Dritte Abentheure.

[89] Ein Hügel vor König Giuke's Burg am Rheinufer.

Giuke und Grimhildis sitzen auf dem Hügel, Gefolge bei ihnen.


GIUKE.

Nach alter guter Weise sitz' ich hier

Am Wege, nur das Himmelszelt mein Dach,

Damit ein Jeder, dem's an Hülfe fehlt,

Sehn mög', es ist der König, sie zu leisten

Bereit in dieser Stund', hat offnes Ohr

Für Arm und Reich in unverbauter Luft.

Auch ist mir recht behaglich dieser Platz:

Voraus der Rhein in warmer Sonne hell,

An seinen Ufern meine schönen Gauen,

Dorther das Funkeln meiner edlen Burg.

Eins nur bleibt zu verlangen noch mir übrig,

Die frohe Heimkehr meiner Söhn', und dann,

Daß sie zu Haus' einmal sich ruhig hielten.

GRIMHILDIS.

Ziemt einem Heldenvater solcher Wunsch?[90]

GIUKE.

Ja, Heldenvater! 'S klingt recht hell und hoch

Doch was zuletzt, wenn 'mal die ganze Welt

Als meiner Heldensöhne Feind aufsteht,

Und sie im Überdruß des ew'gen Lärmens

Todtschlägt, uns mit, verbrennt mein heitres Land?

GRIMHILDIS.

Trau' ihrem Schlachtmuth, meiner Wissenschaft,

Vor beiden mag kein Menschenkind bestehn.

GIUKE.

Das Ende wird's schon lehren. Nennt man dich

Auch allwärts die Vielweise, glaub' mir's doch,

Ein stillgetreuer Sinn merkt wohl das Rechte.

Die Leute dort im Thal vertrauen mir

Als ihrem Herrn, und wollen Fried' und Ruh,

Da wahr' ich ihnen auch mit bester Kraft.

Da brau'st du oft der sinnverwirr'nden Tränke,

Schenkst sie den Söhnen ein, und Krieg bricht los.

Dann bleibt nicht Wahl. Ich muß den Buben helfen,

Will ich sie nicht einbüssen ganz und gar.

GRIMHILDIS.

Sie brauchten keiner Hülfe noch bis Heut;

Vielmehr beschirmen sie dir Stadt und Burg,

Daß Niemand deinen Gränzen nahen darf,

Es hab' ihn denn ihr Wort in Huld berufen.[91]

GIUKE.

Darob vergeht noch alle Gastlichkeit.

Die Fremden scheu'n dies Land wie heisses Eisen,

Und wir verbleiben meistens ganz allein.

EIN BOTE auftretend.

Ich grüße meine Herrschaft ehrfurchtsvoll,

Und bringe wunderneue Mähr'.

GIUKE.

Sag' an.

BOTE.

Ein Fremder reitet prangend in das Land,

Mehr hohen Göttern als den Menschen gleich.

GIUKE.

So sind auch meine Söhne wohl nicht weit?

BOTE.

Von ihnen sieht man nichts, mein edler Herr.

GIUKE.

Er ist von ihrer Kriegsgesellenschaft

Doch ohne Zweifel, kommt mit ihrer Gunst.

BOTE.

Der sieht nicht aus, als fragt' er viel nach Gunst.

Groß ist er, kopfshoch größer, edler Fürst,

Als deine Söhne –

GIUKE.

Ho, du sahst nicht recht.[92]

GRIMHILDIS.

Doch, doch. Ich glaub' es wird der Rechte sein.

BOTE.

Die Augen brennen ihm wie lauter Gluth;

Wer nicht ein frisches Herz im Busen trägt,

Wagt kein Hineinschau'n in die regen Sonnen.

Von seiner Hüfte klirrt ein mächt'ges Schwerdt,

Wohl sieben Spannen lang, doch scheint's an ihm

Nicht eben länger als 'ne andre Wehr.

Harnisch und Waffenrock strahlt guldig hell,

Und zeigt ein wohlgefertigt Drachenbild.

GRIMHILDIS.

Ganz gut, mein Bote. Hab' dein lang' geharrt. –

Du, Zofe, nun bereite mir den Trank

So wie ich's dich gelehrt. Hinein die Kräuter;


Die Zofe geht ab.


BOTE.

Ein hohes, muntres Roß springt unter ihm,

Aschgrauer Farbe, herrlich an Gestalt,

Und trägt beneben seinem wicht'gen Herr'n

Noch eine reiche Goldlast auf dem Rücken.

GIUKE.

So Einem muß man wohl entgegen gehn.


Er geht mit Grimhildis und dem Gefolge den Hügel herunter. Sigurd kommt geritten.
[93]

SIGURD für sich.

Die Vögel singen wunderliche Lieder

Von neuer Lieb' und von vergeß'ner Treu.

Gewiß, was seltsames steht mir bevor,

Und sehr neugierig bin ich, was es sein wird. –

Hei, welch' ein reicher Hofhalt kommt heran!

Da ziemt sich's, adlich gute Sitte zeigen.


Er steigt vom Pferd.


GIUKE.

Willkommen, junger Held, in meinem Land.

SIGURD.

Ich grüß' dich, alter König ehrfurchtsvoll,

Auch deine schön' ehrbare Königin,

Und was du edler Frau'n und freier Männer

Mit im Gefolge führst. – Ist wer dabei,

Der mir mein treues Roß zur Wartung abnimmt?


Es treten einige Diener vor.


Ihr lieben Leute, nehmt dies Pferd in Acht,

Behandelt's höflich, sonsten wird es bös,

Denn edler Gattung ist's, heischt feine Zucht.

Auch wahrt das Gold mir gut, den reichen Schatz,

Desgleichen die gesammte Welt nicht hat.

Käm' etwas davon weg, so müßt' ich's rächen

An Euch und an dem ganzen Land allhier.

Das thät' mir um den frommen König leid.[94]

EIN DIENER.

Sorg' nicht, mein edler Herr.

SIGURD.

Nun, lieber Grane,

Mein stolzer Henst, geh' mit den Leuten dort,

Und führ' dich freundlich, wohlerzogen auf.

Laß auch entlasten dich des Goldes. Geh'.


Das Pferd wird abgeführt.


GIUKE.

Dein Pferd thut, als verständ' es dich, mein Held.

SIGURD.

Wir sind einander Freund' von Jugend auf.

GIUKE.

Du bist mir ein willkommner, lieber Gast.

Doch Eins, gesteh' ich, wundert mich an dir.

SIGURD.

Das wär'?

GIUKE.

Du kommst in Land und Stadt herein,

Dreist, ohne meine Söhne nur zu fragen.

Das ist denn doch ein wenig viel gewagt,

Und, fürcht' ich selber, viele Unruh schafft's.

SIGURD.

Ich seh', du kennst mich nicht. Mein Nam' ist Sigurd,

Mein Vater Siegmund. Solchen Stammes Kind

Darf viel begehn, davor sich Andre fürchten.[95]

GRIMHILDIS.

Mit Ehren sei empfangen in der Burg;

Wir kennen deinen Ruf.

SIGURD.

Das trifft sich oftmals,

Daß ich in fernem Reich gekannt mich seh'.

EIN DIENER zu Giuke.

Herr, deine Söhne!

GIUKE.

Nun, da ist der Krieg!

Man soll nicht wünschen. – Wären sie doch hier!

So dacht' ich kaum erst; nun: wär'n sie doch fort!

SIGURD.

Du scheinst unruhig, mein geehrter Fürst.

GIUKE.

Ach nein. Ich bin an Kriegeslärm gewöhnt,

Doch trieben sie's bis heut nur in der Fremde,

Nun, merk' ich, geht's hier in den Gränzen los.


Gunnar und Högne treten auf.


GUNNAR.

Gruß unsern königlichen Eltern beiden –

Doch sieh'! Was thut der Fremde hier zu Land?

HÖGNE.

Der Bruder schickt ihn sonder Zweifel her.

Sag' an, Fremdling, wo trafst du Guttorm an?[96]

SIGURD.

Ich weiß von keinem Menschen, der so heißt.

HÖGNE.

Was? Ei, du machst mich lachen.

SIGURD.

Lache nur;

Ich will's nicht hindern.

HÖGNE.

Bruder, schau' mir den;

Das muß ein toller Possenspieler sein,

Wo nicht, der frechste Bursch in allen Landen.

GUNNAR.

Du ungebet'ner Gast, weißt du's noch nicht,

Daß uns dein Haupt um Schuld verfallen ist?

SIGURD.

Ich weiß es nicht, mein Herr, und glaub's auch nicht.

GUNNAR.

Wie lösest du's.

SIGURD.

Mit allen Ritterkünsten,

So viel' am Hofe wer zu treiben weiß.

GUNNAR.

So? Ein Fechtmeister?

SIGURD.

Ja, des Fechtens Meister.[97]

GUNNAR.

Ich möcht's versuchen.

HÖGNE.

Laß mir Jüngerm heut

Den Vortritt, weil's ein bloßes Scherzen gilt.

GUNNAR.

Mein'twegen.

HÖGNE einen Stein werfend.

Thu' mir's nach, du fremder Held.

SIGURD lachend.

Das?


Wirft einen Stein.


HÖGNE.

Weiter! Wahrlich, weiter viel als ich!

SIGURD zum Gefolge.

Meß' Einer nach, wie viel.

HÖGNE.

Der ist verhext.

Im Steinwurf thät' ein Mensch es mir zuvor?

GUNNAR.

Will ihn demüth'gen, Bruder. Gräm' dich nicht.

EIN DIENER zurückkommend.

Des Fremden Stein liegt um zwei Drittheil weiter,

Als der, so meines Königs Sohn versandt.

GUNNAR.

Du bist wohl stolz um solch' ein Knabenspiel,

Das Helden nur in Ruhestunden treiben?[98]

Du Gaukler hast dir's freilich mehr versucht; –

Doch hier erwartet ernst're Uebung dich.

Sieh' diesen Schild, nur Gunnar führt desgleichen,

Von andrer Hand sank' er ermattend ab.

Auf den wirf nur getrost die scharfe Lanze,

So wie ich ihn hoch halt' an Brust und Stirn.

Dann aber werf' ich gleicher Art auf dich.

Nun schleudre.

SIGURD.

Du zuerst.

GUNNAR.

O keck Bethörter!

SIGURD.

Ich halte hoch den Schild bereits. Wirf her,

Ich will den Nachwurf.

GUNNAR.

Nimmer kommst dazu.


Er wirft. Der Speer prallt von Sigurds Schild ab.


GUNNAR.

Du! Stehst du noch?

SIGURD.

Es giebt der Schilde mehr

Wovon abprallt ein scharfer Lanzenwurf,

Und viel der Arme, fähig sie zu tragen.

Du aber wahr' dich jetzt. Der Wurf ist mein.


Er wirft, Gunnar stürzt zu Boden.
[99]

GIUKE.

Da haben wir den Ausgang!

GRIMHILDIS.

Weh'! Mein Sohn!

SIGURD.

Beruh'ge dich, du edles Königspaar,

Ich warf nur durch des Schildrand's ob're Buckeln.

Nichts Arges kann ihm wiederfahren sein,

Nur daß ihm's etwas in den Gliedern dröhnt. –


Gunnarn schüttelnd.


Steh' auf, mein lieber Gegner. Bist gesund.

GUNNAR aufspringend.

Noch Spott.

SIGURD.

Behüt'. Mein's Gleichen kennt das nicht.


Die Zofe kommt und giebt Grimhilden den Trank.


GRIMHILDIS.

Ist Alles auch gethan, wie ich dir's hieß?

Mir bürgt dein Haupt.

ZOFE.

O Herrin zweifle nicht.

GRIMHILDIS.

So ist er unser bald, der starke Held,

Weit ab der frühern Liebe schwaches Locken.

GUNNAR.

So geb' ich mich noch nicht. Wir müssen ringen.[100]

SIGURD.

Wenn's dir gefällt, so ruf' den Bruder auf

Und fallt mich alle zwei vereinigt an,

Sonst ist der Spaß ja gar zu früh vorbei.

GUNNAR.

Nun, hab's denn nach Verlangen! Högne drauf!


Sie ringen.


GRIMHILDIS.

O schau' des edlen Heldenjünglings Kraft!

