Vierte Abentheure.

[115] Freier Platz vor Giuke's Burg.

Sigurd, Gunnar und Högne sitzen unter einer Linde.


SIGURD.

Ihr lieben Schwäher, gar behaglich ist's,

In kühler Abendruhe, so wie Heut,

Einander zu erinnern, was man Fährlich's

Vereint zu Ehr' und Vortheil durchgesetzt,

Und nächst dem Siege selbst, und nächst dem Kuß

Der schönen Hausfrau kenn' ich auch fürwahr

Nichts, was mir lieber wär'.

HÖGNE.

So geht es mir.

Ich könnte schwatzen bis zur Mitternacht.

GUNNAR.

Wir leben eine ganze Zeitlang schon

Als treue Heldenbrüder im Verein,

Und haben manche kühne Fahrt bestanden;

Doch nichts erfreute solcher Maaßen mich,[116]

Als da vor unsern schnellen Klingen jüngst

Der mächt'ge König Hring das Feld verlor.

HÖGNE.

Das glaub' ich, unser keckster Gegner war's.

Und der geschlagen, sind sie all' geschlagen.

GUNNAR.

Soll ich aufrichtig sprechen, liebe Brüder?

Ich weiß nicht, was dem Feindesherr geschah,

Daß sie in Hui, Groß, Klein, und Stark und Schwach,

Wie auf 'nen Wink die flücht'gen Sohlen zeigten.

Sie waren mehr im Vortheil fast als wir, –

Und nun mit einmal: Kehrt euch! und Reißt aus!

SIGURD.

Du hast gehört, sie prahlten vor der Schlacht

Mit ihrem Helfer sehr, dem Knochenbrecher

Starkather, vieler bösen Tücken voll.

Der wandte sich zur Flucht, da liefen Alle

Pflichtschuldigst seinen langen Beinen nach.

HÖGNE.

Doch warum lief denn der?

SIGURD.

Kann's euch erzählen,

Ein lustig Stücklein war's. – Ich schreit' umher

Durch's dunkle Treffen, such' mir tücht'gen Feind,

Und finde meistens schwache Bürschlein nur,[117]

Deß' ich mich fast geärgert. Plötzlich ragt's

Kopfhoch hervor ob alle dem Gesindel,

Ruft, prahlt, – ei nun, ich mache mich hinzu

Wollt' gerne wissen, was es Neues gäb',

Und find' auch einen Recken groß und stark.

Ich denk', hier giebt es tücht'gen Klingenstrauß, –

HÖGNE.

Schlugst ihn?

SIGURD.

Bewahr'. Meist blieb es nur bei Worten.

Der war ein seltsamlicher Schlachtgesell.

GUNNAR.

Bei Worten? Jenes Tag's?

SIGURD.

Er wollt' nicht anders.


Gunnar und Högne lachen.


SIGURD.

Ich frag', wie heiß'st du? Er: Starkather bin ich.

Gut, sag' ich, viel hab' ich von dir gehört,

Doch schändliches, und Leute, so wie du,

Zu andrer Menschen Unheil großgezogen,

Muß man nicht schonen. – Hei, da ward er bös,

Knirscht' in die Zähne, schlug das Schwerdt an Schild,

Und meinte, wer denn ich sei? – Sigurd, sag' ich. –

Der Schlangentödter? – Ja! – Da lief er fort. –[118]

Und kaum noch hatt' ich Zeit, in Nacken ihm

Eins zu versetzen, deß' er wohl gedenkt,

So lang' er lebt. Die Andern liefen mit,

Wie ihr es selbst gemerkt.

GUNNAR.

Seh' mir den Prahler!

Und that, als sei im ganzen Norderland

Er ganz allein zum Helmespalten da.

GRIMHILDIS auftretend.

Ihr seid vergnügt beisammen, wackre Recken,

Und habt auch Ursach. Alles fürchtet euch,

Ihr strahlt, ein siegend Sternbild, in den Schlachten;

Ich wüßte neuen Zug für euern Muth,

Auf den als Preis die höchste Beute steht,

Nächst der, die Sigurd von Gudrunens Schönheit

Vor nun schon sechzehn Monden sich gewann.

GUNNAR.

Sag's nur, du kluge Mutter, woll'n hinaus.

GRIMHILDIS.

Von Sigurd wiegt ein schönes Heldenkind

Gudrun' auf ihrem Schooße, von den Söhnen

Möcht' ich ein gleiches Heil, und, Gunnar, du,

Der Erstgeborne sollst zum ersten frei'n.

GUNNAR.

Wer ist sie, die du mir erkoren hast?

Doch zweifelsohn' mein werth durch Stand und Schönheit?[119]

GRIMHILDIS.

Und auch durch die Gefahr, die zu bezwingen

Dem kühnen Werber ziemt.

GUNNAR.

Ist mir schon recht.

GRIMHILDIS.

Sie wohnt in Mitten eines Flammenzauns –

SIGURD.

Was? Flammenzaun? Mir hat so was geträumt.

GRIMHILDIS.

Brynhildis heißt sie, König Budles Tochter,

Und Atles Schwester –

SIGURD.

Lange, lange Zeit

Ist's her, da hat man mir davon erzählt,

Doch kann ich nimmer recht mich drauf besinnen.

Ich muß wohl noch ein Kind gewesen sein.

GRIMHILDIS.

Wer durch den Flammenzaun hinsprengen darf,

Gewinnt sie sich.

GUNNAR.

So ist sie ja schon mein

Denn gäb's was auf der Welt, das ich nicht dürfte?

HÖGNE.

Du steh'st so in Gedanken, Sigurd.[120]

SIGURD.

Hm!

'S ist Einem manchmal wunderlich zu Muth.

GUNNAR.

Willst du nicht mit?

SIGURD.

Ei, herzgeliebter Schwager,

Daheim ich bleiben, wo's für dich was gilt?

Hört an, ich sattl' uns Dreien gleich die Rosse,

So zieh'n wir noch in dieser Stunde fort,

Und holen dir die Braut. – Es taugt nicht viel,

Das Abschiednehmen, wenn man Weib und Kind hat.

Gudruna weint, der Knabe langt nach mir, –

Das macht dem Menschen fast das Herze schwer,

Und leichtes Herz ist gutes Ding auf Reisen.

Zudem ist auch der König Giuke nicht

Für solche Züge, wie mir dieser scheint.

HÖGNE.

Wie scheint er dir?

SIGURD.

Schlimm von Gefahr umdroht.

HÖGNE.

Das wüßt' ich nicht. Sprengt Gunnar durch die Flammen,

So ist es gut, wo nicht, so kehr'n wir um.[121]

SIGURD.

Nicht also. Was einmal begonnen ist,

Muß auch hinausgeh'n, ob's das Leben gälte.

HÖGNE.

Auch gut! Doch ist das seine Sach' allein.

SIGURD.

Ich weiß es nicht mit Worten so zu künden,

Und's war auch einerlei. Mein lieber Gunnar,

Es steht dir nun einmal dein Sinn darauf,

Und schaffen will ich's dir. – Kommt nur gleich nach.

Die Pferde sind im Augenblick bereit.


Geht ab.


GUNNAR.

Der Schwager ist ein ritterlicher Held,

Jedoch sehr wunderlich, das muß ich sagen,

Was? Unsre Fahrt mishagt ihm, dünkt ihn schlimm,

Und rüstet sie mit allem Eifer aus!

HÖGNE.

Er hat uns Beide nun einmal so lieb,

Daß jeder Wunsch von uns sein Herz bewegt.

Vor Allem, Gunnar, wenn es dich betrifft,

Der ihm zuerst die Schwester zugesagt,

Und dem er solche Gunst niemals vergißt.

GUNNAR.

Ja, ich erkenn's als vielen Dankes werth,

Und thät' auch Gutes ihm nach Kräften gern,[122]

Nur Jedermann ist doch zunächst Er selbst;

Was mir im eignen Sinne widersteh't,

Zerstörend mir und meiner Freude droh't, –

Fürwahr, toll hielt ich mich, wollt' ichs befördern.

HÖGNE.

So recht begreif' ich's auch nicht, was er thut,

Indessen fühl' ich mein Gemüth oftmals

Erquickt, wenn ich bedenke, Einer lebt,

Der uns viel lieber hat, als wie sich selbst.

GUNNAR.

Es ist recht gut, doch etwas thöricht bleibt's.

GRIMHILDIS.

Ihr Söhne, reich, in gar verschiednen Bildern

Gestaltet sich das menschliche Geschlecht.

Auch solche Leute, willig, arglos, froh

Wie dieser, muß es geben auf der Welt,

Und haben sie dazu was breite Schultern,

Was kecken Muth – das bringt den Klugen Glück.

SIGURD ungesehn.

Die Pferde warten Eu'r. Auf, liebe Schwäger!

GUNNAR.

Leb' wohl denn, Mutter. Mit der Braut im Arm

Kehr' ich dir heim.


Gunnar und Högne ab.


GRIMHILDIS.

Will's wünschen. Schwierig zwar[123]

Ist ihre Fahrt. Jedoch verlaß' ich mich

Auf des Bethörten sichre Heldenkraft.

Die Sterne sagen, kurzes Leben nur

Sei ihm beschieden, um so schneller nutz' ich's.

GIUKE auftretend.

Was jagt vom Schloßberg denn so wild hinab?

Will über'n Wall doch schau'n. – Der Abend dunkelt

Schon tief herein – doch leuchtet's wie von Waffen

Von goldbelegten, aus dem Thal herauf. –

Mich dünkt, es sei der Sigurd mit dabei,

Gleich dessen Rüstung keine andre glänzt.

Fürwahr das ist er – laß' mich seh'n – nun rauscht's

In Wald hinein – Grimhildis, sprich, wer war das?

GRIMHILDIS.

Die Söhne nebst dem tapfern Schwiegersohn.

GIUKE.

Auf welche schlimme, unheilschwere Fahrt

Jagst du sie wieder aus?

GRIMHILDIS.

Sei unbesorgt.

Heut gilt's Brautwerbung nur.

GIUKE.

Und um Brynhildis?

