Erste Abentheure.

[36] Wüste Gegend auf Gnitnaheide.

Sigurd und Reigen treten auf.


REIGEN.

Dorthin! Links! Wo des dunkeln Wassers Fluth

Heranschleicht durch den Moor.

SIGURD.

Noch nicht am Ziel?

REIGEN.

Ganz nah.

SIGURD.

So sprichst du schon seit einer Stunde,

Doch immer weiter geht's durch Heidekraut,

Und wiß' nur, mir mishagt der öde Pfad.

Ist ja, als ständ' man hier an der Welt Ende.

Die Wolken selbst schau'n wie in Mattigkeit,

Unwillig, schwer herab auf solch' ein Land.[36]

REIGEN.

Siehst du, mein junger Held den Hügel dort,

Mit dorn'gem Busch umwachsen?

SIGURD.

Ja.

REIGEN.

Dort wohnt er,

Des Goldes Hüter, aller Menschen Feind,

Faffner, der böse Schlangenwurm.

SIGURD.

Wohl gut.

So geh' ich gleich hinein und schlag' ihn todt.

REIGEN.

Nicht also schnell. Er ist ein Zaubrer.

SIGURD.

Was?

Der Drach' ein Zaubrer? Faselst du vor Furcht?

REIGEN.

Ich auf der ganzen Welt kenn' ihn am besten.

Ein Zaubrer ist er. Sein geraubtes Gold

Zu hüten, unzugänglich mir und All'n,

Hat er sich in den furchtbar'n Drachenleib

Geschmiegt, wacht ob den reichen Schätzen nun

Inmitten dieser öden Haide still.[37]

SIGURD.

Das ist mir gar ein seltsamer Gesell.

Was hat er denn für Lust hier?

REIGEN.

Ei, das Gold.

SIGURD.

Und weiter nichts?

REIGEN.

Das wahrt er Tag und Nacht.

Nur (eben wird die Stunde nahe sein,)

Mit jedem Abendroth kreucht er zum Wasser,

Dort in den Moor hinab, doch stets den Blick

Nach seinem theuren Gut zurück gewandt,

Es auch noch fernher hütend.

SIGURD.

Fort mit ihm

Ein solch unfürstlich eingeschrumpfter Sinn

Hat nie ein Recht an's schöne blanke Gold

Wir woll'n es ihm kund geben, gleich.

REIGEN.

Halt an!

Geduld allein besteht dies Unterfangen.

SIGURD.

Da hätt'st du mich zu Hause lassen soll'n.

Von solcher Waare führst du selber mehr,

Als ich. – Geduld! – Die taugt für kranke Weiber.[38]

REIGEN.

Oft auch für schlachtumdroh'te Feldherrn wohl.

SIGURD.

Das ist ein Andres. Hast in Lingo's Krieg

Du je von mir ein Tollmannsstück gesehn?

In Mitten meines Landes fand ich ihn

Das er sich wie sein eignes angemaßt,

Und besser kannt' als ich – der Räuber hauste

Seit langer Zeit ja drinnen – mied ich nicht

All' seine list'gen Schlingen? Fand's nicht aus,

Wo eine Hehlschaar lag in Busch, in Thal?

Mußt' er trotz aller Schlauheit nicht zuletzt

Vor dieser blanken Schneide Richterblitz?

Da traf ich ihn, und mein ward Niederland.

REIGEN.

Nun denn, so zeig' auch jetzt dich so bedacht.

SIGURD.

Dort war es anders, – unter Waffenbrüdern,

Des Heerbanns helles Rufen um mich her,

Das Land in blühender Gestaltung rings –

Und hier der dürre Tod auf öder Haide,

Zur Seite mir dein mürrisch Angesicht. –

Doch muß auch dieser einsam dunkle Kampf

Gestritten seyn, ehr's an die besten kommt,

Dieweil dem Golde, wie man allwärts hört,

Ein frohes Leben rasch entwachsen soll.[39]

Ja, auch von holder Frauen Angesicht,

Heißt es, gewinnt man damit heitre Blicke,

Was doch das Allerschönst' auf Erden ist!

Drum schnell das Gold gewonnen und hinaus!

REIGEN beiseite.

Nein! Schnell das Gold gewonnen und hinab!

So lautet es für dich, mein armer Bursch.

Als Meister, brech' ich nach der That mein Werkzeug,

SIGURD.

Du! Murmle nicht. Das macht mich gar verdrüßlich.

Sag' lieber an, wie soll die That geschehn?

Mich dünkt, wir bleiben nicht mehr lang beisammen.

REIGEN.

Kann sein. – Dort wo der Weg sich Thalwärts senkt,

Zum Moor hinab, in jener dunkeln Grube,

Verbirgst du dich. Kreucht Faffner dann vorbei,

Risch ihm das gute Schwerdt in' Leib gebohrt.

SIGURD.

Das ist ein Treiben, so mir schlecht gefällt.

Ja, war mir's schon im Herzensgrund zuwider,

Als du mich Granen, mein getreues Roß

Anbinden hieß'st an jenen trocknen Stamm,

Und wir zu Fuß her gingen. Glaub' mir's nur,

Zu Pferd ist adlich kecker Fürsten Sitz,

Auch führen also sie das Beste aus.[40]

REIGEN.

Hier geht's doch nicht auf solche Art.

SIGURD.

Warum nicht?

Du sollst nur schau'n: ich Sigurd, und mein Schwerdt

Gramur, und mein vieltreuer Schlachtgaul Grane,

Wir drei sind mit dem Faffner bald zu Rand.

REIGEN.

Ich dacht's wohl; deine Tollheit bringt uns um.

SIGURD.

Mein Freund, es mag gar hartes Kämpfen sein

Das mir bevorsteht. Doch ich will hinan.

Hier Siegmud's starker Sohn! Hier Wolsung's Enkel!

REIGEN.

Und schreit, als blies er durch ein Wisentshorn!

SIGURD.

Solch' kräft'ger Schlachtruf ist des Helden Zier.

REIGEN.

Nur nicht, wo man den Feind beschleichen will.

Weh' mir! Schon regt sich's oben im Gebüsch,

Aus alten Mauertrümmern dröhnt's herauf –

Er kommt – wir sind verlohren!


Entflieht.


SIGURD.

Wohin denn? – Ei, da ist kein Halten mehr.

Ich wollt' ihn ja zum Helfer wahrlich nicht,[41]

Doch einen Zeugen hätt' ich gern behalten.

Es ist hier gar zu einsam – Wenn der Faffner

Nun herkreucht in der bösen Wurmgestalt,

Steht man dem Häßlichen, dem Giftgeschwollnen

So gegenüber ganz allein – 's taugt nicht.

Doch unternommen, will's bestanden sein.


Ein Greis steht plötzlich vor ihm.


SIGURD.

Nun? Was soll das? Woher du alter Herr?

Bist nicht an deinem Platz auf dieser Stelle.

Da oben wohnt der böse Lindwurm –

GREIS.

Gut.

Weiß schon. Doch jeder such' nur seinen Platz,

Vor Allem solch' ein junges Blut wie du.

SIGURD.

Ich steh' hier recht. Du aber kennst mich nicht.

Sigurd bin ich, des tapfern Siegmunds Sohn.

GREIS.

Doch stehst hier falsch. Du aber kennst mich nicht.

SIGURD.

Wo wäre sonst mein Stand denn? Und wer bist du?

GREIS.

Birg dich in jene Grube. Thu' es bald.

Diesmal rieth Reigen gut. Hinein! Ich will's.[42]

SIGURD.

Ha! Wer gebeut mir so? Ich hör' wohl falsch.

GREIS.

Hörst recht. – Ich saß am Eimbrischen Gestad'

Auf schroffer Meeresklippe, labte mich

Am Wolkenliede des gewalt'gen Sturm's

Da flogen Seegel über's Wasser her;

Legt an! Legt an! schrie's bange Schiffsgesind,

Jedoch ihr Herr, ein junger Degen, rief:

Spannt höher, höher mir die Seegel auf!

Mich freut der Sturm in seiner lust'gen Kraft,

Wie er nach König Lingo's Land uns jagt.

SIGURD.

Das war ja ich, vom dem du da erzählst.

GREIS.

Ich tief den Schiffern zu. Man nahm mich ein;

Da legte sich des Sturm's zu wilder Hauch.

Man sprach: wie heißt du? Ich entgegnete;

Zu Wolsung's Zeiten Fiolnir, der Vielwisser.

Auch Nikar, der sich oft Verwandelnde.

SIGURD.

Dann warst du fort, man wußte nicht wohin –

Die Schiffer meinten, Odin sei erschienen.

GREIS.

Zur Grube dort. 'S ist Zeit. Ich will's also.


Verschwindet.
[43]

SIGURD.

Warst du es, Götterahnherr? Welch ein Nebel

Lag ob den Sinnen mir, bis eben erst,

Wo du im bunten, leuchtenden Gewand,

Groß, Blitze sprühend aus dem Einen Aug',

Vor mir emporstiegst und verschwandst zugleich.

Ich kenne dich, du an der see'gen Fluth

Von Busiltiorn, du an der Cimbernküste

Mein helfender Gefährt. – Was du gebeutst,

Kann nie den Ruhm des Wolsungsenkels schmähn.


Er steigt in die Grube.


Schau, schau! Es wälzt der Drache sich heran.

Ein ungeheures Schlangenthier! Ei Faffner,

Wie nur, daß du der menschlichen Gestalt,

Der schönen, heitern, herzerfreuenden,

Entsagen konntest zu so argem Tausch!

Wohl ist es gut gethan, solch häßlich Bildniß,

Hinwegzuschneiden aus der lust'gen Welt,

Still nun. Er ist ganz nah'.

FAFFNER in Drachengestalt hervorschleichend.

Dunkel drückt das Gewölk sich,

Grau droht die Gegend rings.

'S ist an der Zeit jetzt,

Zu baden behaglich im Bach,

Heiß, ho! heiß war's am Tage,[44]

Schien hart auf die Schuppen her.

Doch wollt' ich nicht weg,

Wollte nicht weichen vom werthen Gold.

Nun wohl wird niemand kommen.

Nacht hält jeden fernab,

Weckt zwiefach Grausen vor Faffners Zorn,

Vor gespenstischen Feuern der Haide.

Macht auch ein Menschlein sich nah',

Merkt' ich's, mich rückwärts umkräuselnd,

Hascht' ihn im Hui, hascht' ihn,

Schläng hastig den Feind hinein.

So viel es der Söhne giebt

Sämtlicher Männer und Mütter,

Soviel im Alfenvolk wohnen,

Frevelnden Zaubers stark.

Alle lieben sie lichtes Gold,

Möchten heben den leuchtenden Hort.

Faffner wacht drauf und schläft drauf,

Zeigt den wetzenden Zahn.

SIGURD hervorspringend.

Die Seite zeigt er, und für Sigurd's Schwerdt.


Er durchbohrt ihn.


FAFFNER.

Hei! Hei! Mordliche Macht!

Hei! Wie gewaltig!

Bohrt, bohrt mir zwischen die Schuppen[45]

Bricht, bricht durch ihr Band.

Herz, hoch sträubt sich's,

Schaudert vor'm Stahl –

Riesenfaust, Rächerfaust!

Wunde, wie tief!


Stürzt den Abhang hinunter.


SIGURD.

Pfui! wie der häßliche Gesell sich windet!

Es ist ein Grau'n zu sehn. – Was geht's mich an?

Er hat die Todeswund', und ich das Gold.

Auf jenem Hügel liegt es zweifelsohn'.