GIUKE.

Du freust dich, daß er unsre Söhne zwingt?

GRIMHILDIS.

Ja, weil auch er ein Sohn uns werden muß.

SIGURD beide niederwerfend.

Ihr habt recht lang' gehalten, liebe Herrn,

Und freu' ich mich des kräft'gen Widerstandes.

Das hieß doch 'mal ein Ringen. – Kommt, steht auf.


Er richtet sie in die Höh'.


GUNNAR.

Stark, tapfer, bieder, freundlich milden Sinn's –

Das Alles hört man nur von einem Einz'gen –

Du mußt Sigurd, der Schlangentödter, sein.

SIGURD.

Ja freilich bin ich das, mein lieber Fürst.

HÖGNE.

So wird auch minder unsres Fallens Schmach.[101]

GRIMHILDIS.

Nichts mehr von Schmach und andern bittern Reden.

Ein freundlich Ringen war's. Der Prüfung froh,

Umfah'n die Helden sich auf Bruderart.

SIGURD.

Du sprachst ein trefflich Wort, o Königin.

Der Groll im Herzen treibt die Freud' hinaus,

Und ich bin gern von ganzem Herzen froh.

GRIMHILDIS ihm den Trank zubringend.

Trink'! Wirst erschöpft nach dreien Kämpfen sein.

SIGURD.

Das eben nicht. Doch nur ein Thor versagt

Gastlichen Trunk des guten Rhein'schen Wein's,

Zumahl, wenn einer Kön'gin Hand ihn beut.

GRIMHILDIS.

Dir wird der König Giuke Vater sein,

Ich Mutter, Brüder meine tapfern Söhne.

Ja, höher ehren will ich dich als sie.

SIGURD.

Wie komm' ich zu so seltner Gunst?

GRIMHILDIS.

Trink' nur.


Er trinkt.


Beschwört den festen Bund, ihr drei zusammen;

So wagt es Niemand Euch zu widerstehn,

Nicht 'mal zu reizen euern Heldenzorn.[102]

SIGURD.

Ich glaub' es – ja – wie wird mir denn? – Was ist?

GIUKE beiseite.

Gewiß von ihren Zaubertränken Einer.

GRIMHILDIS.

Bist doch nicht krank, mein Held?

SIGURD.

Krank? Nein; nicht krank.

GRIMHILDIS.

Fehlt sonst dir was?

SIGURD.

Ich habe was verlohren.

GRIMHILDIS.

Von deinem Schatz doch nicht?

SIGURD.

Aus den Gedanken. –

Noch eben erst konnt' ich mich drauf besinnen,

Und's war mir lieb, im tiefsten Herzen lieb.

Mit einemmal entfiel's den Sinnen, fiel

Als wie in's bodenlose Meer hinein.

Ich irr' am Ufer – laßt mich suchen, bitt' Euch.

GRIMHILDIS.

Was das für Grillen sind! Du trankst gewiß

Den Becher nicht bis auf den Grund. Zeig' her.

SIGURD.

Weiß Keiner, wo ich herkam, als ich einritt[103]

In diese Gränzen? – Einen König giebt's,

Heißt – wie doch? –

GRIMHILDIS.

Trink' nur was im Becher blieb.

SIGURD.

Auch sah' ich einen Berg, sah viele Flammen –

Wie hieß das? – Hindar – wart', jetzt hab' ich's – Hildis,

Und Sigur, – fast wie ich hieß Eine –

GRIMHILDIS.

Trink'.

Unheil bringt dir der halbgeleerte Wein,

Trink' aus und Alles kommt dir nach Verlangen.

SIGURD.

Liegt's auf des Bechers Boden? Ha, gieb her!


Er trinkt aus.


GRIMHILDIS.

Nun ist dir besser.

SIGURD.

Ja. Ich war ein Thor.

Weiß nicht, wie grillig mir's den Kopf durchfuhr,

Gleich Einem, der vom Traum nur erst erwacht

Und nach dem flücht'gen Nachtgesell'n noch hascht;

Nun ist es all' vorbei und ich gesund.

GRIMHILDIS.

Du fragtest uns nach wunderlichen Namen.[104]

SIGURD.