Da schließest du ein gar verderblich Band.

GRIMHILDIS.

Die tapfre Schildjungfrau in unserm Stamm

Mehrt dessen Kraft.[124]

GIUKE.

Mit Nichten! So viel Waffen

Und Zorn in einem einz'gen Haus zerstört's.

GRIMHILDIS.

Ich will noch die Niflungen leuchten seh'n

Vor allen Helden in der ganzen Welt.

GIUKE.

Du treibst ein tolles Spiel, und mußst doch bald

Vom eignen Spiele fort. Denn meinst du wohl,

Daß man hinfürder nach dir fragen wird,

Wenn erst wie Sigurd und Brynhildis zwei

In unsrer Burg sind? Hilfst dich selbst verlöschen.

GRIMHILDIS.

Verlöschen! Ich?

GIUKE.

Muß doch ein jeder dran.

Ich fühl' es wohl, nun ist es meine Zeit.

Der Gunnar soll des Landes König sein,

Ich und die greisen Freunde meiner Jugend

Wir woll'n bewohnen die uralte Burg

Am Hundsrück. Niemand hört hinfort von mir,

Und du auch thätest klüglich, mitzuzieh'n.

GRIMHILDIS.

Begrab' dich selbst. Ich hab' nicht Lust dazu.

GIUKE.

So wird's ein andrer thun. Trotz allen Sträubens,[125]

Verklingst du doch vor unsrer jungen Welt,

Es wär' denn, daß dein ausgesätes Unheil

In Saamen schöß', – dann ruft dich wohl ihr Fluch.

Am besten wär' dir's, Niemand nennte dich.

Begieb dich's, wenn's noch Zeit ist. Gute Nacht.


Geht in die Burg.


GRIMHILDIS.

Ob er wohl Recht hat? – Nein, das soll nicht, soll nicht.


Ab.

Nacht.

Freie Gegend vor Hindarfiall. In der Ferne die Burg, von Flammen umgeben.

Sigurd und Högne.


SIGURD.

So Traum und Wachen Eins. Gar wunderlich.

Dies Alles, wie wir's off'nen Auges seh'n,

Hat mir schon 'mal geträumt, und recht lebendig.

HÖGNE.

Ja. ja. So'n Traum ist wohl ein seltsam Ding;

Ich träum' auch manchmal.

SIGURD.

Ach, du weißst noch nicht,

Ich merk's, du weißst noch gar nicht was ich meine.

Sieh', Alles dort hat mir der Traum gezeigt:

Das Schloß mit seinen wolkenhohen Flammen,[126]

Die bis zum reichen Sternenhimmel auf

Ihr roth, heißlechzend Haupt erheben; das auch,

Wie hell von Schilden leuchtet Dach und Wall

Her durch die Gluth, wo sich ihr Flakkern theilt;

Dann auch der Fahnen Weh'n von luft'gen Zinnen –

Nur eines fehlt mir, will nicht mehr herauf

In die Erinn'rung – ach ich hatt's so lieb!

HÖGNE.

Das Beste nimmt der Traum oftmals mit fort.

SIGURD.

Das Beste war es, Schwäher, hast ganz Recht.

Ha, wenn ich's wüßte! – Sieh', es zog mich hin,

Daß ich dem Grane beide Sporen gab,

Kühn durch die Flammen setzte –

HÖGNE.

Wackrer Traum,

Und günst'ges Zeichen für den Bruder Gunnar.

Sieh, schon besteigt er Gote, seinen Hengst, –

Trabt zu den Flammen – was? Er kehrt ja um.

SIGURD.

Kehrt um? Nicht möglich! Du hast falsch geseh'n.

HÖGNE.

Schau selber hin.

SIGURD.

Fürwahr, er ja zurück,

Wendet sein Antlitz ab von der Gefahr,[127]

Er, mein Gesell, – es kommt ihm Heut zu Gut,

Daß er mein herzgeliebter Schwager ist.

Sonst gäb' ich ihm ein schlimmes Mahl zu kosten.

HÖGNE rufend.

Gunnar, was soll's? Du setzest nicht hinein?

GUNNAR ungesehn.

Frag' mich nicht, frag' mein Pferd, die schlechte Mähre,

Die vor der Gluth, wie toll, zurücke prellt.

HÖGNE.

Nun, sieh'st du, Sigurd, 's ist nicht seine Schuld.

SIGURD.

Nicht seine Schuld? – Reit' er ein besser Thier,

Wenn er auf Ritterthaten ausgeh'n will.

Der Reiter und sein Roß sind Eins in Zweien,

Entgelten für einander was sie thun,

Und zeigen jeder, was der Andre taugt.

GUNNAR ungesehn.

Borg' mir den Grane, Sigurd.

SIGURD.

Nimm ihn! Gern.

Nur rasch hinauf, und durch die Flammen hin!

Kehrt er dir um, so brauch' ihn als dein Lastthier,

Als deinen Knecht mich selbst. Ich kenn' mein Roß. –

O, all' ihr Stern' am tiefen Himmelsblau,[128]

Sigurd bei einer misgelung'nen That.

Wo man zu Haus kommt rothen Angesichts,

Am Boden klebend der lichtscheue Blick,

Und achselzuckend schlechte Reden spricht:

Wir hätten fast – beinah – nur das zum Unglück –

Ich duld' es nicht, ich duld' es nimmermehr.


Gunnar tritt auf.


SIGURD.

Was? Abermals zurück? daß dich! –

GUNNAR.

Was sollt' ich?

Dein Grane haut und beißt und schlägt wie toll.

Sobald ich nur ihm nahe komm'. Ein Kobold.

Ein Elfe müßt' ich sein, wollt' ich hinauf.

SIGURD.

Wer lehrte dich das Reiten? Schlag' den Meister

Mit seines eig'nen Sattels Gurten todt

Das muß ein Bursch gewesen sein! – Nun, Schwager,

Es ist nicht deine Schuld und gräm' dich nicht.

Dein soll Brynhildis werden. Ich will hin.

GUNNAR.

Was hilft mir das? Reit' ich nicht durch die Flammen.

Ich selber nicht, so krieg' ich nie die Braut.

SIGURD.

Das ist nun freilich wahr. Wie machen wir's?[129]

HÖGNE.

Ich lag einmal an schweren Wunden krank,

Nicht Tag nicht Nacht kam Schlummer über mich.

Und meiner wartete sorgsam die Mutter.

Da gab es eine wilde, stürm'ge Nacht,

Die Wetterfahnen krachten von den Dächern

Die Pforten schmiß es klappend auf und zu;

Mir ward auch ungestüm und toll zu Muth,

Daß ich in meine Wunden fluchend riß.

Und mich zu bänd'gen, mir den wüsten Sinn

Auf andres Thun zu lenken, sagte mir

Die Mutter manch' ein Zauberstücklein vor.

Dabei war eins, das hab' ich gut behalten,

Wie man zwei Menschen ihre Leibsgestalt

Verwechseln läßt, daß Der wie Jener aussieht;

Doch müssen sie den Will'n drein geben. Wollt ihr,

So mach' ich meine Kunst an euch, und Sigurd

Sprengt unter Gunnars Bildung in die Burg.

SIGURD.

Gern. Nur ich will auf alle Weg' ich selbst

Verbleiben. So für einen Tag, für drei

Wenn's sein muß, will ich schon der Gunnar heissen,

Doch nachher muß ich wieder Sigurd sein.

HÖGNE.

Hab' keine Sorge. Vor wie rückwärts gilt

Mein Zauberspruch, giebt, was er nahm, zurück[130]

SIGURD.

Mein'twegen denn.

HÖGNE.

Nun Gunnar? Soll'n wir's thun?

GUNNAR.

Da ist mir eins durchaus dabei zuwider,

Er kommt zur Burg, er sieht die schöne Magd,

Und schöne Frau'n sind ihm vor allem lieb,

Und sie ergiebt sich ihm als ihrem Sieger –

Nein, nimmermehr freit Gunnar sich ein Weib.

Das erst mit andern Recken Lieb' gepflogen,

Sei's auch mit seinem allerbesten Freund.

SIGURD.

Du hast mein Wort. Ich laß sie unberührt.

GUNNAR.

Was aber soll sie denn nur von mir glauben;

Daß ich ein kalter, banger Schwächling sei?

Das schönste Weib aus Flammen sich gewonnen,

Und nicht bei ihr in süßer Lust geruht!

Nein, das geht auch nicht, brächt' mir Schmach bei ihr.

SIGURD.

Hör', ich besteig' mit ihr das Hochzeitbett,

Doch Gramur leg' ich, mein zweischneidig Schwerdt,

Als Trenner zwischen uns. Fragt sie, warum,

So sprech ich: ernster Weissagung Gebot

Halt' in solch strengen Banden meine Freude[131]

Die ersten Nächte nach dem Ehebund,

Sonst droh' erzürnt mir das Geschick den Tod,

Bist du damit zufrieden?

GUNNAR.

Muß ich doch.

HÖGNE.

An's Werk nun. Doch die Mutter warnte mich,

Nicht hinzuschau'n, wenn die Verwandlung anfängt,

Es geb' ein häßlich, sinnverwirrend Bild.

Und drum ihr, Brüder, tretet von mir fort,

Auch von einander fort, so mag das Spielen

Der finstern Macht gefahrlos uns ergehn.

Du, Sigurd, hinter jenen Felsen dort!

Du, Gunnar, links von mir in das Gesträuch!


Sigurd und Gunnar treten von verschiedenen Seiten ab.


HÖGNE mit dem Schwerdt Zeichen in die Luft schreibend.

Windeswirbel,

Wolkenrollen,

Flammenflackern,

Fluth auch ruht nie.

Selbst besäter

Sichrer, fester,

Bord und Boden

Bleibt nicht gleich sich.
[132]

Vielfach spielt es,

Fleucht buntleuchtend,

Dunkelnd, funkelnd,

Dahin, dorthin.

Meint doch Menschlein:

Möcht' ihm ziemen,

Stät zu stehen,

Starrt und wartet.