Er zerhaut die Gebüsche. Es zeigt sich ein altes Gemäuer.


Aus dem Weg' Gestein!


Die Mauer fällt nach einigen Hieben. Man sieht den Schatz in der Tiefe.


Wie hell und freudig mir's entgegenlacht:

Das nenn' ich einen heitern Kampfespreis.

Ich will die schönen Sachen näher ansehn.


Er will hinzugehen. Reigen verläuft ihm, plötzlich herzuspringend, den Weg.


SIGURD.

So? Kommst du nun? Jetzt bist du übrig. Laß' mich.

Sieh' nach dem Lindwurm. Unten liegt er todt.

REIGEN.

Ho, damit ist's nicht abgethan, mein Held.

Du schlugst ihn todt, mußt seinen Tod mir sühnen.[46]

SIGURD.

Ich glaub' du bist verrückt. Pack' dich von hinnen.

Es ist abscheulich, hier in weiter Öde

Dich Tollen anzuschaun, und reitzte wohl

Auch den gesunden Muth zu rauher That.

Fort.

REIGEN.

Sühn' mir erst den Bruder. 'S war mein Bruder,

Den du erschlugst.

SIGURD.

Ich weiß ja, du bist toll,

Und möcht' nicht gern dir was zu Leide thun.

Drum zieh'! Mach' daß du fortkommst.

REIGEN.

Schöne Sitte

Für große Herrn! Man trieft von unserm Blut,

Wir heischen Recht – dann sind wir toll, ganz toll –

Fürwahr, recht edle Sitte!

SIGURD.

Still, du Läst'rer.

Von Wolsung's Stamm pflückt Jeder edle Frucht.

Klag über mich, Genugthun will ich dir,

So reichlich, daß die kühnste Schmähung still wird.

Tritt, Kläger, auf! Dein Richter ist zur Hand.

REIGEN.

Der Sigurd schlug mir meinen Bruder todt.[47]

SIGURD.

Ein Lindwurm war dein Bruder?

REIGEN.

Faffner hieß er,

War ein gewalt'ger Held, und Zauber's reich,

Der sich in Drachenbildung eingehüllt.

Und Sigurd wußte wohl, es war ein Mensch.

Ich hab's ihm selber vor der That erzählt.

SIGURD.

Doch triebst mich selber an zu solcher That.

REIGEN.

Blutrache bleibt ein unerläßliches,

Geheiligtes Geschäft. Ich will sie haben.

Du Mörder meines Bruders, leiste sie.

SIGURD.

Wohlan, hier steh' ich. Zweikampf löscht die Schmach.

REIGEN.

Ich hab' nicht Lust, den Staub in Todesnoth

Zu beissen. Du bezwängst mich alsobald,

Bist stärker viel als ich. Ich will nicht fechten.

SIGURD.

Was willst du sonst?

REIGEN.

Des Faffners Gold für mich.[48]

SIGURD.

Da wird nichts draus Gesell. Mit meinem Schwerdt

Hab' ich's gewonnen.

REIGEN.

'S ist doch meine Erbschaft.

Den Vater schlugen ich und Faffner todt

Um's Goldes willen. Dann trieb Faffner mich

Von Gnitnaheide fort, lag als ein Drache

Grimm über'm Gold, – nun ist er todt, ich Erbe.

SIGURD.

Hör' an, mir scheint dein Recht nicht eben klar.

Wenn Euern Vater ihr um's Gold erschlugt,

Ziemt beiden nicht die Erbschaft. – Doch das sei,

Wie's eben will, der Schatz bleibt immer mein,

Dieweil ich ihn durchaus behalten will;

Denk' etwas anders für die Sühne aus

Um deines Bruders Tod, so will ich's leisten.

REIGEN.

Gut. Noch ein andres kommt mir in den Sinn.

Dort unten wo der todte Drache liegt.

Entzünd' ein Feuer, röst' ihn mir dabei,

Und bring' mir sein gebratnes Herz herauf.