Narrheiten! Weiß ich doch, wie ihr euch nennt,

Und daß mir's wohl an Giukes Hof gefällt,

Was wollt' ich sonst?

GRIMHILDIS.

Und gehst den Bund auch ein?

SIGURD.

Mit deinen Söhnen? Ei, das wünsch' ich sehr.

Die Hand, Gefährten! Treu in Noth und Tod.


Gunnar und Högne schlagen ein.


SIGURD.

Giebt's keinen Krieg, Ihr Herr'n? Ich zög' am liebsten

Alsbald hinaus, beweisend was ich kann;

Vielleicht dann sähen wir beim Siegesmahl

Gudrunens, der Niflungin, Schönheit leuchten,

Von der die ganze Welt bewundernd spricht.

GRIMHILDIS.

Noch mied sie nicht ihr heimlich Kämmerlein,

Und nur, was ihre Frau'n gesprochen, kam

Von ihren seltnen Reizen an das Licht;

Doch wär's ein würd'ger Siegespreis, den Blick

An ihrer Huld zu laben.

SIGURD.

O, in Krieg!

GUNNAR.

Ich weiß 'nen Zug, der Beut' und Ehre bringt.

Komm' jetzt nur mit uns nach der Burg hinein.[105]

HÖGNE.

Komm, Waffenbruder!

SIGURD.

Arm in Arm verschränkt!


Gehn alle drei ab.


GRIMHILDIS.

Fort ist die alte Lieb' aus seinem Sinn,

Mit Seel' und Leib der Held an uns gebunden.

Was sagst du nun zu meiner Zauberkunst?

GIUKE.

Solch Mittel führt zu keinem guten End'.

Hat er ein Lieb, und trifft's mal wieder an –

GRIMHILDIS.

Mag' er. Mein Trank hält viele Tage vor,

Was er auch mit des Leibes Augen säh'

Ihm bleibt das inn're Auge doch gehalten,

Daß er ehmal'ger Wünsche nicht gedenkt.

Wir haben ihn.

GIUKE.

'Nen Friedensstöhrer mehr.

Das ist was Rechtes!

GRIMHILDIS.

Still nur. Komm' zur Burg.


Gehn ab.

[106] In Brynhildis Burg auf Hindarfiall.


BRYNHILDIS allein, geharnischt.

Keine Runen knüpfend,

Kummerlos der Zukunft,

Wollt' ich weilen am Geweb'.

Ach, die Sterne strahlen,

Strenge Kunde bringend,

Auch wider Will'n dem Wissenden.

Sterne, Muth und Macht sonst

Mir in's Herze leuchtend,

Seh'n so trüb' und seltsam her.

Liebling, mir zum Leide,

Läßt von alter Liebe,

Hat sie gehaucht in Wind hinaus.

Von der Menschen Menge fort nun

Mach' dich, o fürstliche Tochter,

Gieb dich, Getäuschte; Gram ist gut.

Bräut'gam ist er, bringt dich

Bald vielleicht zur Ruhe,

Wiegt dich ein, weckt Keiner dich mehr.

Heil, du flammender Haag! dir!

Hoch auf droh' zum Himmel,

Keiner durchdringt fortan dich mehr.

Einer konnt's – nun krönen

Kronen fremder Lieb' ihn

Und Brynhildis bleibt allein.[107]

Die Fürstin, erzumfunkelt,

Feuernde Burg bewohnend,

Allen Sterblichen ist sie gestorben.

Draussen webt und wandelt's,

Webt und wandelt ihr nicht –

Eisen im Feuer bleibt fremd der Hand.

Ihr innern Hallen meiner weiten Veste,

Ihr dichtgewölbtesten, in die kein Ton

Von aussen dringt, wahrt eure Herrin streng!


Geht ab.

Festliches Mahl in Giuke's Burg.

Giuke, Grimhildis, Sigurd, Gunnar und Högne sind nebst andern Helden versammelt.


GUNNAR.

Frisch rund den Becher! Kreis' er schneller noch

Zu Ehren unsers ersten Zug's mitsammen,

Den wir in allem Siegesruhm vollbracht.

SIGURD.

Mich freut der volle Becher sonst wie dich,

Doch heute wär' er gern von mir vermieden,

Dieweil ich And'res wünsch' in meinem Sinn.

GUNNAR.

Nenn's doch. Es wird hier Alles dir gewährt,

Deß' bin ich Bürge.[108]

SIGURD.

'S steht ja nicht bei dir,

Vielmehr in deiner edlen Mutter Will'n.

HÖGNE.

Ich merk' es wohl. Er säh' mein Schwesterlein

Bei dieses Mahles hellen Herzen gern.

SIGURD.

Ja, lieber Held, das hieß' ich mir ein Heil.

Seit jenem ersten Trank, den mir begrüßend

Die Kön'gin darbot, fehlt mir irgend was,

Als wär' ich nur ein halber Mensch; es liegt

Mein Trost vielleicht in deiner Schwester Augen.

Noch hab' ich hier so Wackres nicht gethan,

Davor mir solch ein hohes Licht erständ',

Und muß nur warten, ob die Zeit mir's bringt.

GRIMHILDIS.

Du edler Fürst, geringe schlägst dich an,

Mein sei die Schätzung, denn ich will's also;

Gudruna soll den Schlangentödter grüssen.

Schon naht sie sich, und ihrer Kammer Thür

Läßt jetzt zum erstenmal der holden Blume.

Lichtstrahl entschimmern in die Welt hinaus.


Gudruna tritt auf.


SIGURD.

Was? Trägt das Erdrund Bilder solcher Art,[109]

Und zieht sie nicht der lichte Himmel sehnend

In seinen Schein, das Gleiche Gleiches auf?

GRIMHILDIS.

Mit Rechten, Sigurd, nennst du sie ein Bild;

Denn wie auf einen Teppich hingewürkt

Steht sie, die scheue Jungfrau, an der Thür,

Nicht Lippen öffnend, ja des Auges Blau

Im Staunen leuchtend, aber regungslos,

Wie klarer See am heitern Sommertag.

Doch nah' dich jetzt vorschreitend, schöne Tochter

Zu spenden diesem Helden deinen Gruß.

Das ist mein Will' und deines Vaters auch.

GUDRUNA zu Sigurd hintretend.

Ich grüße dich mit jedem heitern Wunsch,

Den Helden sich in ihrem freud'gen Herzen

Erdenken mögen. Mit dir Ehr' und Sieg!

Mit dir des Mahles und der Becher Lust!

Mit dir kunstreicher Sänger preisend Lied!

Nach dir ein rühmlich blühendes Geschlecht!

SIGURD.

O, du vergiß'st das Beste, schöner Mund!

Doch müßtest du's nicht wünschen nur, auch spenden.

GUDRUNA.

Du meinst der Schönheit edlen Liebesgruß,

Das holde Blümlein, dessen günst'ge Sonne

Siegreicher Waffen reines Glänzen ist.[110]

SIGURD.

Solch Glänzen ist nicht fremde meinen Bahnen.

GUDRUNA.

Doch zu der zarten Blüthe vollem Schein

Gehört ein Hauch von ihrem Himmel her:

Der Eltern Will' und seegenreiches Wort.

SIGURD.

Ein frommes Bitten lockt's vielleicht herab.

GUDRUNA.

Vielleicht, sagt man, gilt leichten Jungfrau'n viel.

Mir aber gönne Rückkehr in's Gemach,

Mein ungewohntes Auge senkt die Wimper

Vor so viel fremden Blicken um mich her.

GUNNAR.

Du stehst bei deinen Brüdern. Sei getrost.

GUDRUNA.

Der gegenüber ist mein Bruder nicht.

GUNNAR.

Gut, weil er dein Gemahl noch werden soll.

SIGURD.

O Schwager mein, erfüll' mir solch ein Wort,

Und nimm, nach wenig froh durchlebten Jahten,

Mein Herzblut, wenn's dich freu'n mag, dir zum Dank.[111]

GIUKE.

Gunnar, mein Sohn, du sprichst ein wenig dreist.

Hast du denn meinen Will'n bereits erforscht?

GRIMHILDIS.

Was kannst du beß'res wollen, alter König,

Als deine Tochter solchem Mann vermählt,

Und ihn für immer deiner Gränzen Schirm?

