mit der theuern Lehre

Von Siegfrieds Thaten, von Chriemhildens Treu'.


Weit leuchtend flog des tapfern Siegfrieds Klinge

Von Land zu Land, so daß die Mähr' von ihm

In unterschieden Lichtern blickt und lockt,

Nachdem sie Rheins gewalt'ger Heldenstrom,[8]

Nachdem sie neubesä'tes Ackerland,

Nachdem sie Fels rückstrahlt' und Nordland's Berge.

Ein ernst gediegnes Wort, an Warnung reich,

Ward sie im frommen Nibelungen Lied;

Ein kecker Scherz, doch innig liebevoll,

Im hörner'n Seifried, wie das Volk ihn kennt;

Ein Nordlicht, räthelhaft, hoch, deutsam, fern

Strahlt sie durch Nächte des Norweg'schen Himmels.

So fand sie der, der dies Gedicht begann,

Und von dem mächt'gen Zauberstrahl durchblitzt,

Sang er der Sage Runenworte nach.

Fremd klingt die Weise manchmal. Das Gesetz

Des Buchstab's und der Sylbe, wechselnd oft,

In kühner Freiheit ganz verhallend fast,

Dann wieder sich verschränkend kunstgemäß –

Fremd ward's den Ohren dieser heut'gen Welt,

Und auch der Dichter strauchelte vielleicht,

In neuheraufbeschwornen Liedes Wendung.

Der Elfenton altnord'scher Lieb' und Kunst

Weht durch den Sinn ihm. Zürnt dem Enkel nicht

Ihr alten Sänger, wo er zögernd bang,

Zu fest vielleicht am strengen Maaß beharrt.

Und wo vielleicht zu keck er's überschritt! –

Doch hat undeutsch, flach, krankhaft, lebenslos

Sich eingeschlichen was aus neu'rer Zeit,

Deß zürnt, und blitzt es fort mit zorn'gen Blicken,[9]

Eu'r Lied euch rein'gend in der Prüfungsgluth. –

Ja, euer Lied, sprach ich. Denn viel der Kraft

Aus großen Tagen brach durch die Verwallung

Der späten Ohnmacht, daß die Reden noch

Brynhild's, Gudrunen's, Sigurd's wiederklingen

Von Wort zu Wort in ein andächt'ges Ohr.

Ich spähte nach, und fand den alten Laut,

Trag' unverändert euch entgegen ihn,

Wo er vernehmlich klang. Empfangt die Gabe

Mit deutschem Sinn, froh, arglos, ernst, getreu.


Du aber, dessen Name diesen Spruch

Ziert, und beschirmt vor schwach' und falschen Augen –

(Denn solche leuchtest du hinweg von dir

In ihres Traum's gewohnte, trübe Nacht)

Wem böt' ich lieber das Gedicht, als dem,

Der in der tapfern Brust die goldne Zeit,

Die fernersehnte Deutschland's, wahrt und reift,

Und gern die Wurzel schaut des edlen Baum's,

Deß Frucht er mit gewalt'ger Rede treibt.

Du wußtest mein Beginnen, gönntest mir

Die Lust und Ehre dir's zu weih'n. Hab' Dank.


Oft wenn ich um den mitternächt'gen Kreis

Heraufbeschwor die riesigen Gebilde

Brach in altkräft'ger Pracht der hohe Zug[10]

Mir das Vertrau'n auf meine jüng're Kunst.

Und zagend stand der Zauberlehrling da,

Kaum hoffend zu erleben des Geschäft's,

Des ernsten, fei'rlichlastenden, Vollendung.

Dann rief ich dich an, schauend in das Buch

Das du belebend aufschloß'st deutscher Kraft,

Und meine Kraft auch hob zum kühnen Fliegen

Mich durch den Nordisch heitern Himmel bald,

Bald durch der Berge Wetterwolk' hoch hin,

Und froh' durft' ich in's edle Antlitz schau'n

Den Herr'n aus der großmächt'gen Heldenzeit.


Jetzt, da mein Lied zum ernsten Schluße kam

Und ich vor dich hintrete, dir's zu bringen,

Fällt von den Schultern mir das Pilgerkleid

Das, reich an vieler Muscheln farb'ger Zier,

Verliehn wir ward von theurer Meisterhand,

Als ich zuerst hervor schritt zum Gesang,

Und drin ich, ein wegfroher Pellegrin,

Verschiedne Lieder vor der Welt begann.

Du kanntest mich im bunt phantast'schen Mantel,

Nun jenes heitern Spieles sei genug.

Ernst zeig' ich mich vor dir, als der ich bin,

Auch mit dem Namen, dem ausländ'schen zwar,

Jedoch, der sich ein Bürgerrecht errang

Im deutschen Volk seit dreier Menschen Leben

Durch treuen Sinn und ehrbar'n Kriegesmuth.[11]

So faß' ich männlich dir die feste Hand.

In deren Druck sich Treu' und Kraft verkünden.


Der Dichter hat gesprochen, und zurück

Begiebt er sich, den Bildern Raum zu lassen,

Den Gästen aus der alten, großen Welt.

Wer solches liebt, und gern daran den Sinn

Ergötzen mag, der leih' uns Aug' und Ohr.[12]

Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 6-13.
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