SIGURD.

Ein grauenvoll Geschäft?

REIGEN.

Ja, liebes Fürstlein,[49]

Dir scheint Jedwedes, das man fordert, schwer;

Da wirst du nicht weit kommen in der Welt.

SIGURD.

Nun, frecher Höhner, gält's in Hela's Haus

Den Brand zu schüren, thät' ich's lieber doch,

Als länger Ziel sein deines gift'gen Spottes.

Ich geh' zum Drachen, bring' dir bald sein Herz.


Geht ab.


REIGEN ihm nachsehend.

Ja, thu' so wohl! – Nun ist es mit ihm aus.

Des Drachenblutes trank ich schon, die Speise

Des Drachenherzens giebt mir Vollgewalt

Ob aller Zauberkunst, die Faffners war,

Und, Sigurd, Gnitnaheide wird dein Grab.

Dann zieh' ich mit dem reichen Schatz hinaus,

In einen schönen Jüngling umgestaltet,

Gewinne mir der Fürstentöchter Preis

Zur Gattin. – Eine giebt's, die wohnt in Mitten

Von einem Flammenzaun auf Hindarfiall,

Ein wunderschönes Bild, in Schlachten siegreich –

Die Sterne lasen sie für Sigurd aus –

Die nehm' ich mir. Hei, welch ein Hochzeitfest!


Schon verständlich

Sagt mit Stimmen

Baum und Berg und Bach[50]

Neues und nie erhörtes zu mir;

Ist des Trankes Kraft,

Des zauberischen Blutes Bann.


Schlaf umschließt mich,

Traum umtönt mich,

Will mich leicht und lachend lehren,

Was die Weisen wissen,

Künste mit Klippen und Wolken,

Listen mit Wellen und Flammen.


Fleuch' in dem Flakkern

Taumelnder Träume,

Bild des milden Mägdleins,

Fleuch in Gesichten

Labend und lieb'voll

Mir durch den Muth.


Woll'n uns kosen und küssen;

Reigen wird reizend auch,

Huldreich, hellstrahlend gleich dir. –

Wenn er aufwacht vom Zauberschlaf,

Zehrend am Herzen des Lindwurms,

Zehrt sein Liebreiz am Herzen dir.


Sprüche lern' ich sprechen,

Worte lern' ich wenden,[51]

Walten über Dunkel und Licht.

Und in der Hand

Des Goldes Glanz, des Faffnergoldes, –

Wer widersteht mir?


Er entschläft.


SIGURD auftretend.

Was ist mir denn begegnet? Bin ich Sigurd?

Ich kenne mich nicht mehr, dieweil ringsum

Der Vögel Zwitschern in verständ'gen Reden

Mir kenntlich wird, als sei ich ihres Gleichen;

Und doch bin ich derselbe nach wie vor.


Zwei Schwalben fliegen um ihn her.


Hier blitzt Gramur, mein Schwerdt, dort stampft mein Roß,

In meinen Adern wallt gewohnte Kraft. –

Ja, aber hier ist auch das Schwalbenpaar,

Vor Allen recht vernehmlich zu mir singend

Ein wunderliches Lied. Es handelte

Von mir. Kaum nur, daß ich des Drachenfettes,

So aus der Gluth auf meine Hand mir troff,

Von ungefähr an Mund gebracht, so klang

Mir deutlich Wort aus jenen kleinen Schnäbeln.

Sie warnten mich vor Reigen, wie mich's dünkt,

Und sicher, wer vor Reigen warnt, spricht wahr.

Zudem, wie hätten doch schuldlose Vöglein

Gewinnst davon, mir Arges vorzulügen?[52]

Nein, da mir wundersam die Gab' entstand,

Der Luftbewohner Sprache zu vernehmen,

Will ich auch nutzen ihr wahrhaft'ges Wort.

Wie sangen sie? – Laß mich besinnen? – Sigurd –

Am Feuer – Still. Sie fangen wieder an,

Und eben ist es auch dasselbe Lied.

EINE SCHWALBE.

Da sitzt der Sigurd,

Schweißbegossen

Faffner's Herze

Bei Funken bratend.

Weise, spräch' ich, sei

Der Ringzerspalter,

Wenn sein Schwerdt jetzt

Schneidend wäre!

SIGURD.

Wenn Gramur schneidend wäre? Gramur schneidet

Nicht durch des Harnischs Ringe nur allein,

Es schnitte, thät' es Noth, durch Klipp' und Kies,

Da gilt kein Wenn. Du bist bethört, mein Vöglein,

Daß du noch also zweifelnd sprechen magst.

DIE ANDERE SCHWALBE.

Da liegt der Reigen,

Bespricht sich mit sich,

Will täuschen den Mann,

Der ihm vertraut hat.[53]

Wüthig spricht er

Falsche Worte,

Will, falscher Schmidt,

Den Bruder rächen.

SIGURD.

War's so gemeint? Ei habt der Warnung Dank,

Ihr art'gen Thierlein in den Lüften droben. –

Das ist ja auf die Art ein ganz verworfner,

Verruchter Bursch, und Allem was die Welt

Rechtliches trägt und Schönes, thäte man

Den besten Dienst, wenn man solch Ungethüm

Abschlachtete, vor Schaden Andre hütend.

Das soll auch gleich geschehn. – Du böser Schläfer,

Hast lang' genug gelebt. Die Zeit ist um.


Er durchbohrt ihn.


REIGEN auffahrend.

Weh! Weh! Wer giebt die Todeswunde mir?

SIGURD.

Ich, dem du gleiche Gabe zugedacht.

REIGEN.

Wer hat dir so was Arges zugeraunt?

SIGURD.

Hör' wie die Schwalben in den Lüften singen.

SCHWALBE.

Da liegt der Reigen,

Bespricht sich mit sich,[54]

Will täuschen den Mann,

Der ihm vertraut hat.

ANDERE SCHWALBE.

Weise, spräch' ich, sei

Der Ringzerspalter,

Wenn sein Schwerdt jetzt

Schneidend wäre.

REIGEN.

O, du genoß'st vom Drachenherzen!

SIGURD.

Freilich,

Der Vögel Sprache ward verständlich mir,

Da hielten sie Gericht ob deinem Leben.

REIGEN.

Schon gut! Schon gut! Es ist nun all' vorbei,

Das schwarze Blut rinnt mir vom Herzen fort.

SIGURD.

Nun siehst du ein, wohin solch Treiben führt.

Wärst du nicht falsch gewesen, lebten wir

Als treue Kampfgenossen noch beisammen.

Gewiß, du hast von Anfang nichts getaugt,

Und doch thut mir's im Herzen leid um dich, –

Du sprichst ja gar nicht, und du lebst doch noch;

Starrst in dein rinnend Blut mit großen Augen –

Nein, Reigen, scheid' nicht so, sprich noch zu mir.[55]

REIGEN.

Schwer abwärts zieht's mich in den dunkeln Schlund,

Wo Hela herrscht ob bleichen Nachtgespenstern;

Doch etwas wohnt in mir, das will ich nicht mit,

Will bleiben in der freud'gen Oberwelt –

Es ist die Sage, wahrhaft, tiefen Sinn's,

Um die auf Erden ich allein nur weiß.

Sie strömt mir von den Lippen, sich befreiend

Aus meinem Todesdunkel. Merk' nun auf,

Du Jüngling, dem ihr Tönen sich ergeußt!


Weit ist die Welt,

Asen wollten wissen,

Wie weit sich Welt ausstreckt.

Zog zum Suchen hinaus

Odin samt Häner und Loke,

Hoben sich fort auf die Fahrt.


Kamen an Quellenrand,

Klug fischte die Otter dort,

Loke nahm Kiesel;

Er zerschmiß der Otter Kopf,

Fing Fisch und Otter,

Ging vergnüglich fort, froh der Jagd.