GIUKE.

Ja, blieb' er hier. Doch in die weite Welt

Zieht solch ein Degen aus und pflückt uns Fehden,

Blutrothe Blumen zum gar schweren Kranz.

SIGURD.

Nicht also. Ein getreuer Schwiegersohn

Leb' ich nach deinem Willen hier im Land

Und fechte nur, wo's für die Schwäher gilt.

GIUKE.

Das wird noch immer nicht zu selten sein.

Glaub' nur, damit bleibt dir des Schwerdtes Klinge

Von jedem Rostfleck ledig, nicht von Blut –

Es mag drum sein; ja gern empfang' ich dich

Als Schwiegersohn. Du bist oft freundlich, fromm,

Versöhnlich, hast nicht Hader alsobald

Mit jedem Stein, an den du 'mal dich stöß'st,

Nur um was Rechtes flammst du herrlich auf

Nach tapfrer Fürstenart. Nimm hin die Tochter.[112]

GUNNAR.

So führ' ich denn, Gudruna, dich ihm zu,

Dem edlen Blutsfreund –

SIGURD.

Blutsfreund! Ha, das ist

Ein seltsam Wort; Blutsfreund! – So Blut und Freund

Im wunderlichen Bund' –

GUNNAR.

Wie wird dir denn?

SIGURD.

Mir kommt ein altes Sprichwort in's Gemüth,

Nur weiß ich selblt nicht mehr, wo ich's vernommen,

Auch nicht die Worte recht – doch schwebt's um mich

Wie eine Wetterwolke schwül und schwer.

Blutsfreund! – Ei widerholt doch unsern Schwur,

Der Waffenbrüderschaft und Sicherheit,

Gunnar und Högne! Thut es mir zu Lieb'.

GUNNAR.

Von Herzen. – So mir Odin hülfreich sei,

Freudvoll mein Leben, schmachesfrei mein Tod,

Gelob' ich, Sigurd, dir Genossenschaft,

Gelob' ich dir zur Hülfe meine Hand,

Mein Gold, mein Reich, und meine Krieggesell'n,

Und deren kein's sei jemals wider dich.[113]

HÖGNE.

Des Bruders Worte sprach im Sinn' ich nach.

Erkenne sie als meinen eignen Schwur.

SIGURD.

So ist ja Alles gut, all' Sorgen tod.

Denn von dem Sigurd, o Niflungenhaus,

Steht Herzenslieb' und Treue dir bevor.

GRIMHILDIS.

Gudruna, schöne Braut, küß' deinen Bräut'gam.


Gudruna küßt ihn.


SIGURD.

Nun grüßt es mich, das langentbehrte Glück,

Im süßen Traum' bis Heute mich umgaukelnd,

Daß ich nicht wußte, war's Vergangenheit,

War's noch Verheißung – o nun grüßt es mich

Wahrhaft, lebend'ger Kraft, nun fühl' ich wieder

Genesen mich, an Schlacht und Festmahl froh,

Die lang' ein dunkler Nebel mir umzog –

Seltsame, trübe Zeit hab' ich verlebt –

Warum? Ich möcht's doch wissen! –

GRIMHILDIS.

Was soll das Grübeln? Kommt! Zeigt euch dem Volk'.

Ihr zwei Mitherrscher künftig dieses Land's.

SIGURD.

Deß' brauchen wir nicht, ich und meine Braut.

Das Niederland ist mein ererbtes Reich,[114]

Der Faffnershort ist mein gewonn'ner Schatz,

Da ließ' sich mehr als tausend Jahr von leben.

GUNNAR.

Du bist jetzt ein Niflunge. Stoße nicht

Verschmähend von dir daa Niflungen Gut.

Was Jeder von uns hat, gehört nun Allen.

SIGURD.

Ja, liebe Schwäher. Gnitnaheides Gold

Soll euch noch manche Lust gewähren. Schöpft nur

So tief ihr wollt, darin. Ihr schöpft's nicht aus

Hei wohl mir nun, zumeist um euretwillen

Daß ich dem Wurm sein Gold so abgewann!

Nun steht die Lust der ganzen Welt bei uns.


Geht ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 89-115.
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