Zwei sind weiser,

Woll'n mal wechseln,

Rauschen, tauschen,

Klüglich schlüpfen:

Sigurd, Gunnar,

Gunnar, Sigurd,

Zwei verzweigend

Zwanglos Ranken!


Sigurd, zuerst hervor! der Spruch ist aus.


Sigurd erscheint in Gunnars Gestalt.


'S ist gut gerathen, wenn du Sigurd bist.

SIGURD.

Der bin ich freilich.

HÖGNE.

Schau 'mal in's Gewässer.[133]

SIGURD über einen Quell gebeugt, und gleich wieder zurück blickend.

Gunnar? – Wo kommst hier hinter mich? – Wo blieb er?

HÖGNE.

Du bist es selbst, hast die Gestalt vertauscht.

SIGURD.

Was?


An die Hüfte fassend.


Ist doch Gramur mir, mein liebes Schwerdt

Nicht fortgehext,


Spaltet einen Baum.


– auch nicht die Kraft des Arms, –

Mein'twegen, halt' mich wer, wofür er will,

Ich fühl' mich als der Sigurd nach wie vor.

HÖGNE.

Gunnar! Herbei!

GUNNAR in Sigurds Gestalt auftretend.

Weh'! Brütet diese Nacht

So wunderlich verkehrte Tollheit aus?

Hier bin ich selbst – und schreite dennoch dorten

Vor meinen eignen Augen auf und ab.

HÖGNE.

Das ist ja Sigurd. Gut hat sich bewährt

Der Mutter Zauberspruch.[134]

GUNNAR.

Es macht mir Grauen; –

Seh' ich denn wie der Sigurd aus?

SIGURD.

Und wüßt' ich's nicht so ganz gewißlich besser,

Ich selber könnte glauben, daß du's wärst.

GUNNAR.

Gar manch ein seltsam Ding hab' ich erlebt,

Doch dieses –

SIGURD.

Schwager, Helden unsrer Art

Ziemt's nicht, sich übermäßig zu verwundern;

Verwundern soll'n sich Andre über uns,

Drum will ich an das Werk. Auf Wiedersehn!

Nur Eins emfehl' ich aufs Gewissen dir,

Du trägst nun Sigurds Bildung. Käm' dir wer

Indeß' ich dort bin, ungezogen an,

So schlag' doch ja nach allen Kräften drein,

Damit des Sigurds Ruf bei'm Alten bleibt,

Und wir einander beid' in Ehren halten.

GUNNAR.

Sorg' nicht. Mir ist in dieser Nacht so wild,

Daß ich den eignen Unmuth ganz gewiß

Recht kräftig ausließ', käm' mir was in Wurf.

SIGURD.

Nun, das ist gut. Sollst dich auch mein nicht schämen.


Geht ab.
[135]

HÖGNE.

Sei fröhlich, Bruder. Alles geht nach Wunsch.

GUNNAR.

Wer weiß auch? Eh' wir's uns vielleicht versehn,

Wird Grane vor den grimm'gen Flammen scheu.

Ich sag' dir, ein recht grauser Anblick ist's

Wie roth und gelb und rauchgeschwärtzt die Gluthen

Zusammenwirbeln, knistern, lecken, krachen,

Und weither schon die Hitz' entgegendampft.

Mir selber ward' ganz schaurig –

HÖGNE.

Hat nicht Noth.

Ständ' Sigurd auch vor Helas tiefem Wohnplatz,

Er blieb' an Wangen roth, an Augen hell.

GUNNAR.

Doch so ein Pferd –

HÖGNE nach dem Hintergrund deutend.

Schau' nur!


Man sieht, wie Sigurd durch die Flammen in die Burg sprengt.


GUNNAR stampfend.

'S ist zum Verzweifeln!

HÖGNE.

Wollt'st du die Braut nicht?

GUNNAR.

Ja, doch also nicht.[136]

HÖGNE.

Mein lieber Bruder, das ist kurze Wahl:

Selbst reiten, oder fremder Kraft vertrau'n,

Sonst, gänzlich sich's begeben; anders geht's nicht.

Was man nicht kann, schenkt keinen Siegeskranz.

GUNNAR.

Nun ist er bei der schönen Magd allein!

HÖGNE.

Schäm' dich! Hast deines biedern Schwagers Wort.

GUNNAR.

Das ist's ja eben! In dergleichen Dingen

Auf Worte bau'n zu müssen! Wollt' ich doch,

Die Mutter hätt' 'ne andre Braut gesucht.

HÖGNE.

Nicht also wirst du sprechen, lieber Bruder,

Wenn er die Schöne dir entgegen führt,

Und du in eigner Bildung sie gewinnst.

GUNNAR.

Wir müssen nun abwarten, wie sich's fügt.

Doch komm' ins Thal. Recht feindlich leuchten mir

Die Flammen Hindarfialls in's Auge. Fort!


Gehn ab.

Im Innern der Burg auf Hindarfiall.

Brynhildis sitzt geharnischt, Sigurd in Gunnars Gestalt vor ihr.


BRYNHILDIS.

Du stellst dich hin vor meinen Sessel, Jüngling,[137]

Dich trotzig stützend auf dein leuchtend Schwerdt,

Ein fremder Gast in meiner Einsamkeit,

Bezeugst mit deiner Gegenwart, du sei'st

Gesprengt durch Hindarfialls hochglüh'nde Flamme,

Die Wafurloga heißt bei Zaubers Kund'gen,

Und nur, (es lebt ein bannend Wort darin)

Nur einem einz'gen Heiden Durchzug gönnt.

Doch lügt der Zauber wohl, denn du bist hier,

Und Wafurloga leuchtet rings um's Schloß.

SIGURD.

Hat Einer vor mir gleiche That gethan?

BRYNHILDIS.

Dir gnüg' es, daß du selbst hier steh'st. Wer bist du?

SIGURD.

Gunnar, des Königs Giuke ält'ster Sohn.

Mit deines Vaters Will'n, und deines Schwagers,

Des Königs Heimer, komm' ich, dich zu frei'n.

BRYNHILDIS.

Will nicht vielleicht der Zauberschlaf im Traum

Den Sinn mir wieder – wollt' er wär's.

SIGURD.

Wie sagst du?

BRYNHILDIS.

Ach, nichts für dich – Und doch, ich bin nun dein –

Hast mich gewonnen mit dem Flammenlauf –

O Flamme, Flamme! Höchst untreue Flamme! –[138]

SIGURD bei sich.

Es ist ein räthselvoll, doch herrlich Weib;

Mich brennt ihr Klagelaut im tiefsten Herzen,

Als wär, was sie betrübt, auch meine Noth.

BRYNHILDIS.

Hör' an. Brynhildis Willensmeinung hör',

Und führ' sie aus.

SIGURD.

Gern thu' ich das, Brynhildis,

Du, lieb an Namen mir, lieb an Gestalt.

BRYNHILDIS.

Mußt dich nicht wundern, wenn ich langsam spreche.

Und etwas abgebrochen. – Jeglich Wort

Drängt sich aus schwerer Tiefe mir herauf. –

Nie, Gunnar – nie erwirbst du meine Gunst,

Bist du nicht aller Männer Herrlichster –

Hörst? Aller Männer! – O, verworr'nes Zweifeln!

Denn Wafurlogas Zürnen ließ dich her –

Ganz kann ja Wafurloga nimmer lügen,

Die Prüfungsgluth, – allein das ist nicht Alles. –

Denn meine Freier, deren viele sind,

Und tapfre – dies Gelübd' bedenk' dir wohl,

Mußt du zu tödten schwören. –

SIGURD.

Gut; ich thu's.[139]

Wohl überleg' dir's, wenn du dich vermählst –

In Gardars Heer, des großen Russenkönigs,

Erhob ich Waffen, roth von Männerblut, –

Und solches Thun ist meine Art noch, bleibt's. –

Bedenk' dich –

SIGURD.

Von Brynhildis tapferm Sinn

Hab' ich gehört, und lieb' dich drum noch mehr.

Bei mir ist alles feige Zögern tod,

Und dir verbietet Zögern dein Gelübd'.

BRYNHILDIS.

Wohl dann –

SIGURD.

Du siehst so bleich –

BRYNHILDIS.

Ich bin ja dein.

SIGURD.

Gieb mir zum Brautgeschenke diesen Ring.

BRYNHILDIS.

Was? Diesen? Freund, denn nennt man Andwars Ring,

Und unheilschwangern Zaubers ist er stark.

SIGURD.

Bild' dir nicht so was ein. Sie haben mir

In meiner Kindheit Mährchen auch erzählt

Von Andwars Ring, ja einmal träumt' ich gar,[140]

Ich hätt' ihn selbst – da wird mir's wieder dunkel

In der Erinn'rung – nun jetzt will ich ihn,

Will selbst ihn haben. – Da! Nimm den dafür.

BRYNHILDIS.

Es muß nach deinem Willen gehn. So nimm!


Sie tauschen die Ringe.


SIGURD.

Schau'! Schau'! Das wär' der wunderliche Ring,

Der Andwars Ring. Mich dünkt, ich sollt' ihn kennen! –

Nun komm' mit mir, du schöne Heldenbraut! –


Bei sich, auf sein Schwerdt blickend.


Ei, Gramur, schied'st so manchen Kämpfer schon

Von süßer Lust des Lebens! – Heut' auch mich

Wirst scheiden von des Lebens süß'ster Lust.

Jedoch ein edler Recke hält sein Wort.


Laut.


Komm', allzuschöne Huldin!


Gehn ab.

Offne Halle in Giukes Burg.

Gudruna ihren Knaben auf dem Arm. Grimhildis.


GRIMHILDIS.

Die Still' in deinen Kammern taugt dir nicht,

Und nicht des Webstuhls einfach dumpfer Gang.

GUDRUNA.

Doch schafft er mannigfacher Bilder viel.[141]

GRIMHILDIS.

Ja, für den Teppich, nur für dein Gemüth

Schwerdüstre Wolken – Sollst mit mir hinaus

Hier in die lust'ge Halle.

GUDRUNA.

Wie du meinst.

Mir gilt, wenn Sigurd fehlt, all' Andres gleich. –

Ist's nicht der Weg dort, den er kommen muß?

GRIMHILDIS.

Der aus dem Wald sich durch die Au' dreht. Ja.

GUDRUNA.

So dank' ich dir, daß du mich hergeführt.

Du lieber Weg, o trät' dich schon der Huf

Des edlen Thiers, das meinen Helden trägt!

GRIMHILDIS.

Sieh', wie der Knabe freudig ist. Weit streckt er

Die Händchen nach der freien Luft hinaus.

GUDRUNA.

'S geht ihm, wie mir. Er will zu seinem Vater.

GRIMHILDIS.

Zur Sonne will er, möcht' sie greifen, drücken,

Hinroll'n das goldne Spielwerk auf die Flur

In kind'schem Übermuth. – Ha, Kind, du bist

Ein wackrer Wolsung, dem Niflungenstamm

Zugleich entblüht, zwei edler Bäume Sproß,

Und künftig fruchtbar schattend beiden Wurzeln.[142]

GUDRUNA.

Wofern er aufwächst.

GRIMHILDIS.

Der? Solch frischer Knab'!

Unstörbarer Gesundheit labend Bild.

GUDRUNA.

Es giebt auch Blitze, schnell aus klarem Himmel

Herunter schmetternd unverseh'nen Graus –

Was hilft vor solchem ungefügen Feind

Dem armen Zweigling nur sein fröhlich Blüh'n?

GRIMHILDIS.

Ich hab' dich schon mehrmals gewarnt, mein Kind,

Sprich nicht so trübe Worte. Worte sind

Zwar leichte Luft, doch aus dem Menschengeist,

Dem hochgewalt'gen, schaffenden, gehaucht,

Faßt sich ihr Leben sichtbar zur Gestaltung,

Trifft schwer oft auf die Brust, der es entsprang.

GUDRUNA.

Du weissagst wider Willen selbst.

GRIMHILDIS.

O, still.

Wir drehn uns immer tiefer in den Abgrund.

EIN DIENER auftretend.

Schenkt nur gut Botenbrodt, ihr edlen Frau'n.

Nah' ist der Burg mein Herr, der König Sigurd.[143]

GUDRUNA.

O all' ihr günst'gen Götter!

GRIMHILDIS.

Er allein?

Nicht meine Söhne mit?

DIENER.

Ich sah sie nicht.

GRIMHILDIS.

Hol' dir in Helas Reich dein Botenbrodt,

Wenn sie erschlagen sind.

GUDRUNA.

Herzlieber Sigurd.


Sigurd tritt auf. Gudruna umfängt ihn, und legt den Knaben in seinen Arm.


SIGURD.

Willkommen, schönes Weib und liebes Kind.

GUDRUNA.

O hab' ich dich! O holder, tapfrer Held! –

Und muß dich schelten doch. Was! Ohne Abschied

Zogst du von mir fort? Von dem Knaben fort?

Wir Beide haben viel seitdem geweint.

SIGURD.

Ich küß' Euch all' die lieben Thränen ab.

GRIMHILDIS dazwischen tretend.

Halt' ein! Weichlicher, bund'svergeßner Mann![144]

Kamst so allein zurück? Wo meine Söhne?

Entrannst du, ließ'st du –

GUDRUNA.

Mutter, böse Mutter,

Was schiltst du den Gemahl mir?

GRIMHILDIS.

Thör'ge Tochter,

Vergiß'st der Brüder ganz?

GUDRUNA.

An was noch sonst

Gedenken! Steht ja dieser vor mir, dieser!

GRIMHILDIS.

Hinweg! Erst geb' er mir die Rechenschaft

Von meinen Söhnen –

GUDRUNA.

Nein, erst trockn' er mir

Mein thränenvolles Aug' an seiner Brust.

SIGURD.

Ihr Frau'n, seid beide still und eifert nicht.

Der Frauen Zank wird oft ein schneidend Schwerdt.

Gudruna, tritt zurück.

GUDRUNA.

Treibst fort mich? Zürnst?

SIGURD.

Nicht, holdes Weib. Doch hat die Mutter Recht,

Und ich bin tadelnswerth, daß mir dein Gruß[145]

Mein Botenamt ganz aus dem Sinn gebracht. –

Frau Mutter, gute Nachricht bring' ich heim:

Gunnar ritt durch die Flammen; hat die Braut.

GRIMHILDIS.

Heil eurer Fahrt. Jedoch wo zögern sie?

SIGURD.

Schon nahe muß ihr lust'ger Festzug sein,

Und dünkt mich, daß es schicklich wär', ihr Frau'n,

Man ließ das Hofgesind sich köstlich schmücken,

Um zu empfahn des Königs Gunnar Weib.

GRIMHILDIS zu einer Zofe.

Schnell. Alles rüste sich zu heitrer Pracht,

Auch mir die güldne Krone, mir die Schleier

Von Seid' und Perlen hell!

GUDRUNA.

Mir aus dem Hort

Von Gnitnaheide Gürtel, reiche Spangen,

So wie's der Frau des Helden Sigurd ziemt.


Man bringt das Verlangte. Die Frauen schmücken sich.


GRIMHILDIS.

Wo ließ'st du meinen Sohn?

SIGURD.

Das Hochzeitfest

War eben recht in seiner besten Lust,

Da bat er mich; mein Sigurd, du bist treu,

Gefällig, ein'ge Becher mehr und minder,[146]

Das gilt dir nicht so viel. Zieh' heut noch fort,

Und sag' der Mutter, wie es uns ergangen, –

Da sprang ich denn zu Pferd und ritt hinaus,

Noch eh' er mit der Braut zur Kammer ging.

Doch unterweg's traf ich auf Räubervolk;

Indem ich die nach Rechten abgefertigt,

Verging die Zeit, und nah' ist er gewiß.

GRIMHILDIS.

Ihm! Ihm gelang der Ritt durch Wafurloga,

Dem heissen Flammenzaun, den Niemand brach,

Bis Gunnar kam, er, das Niflungenkind! –

Was lachst du, Sigurd?

SIGURD.

'S freut mich, Schwiegermutter,

Daß du zufrieden bist.

GRIMHILDIS.

Solch eine That!

Und sahst du's, Sigurd?

SIGURD.

War recht dicht dabei.

GRIMHILDIS.

Gesteh', es ist ein großes Heldenstück.

SIGURD.

Ja, ja, die Gluth ist heiß. Es mag was gelten,[147]

GRIMHILDIS.

Er soll mir viel erzählen, recht genau,

Wie's aussieht in der Burg.

SIGURD.

Heisch's nicht von ihm.

Er spricht ungern von der vollbrachten That,

Denn selbst sich loben ist ein widrig Ding,

Daran kein Heldensinn erfreu'n sich mag.


Das Hofgesinde hat sich indessen, reich geschmückt, versammelt, man hört den Wächter vom Thurm rufen.


WÄCHTER.

Wohlauf! Wohlauf! Zum fei'rlichen Empfang

Wer's treu mit meinem Herrn und König meint!

Wohlauf! Er führt die junge Kön'gin heim,

Die schöne Beut' aus Wafurlogas Flammen,

Ganz nah' der Burg schon prangt sein freud'ger Zug.

Wohlauf! Wohlauf!

GRIMHILDIS.

Du Wächter treu, rufst gute Kund' herab,

Und wohl geseegn' es dir dein gut Geschick!

Scharf bleib' dein Aug' in späten Alters Zeit,

Kein Nachtgeist aus dem dunkelnden Gewölk

Wag's, dich zu schrecken, wie du auf der Warte

Hoch, einsam stehst, wenn andre Menschen ruhn! –

Geliebte Tochter, ihr, getreue Diener,

Zieht mit hinaus zum festlichen Empfang.


[148] Alle gehn ab. Sigurd bleibt allein zurück. Man hört festliche Musik. In der Entfernung erscheinen Gunnar, Brynhildis und Högne mit reichem Gefolge, Grimhildis und Gudruna begrüßen sie.


SIGURD.

Was geh' ich denn nicht mit? Was hält mich hier?

Ist wieder jenes thöricht eitle Sinnen

Nach Dingen, die mir laug' entfallen sind,

Und doch nur dumpf sich regen im Gemüth.

Als von der jungen Königin der Wächter

Die Kund' herunter rief, von Wafurloga –

Da ward's von Neuem wach. – Laß sehn – was war's?

Es wird mir deutlicher, seit ein'ger Zeit

Rollt weiter die Umhüllung stets zurück;

Ich bin, – fürwahr, schon einmal früher bin ich

Durch Wafurlogas Glut gesprengt – und fand

Ein süßes Leid – das hieß – Horch, die Trompeten!

Sie kommen! Muß hinaus. – Nur das noch erst,

Das noch vorrufen mir; ich bin ganz nah –

Hieß – o der Lärmen läßt mir keine Ruh,

Ich will mit hin.


Im Begriff abzugehen, und nach den Ankommenden blickend.


Brynhildis kommt! – Brynhildis?


Bleibt plötzlich stehen.


Die dort? Die ist es! Sigurdrifa war's!

War mein! Und was? Nun König Gunnar's Weib?[149]

Wart', Gunnar!


Er zückt das Schwerdt.


Nein, o nein, der ist mein Schwager!

Was ist denn das! Nun wirrt sich's auf. O mir,

Mein süßes Lieb, Brynhildis! Weichend ziehn

Die bösen Nebel fort aus meinem Sinn!

Ach, wie so spät! Hab' nun ein andres Weib,

Hab' nun ein Söhnlein! Wär's doch all' ein Traum!

Weckt mich! Ho, weckt mich! – Wehe mir, ich wache.

Verpfändet meine Lieb', mein Wort gebrochen,

Nun hält mich Treue hier, reißt dort mich hin.

Ich bin verloren! –

Jetzt spür' ich es, mit argem Zaubertrank

Ward ich bethört, gewann für Andre die,

So all' mein Leben war! – Still, Heldensohn,

Still, Wolsung! Trag', was nicht zu ändern steht.


Geht nach dem Hintergrund zu den Andern.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 115-150.
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