Kamen an ein kleines Gehöft,

Hreidmar hauste drin[56]

Mit Faffner und Reigen.

Das waren die Söhne des Manns;

Fragten die Fremden:

Gebt ihr uns gute Nachtherberg'?


Geben euch gute Nachtherberg',

Gastliche! sagten die Söhne,

Schreitet nur über die Schwelle.

Wanderer warteten nicht,

Wanderten über die Schwelle,

Brachten die Beute mit.


Otter schontet ihr nicht?

Schrie da der schlimme

Zürnende Hreidmar.

Ottur, mein dritter Sohn war's,

Der fing, sich verwandelnd, viel Fisch', ein,

Ottur'n erschlugt ihr, schwer sühnt ihr's.


Bringt mir brav Goldbarr'n!

Häner und Odin behalt' ich,

Loke flügle den leichten Lauf!

Fort in die Welt! Komm wieder.

Wenn du den Balg von Ottur

Kannst zudecken mit Gold.


Blieb Häner und Odin gebunden,

Lief Locke mit leichten Lauf[57]

Weit in die Welt, weit fort,

Griff, zu schaffen brav Goldbarr'n,

Andwarn den reichen Zwergen,

Griff ihn, zwang ihm sein Gold all' ab.


Klang Andwars, des Klugen,

Bitten gar kläglich:

Laß mir den einen, feinen Ring!

Der schafft mir neuen Schatz.

Sollst nichts behalten! schrie Locke,

Nahm ihm den Ring, Andwar verflucht' ihn.


Andwar verflucht' ihn, den Ring;

Fort reiß' deinen Herrn,

Reiß', Ring deinen Herrn, wer er sei auch,

Fort in Verderb!

Hreidmar nahm Ring und Schatz,

Hreidmar'n schlugen die Kinder todt.


Hreidmar's Kinder

Nun allzwei liegen

Tod auf dem Heidgrund.

Faffner und Reigen roth,

Vom Blutstom roth,

Wohl um des Goldes willen.


Hüt' dich du Heldenkind,

Hüt dich vor'm herrlichen Hort![58]

Wahr' dich vor Andwars Ring

Fluch dröhnt derblastend

Drauf, reißt nach,

Nach in Reigen's und Faffner's Fall dich.


Er stirbt.


SIGURD.

Das klingt höchst unerfreulich. Wär' vielleicht

Wohl klug gethan, die beiden häßlichen

Blutrothen Brüder hier samt ihrem Schatz

In Gnitnaheides Dunkelheit zu lassen,

Doch einmal ist der reiche Hort nun mein,

Und gar ein kläglich Stücklein dünkt es mich,

Um Drohung seinem Eigenthum entsagen. –

Dann sorgte mancher wohl: wie bringt man's fort?

Nicht also ich, dem Grane, das gewalt'ge,

Hochedle Streitroß dient, des mächt'ger Rücken

Den Herrn sammt seinem Golde leichtlich trägt,

Weil solche Last aus edlem Ursprung ist,

So Gold als Sigurd, blanke Zwillingskinder.

Drum stirb nur hin, mein böser Waffenschmidt;

Ich hol' des edlen Erzes Lust herauf,

Vor Allem Andwars Ring. Wär's auch nur deshalb,

Zu sehn was Unheil über Heldenkraft

Und Heldenlust vermag. Frisch an das Werk!


Geht nach dem Gemäuer.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 36-59.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Waldsteig

Der Waldsteig

Der neurotische Tiberius Kneigt, ein Freund des Erzählers, begegnet auf einem Waldspaziergang einem Mädchen mit einem Korb voller Erdbeeren, die sie ihm nicht verkaufen will, ihm aber »einen ganz kleinen Teil derselben« schenkt. Die idyllische Liebesgeschichte schildert die Gesundung eines an Zwangsvorstellungen leidenden »Narren«, als dessen sexuelle Hemmungen sich lösen.

52 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon