An Fichte

Wo dicht an der uralten Wurzelkraft

Der Sproß aufschießt in unverstellter Lust,

Ist nah' ihm auch der Erde dunst'ger Graus,

Ihr schwarzes Dunkel, samt der Migestaltung

Von Schlangen, Molchen und von Kindern sonst

Der alten Nacht, die tief in Hölen wohnt.

Drum, wer sich an der Blüthen heiterm Licht,

Am unschuldvollen Grün der lieben Blätter

Erlustigt hat, der schrecke nicht zurück

Vor dem, was unter solcher Milde lau'rt,

Ausbrechend vor der strengen Forschung Kraft,

Oft auch vor Himmels Sturm, der Wurzeln umwühlt,

Vor Himmels Blitz, der keck aufreißt den Grund.

So ging's, (stets ahnend Vorspiel spielt Natur,

In ihren Bäumen, Blüthen, tiefen Keimen),

So ging's mit all' der Menschenvölker Lauf,

Deß' Zeuge sei (statt vieler Andern Eins!)

Der Pelopideu fluchbeladner Stamm,

Von Atreus und Thyest die blut'ge Mähr',

Aegisthos Rachethat in Mord gerächt, –

Wir kennen's, wenden nicht davon uns weg.

So gönnt dem Norden auch sein strenges Recht,

Und seh't männlichen Auges in den Graus,

Der alles Lebens dunkle Wurzel ist.

Nicht zürnt dem Dichter, der dahin euch führt.

Auch ihn oftmals ergriff's, riß ihn zurück

Bei'm sträubenden Gelock aus solchen Grüften,

Darin der Tod ein blut'ges Siegerthor

Sich aufbaut, drüber prangt der wilde Haß.[1]

Nur selten klang von Sigurds Herzlichkeit,

Von Sigurds Mild' ein süsser Laut herab,

Noch seltner halbverirrten Scherzes Wink,

Mahnung an jenes Helden beß're Zeit.

Doch auch der Rache dunkler Hölengrund,

Er will durchschritten sein, vom Fackellicht

Beleuchtet auch der Warnung ernste Bilder,

Die sich zusammenreih'n um Sigurds Grab.

Wollt ihr nur weissen Schein des Nordlichts sehn?

Die blut'gen Streifen nicht an dessen Saum?

So wär's ja Nordlicht nimmer, wär' was andres,

Das Euch in das furchtsame Auge schien'.

Die Sage will ihr Recht. Ich schreit' ihr nach.

Wer einmal ihr gehört, hat sich ergeben,

Zu ihrem Priester, spricht es treulich aus,

Was einruft in sein Lied ihr heil'ger Mund.

Wer sie verkleidet will, der folg' uns nicht.

Hier zeigt sich schonungslos ihr ernstes Antlitz.

Du aber, dem zu eigen angehört

Was aus ursprünglich deutschem Leben quillt,

Der milden Blick auf Sigurds Thaten warf,

Erfreu'nd, ermuthigend des Dichters Herz,

Du wirf auch gleichen Blick's erfreulich Licht

Auf dies Gewirr des rachverströmten Blut's.

Dir ward gegeben ja, zu heiligen

Mit klaren Sinn's Durchschau'n, was trüb' und wild

Dem endlich schwachen Aug' vorüber rollt!

Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 1-2.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Tschechow, Anton Pawlowitsch

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Drei Schwestern. (Tri Sestry)

Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.

64 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon