Erste Abentheure.

[30] Halle in König Atles Burg. Morgendämmerung.

König Dietereich mit seinem Knecht.


DIETEREICH.

Nun sag' du Alter, was verstört dir so

Den grauen Kopf, daß du mich aus dem Schlaf

Aufrüttelst zu der ungewohnten Stunde,

Hierher mich in die offne Halle lockst,

Vielleicht wohl gar in's Blachfeld noch hinaus.

KNECHT.

Hinaus, mein lieber Herr! O ja, hinaus.

DIETEREICH.

Du machst mich lachen.

KNECHT.

Still, mein theurer Herr.

Ein lauter Ruf spräch' dir dein Todesurtheil.

DIETEREICH.

Ständ'st du nicht vor mir, Bläß' im Angesicht,[30]

Im Aug' der ungewohnten Thräne Leuchten, –

Ich dächte, Atles Wein hätt' dich bethört. –

KNECHT.

Sprich doch nicht mehr. Fleuch! Kostbar ist die Zeit

DIETEREICH.

Fliehn? Du vergiß'st, ich bin ein Flüchtling schon,

Von Leut' und Land vertrieben, hier ein Gast,

Und Atles Macht beschirmt mich Heimathlosen.

KNECHT.

Verdirbt dich. Denn beschlossen ist dein Tod.

DIETEREICH.

Von Atle?

KNECHT.

Was denn auch, mein edler Herr,

Hatt'st du mit seiner schönen Königin?

Ist er ein Greis und du ein blüh'nder Held,

Du hätt'st doch ehren soll'n ein gastlich Haus,

DIETEREICH.

Ich glaub' du rasest. Meinst du, um Gudrunen

Hab' ich gebuhlt?

KNECHT.

Der König Atle meint's.

DIETEREICH.

So helf' mir meines Stammes günst'ger Geist

Zurück dereinst in mein ererbtes Reich,[31]

Wie ich schuldlos an solchen Dingen bin,

Und für ein reines Bild die Kön'gin halte.

KNECHT.

Du sag'st's, ich glaub' es. Atle nicht also.

Fleuch, oder er verdirbt dich ungehört.

Er war zu Nacht bei seiner Buhlerin,

Der frechen Herke. Ich, für deine Rosse, –

Du weißt, zwei wurden dir beim Rennen wund –

DIETEREICH.

Ich weiß. Nur weiter.

KNECHT.

Kräuter sucht' ich mir

Von denen, die der Warte Mauerritzen

Heilsam entspriessen, gegen Mittag zu.

So kam ich kletternd einem Fenster nah',

Draus mir dein Name wild entgegenscholl,

Gleich hinterdrein ein also großer Fluch,

Daß ich im Schreck die alte Wand beinah

Hinabgetaumelt wär' – ich hielt mich – horchte.

Da war's Atle, der Greis, in Herkens Arm,

Und die trug ihm von dir und von der Kön'gin

So schlimme Dinge zu, daß abermals

Ein strenger Schwur aus Atle's Lippen brach,

Zu fah'n dich, dir zu geben Schmachestodt,

Nicht hörend deiner Zunge trüglich Wort. –

So sprach er, lieber Herr. Ich weiß es wohl,[32]

Nicht trügt des König Dietreich franke Rede,

Und bitt' dich, wirf drum keinen Zorn auf mich.

DIETEREICH.

Verlassen sollt' ich hier in solcher Noth

Die Königin?

KNECHT.

Du weißt sie schuldlos, Herr.

Sie will er hören, und sie wird sich retten.

Was dient' ihr nur dein hülflos Untergeh'n!

DIETEREICH.

Von neuem flücht'ger Fremdling durch die Welt. –

Feindseeliges Geschick!

KNECHT.

Es wendet sich

Schon wieder 'mal nach deiner Seite zu,

Wie's oft ja Helden that, die's erst verfolgte.

Nur mußt du ihm Zeit lassen, nicht kopflangs

Dich selbst vom Felsen stürzen, eh' es dir

Die höhern Pfade aufwärts bahnen kann.

DIETEREICH.

Nun denn, nimm deinen Gastfreund wieder hin,

Du öde Haide, wüster Wald und Moor,

Das einz'ge Haus, das mich noch nicht verrieth!

KNECHT.

Horch! 'S regt sich. Uns're Rosse stehn am Pferch.

Hinweg, und sacht', um aller Götter willen.


Gehn ab.

[33] Wingo mit Gewaffneten und Fakkeln.


WINGO.

Laßt nicht die Harnische zusammenklirr'n.

In stiller Morgenstunde hört sich's weit,

Und führe König Dietreich aus dem Schlafe,

So gölt's noch Manchem hier sein Herzensblut,

Eh' wir ihn fingen, und ihm Tod anthäten

Nach unsers Herrn Befehl. – Dort, rechts hinauf!


Gehn ab.

Atle tritt nebst Herke und einigem Gefolge auf.


ATLE.

Macht fort! Ruft mir die Kön'gin.

HERKE.

Sprich sie nicht.

ATLE.

Ich will sie aber sprechen. Was? die Stolze,

So höhnisch oftmals mir in's Angesicht,

Und heimlich Sünderin? Sie soll's vernehmen.

HERKE.

Sie ist nicht werth, dein Antlitz mehr zu schau'n.

ATLE.

Es soll sie nicht erfreu'n, verlaß dich drauf.

HERKE.

Des Königs Anblick bringt dem Frevler Gnade.

Du willst doch nicht? –[34]

ATLE.

Thorheit! Was fällt dir ein.

Das ist ein kindisch abgeschmakter Brauch,

Der wohl für schwäch're Fürsten gelten mag,

Bei denen nur der Nam' ist, nicht die Kraft.

Ich brech' ein solches Strohband. Angesichts

Thu' ich den grausen Tod ihr kund.

HERKE.

Wenn, Herr –

ATLE umschauend.

Nun ist sie noch nicht da? – Was? Ist wohl gar

Noch Keiner, sie zu rufen fort? – Ihr All'

Ich werd' euch 'mal furchtbarlich zeigen müssen,

Daß König Atle unumschränkt gebeut.


Einige vom Gefolge eilen hinaus.


ATLE.

Ich will nicht denken, Herke, daß ein Wink

Von dir dies Volk zurückgehalten hat –

Nun, zittre nicht. Ich weiß, du bist mir treu.

HERKE.

Du weißst es, Herr, und doch verstießt du mich.

ATLE.

Verstieß dich? Bleibst ja immerfort bei mir.

HERKE.

Hintangesetzt dem schnöden Niflungskind.[35]

ATLE.

Du hatt'st auch nicht den Fafnershort, wie die.

HERKE.

Hat sie ihn?

ATLE.

Hm! Die Brüder.

HERKE.

Fern am Rhein;

Und selbst des mächt'gen Atle Königshand

Reicht nicht bis dahin, wo sie ihn verbargen.

ATLE.

Das wird sich finden.

BLÖDEL auftretend.

Bruder, welch ein Lärm

Weckt ungestüm die Schläfer dieser Burg?

Du störst die süsse Ruh' uns allzufrüh.

ATLE.

Möcht'st du verschlafen Hochverrath und Treubruch?

BLÖDEL.

Was gilt's, du hast die Kön'gin in Verdacht.

ATLE.

Ha sieh'! Du auch vernahmst bereits davon,

Und warntest mich, du träger Bruder, nicht.

BLÖDEL.

Ich hörte nichts. Jedoch erräth sich's leicht.

Unfriede zwischen dir und deinem Weib[36]

Scheucht' uns ja oft des heitern Mahles Licht,

Und bringt uns noch zuletzt ein großes Unheil.

Vielleicht beginnt es schon.

ATLE.

Nein, es hört auf.

Die Friedensstörerin erblaßt noch heut.

BLÖDEL.

Du thust damit ein gar sorgliches Ding,

Denn ihre Brüder sind zwei grosse Helden.

ATLE.

Mir recht.

BLÖDEL.

Und du schon alt.

ATLE.

Zahlreich mein Volk.

Und kurz, du bist mein Bruder, nicht mein Rath.

BLÖDEL.

Schon gut, erzürn' dich nicht. Ich hielte gern

Den Frieden, doch es geh' nach deinem Will'n.

ATLE.

Ja, das versteht sich.


Wingo läßt sich mit seinem Gefolge im Hintergrunde sehn.


ATLE.

Nun? Ist er geliefert?[37]

WINGO.

Herr, nicht auf dieses Haupt wirf deinen Zorn.

Er ist entfloh'n.

ATLE.

Ihr alle seid verloren

Wenn er durch eure Schuld entkam.

WINGO.

O Herr,

Schon ledig stand sein Schlafgemach, fort war

Samt ihm sein Harnisch und sein gutes Schwerdt,

Als wir einbrachen.

ATLE.

Wär's sonst wer, als du,

Ich zweifelte. Doch will ich dir vertrau'n.

Sind ihm schon leichte Reiter nachgesandt?

WINGO.

Nach allen Winden, Königlicher Herr,

Und all' die Schaar auf so schnellhuf'gen Rossen,

Daß auch mit Windeseile geht die Fahrt.

Zudem führt jeder Bogen mit und Pfeil,

Voraus im Lauf noch sein Geschoß zu senden,

Zwiefache Kraft dem Flücht'gen nachgestreckt.

ATLE sinnend.

Wer denn verrieth's ihm? Wußt' es wer als ich?

Nein. Ha, es lau'rt Verrath den Königen

So unvermeidlich auf, daß auch die Luft,[38]

Ihn übt, wofern kein Andrer mehr es wagt,

Und leider, unverletzlich ist die Luft.


Gudruna tritt auf; ihre Frauen mit ihr.


ATLE.

Ha, wie im Festzug kommt die Stolze her.

GUDRUNA.

Ich seh' hier eine Sitte neuer Art,

Daß ihr die Kön'gin in des Morgens Frühe

Vom Lager eilig weckt, sie vor den Herrn

Beruft, als sei sie ein leibeignes Weib.

Will man vornehme Frau'n zu ungewohnten

Tag'szeiten schaun, so sag' man's früher an.

ATLE.

Noch immer spröd' und keck? Fürwahr man rühmte

Mir andre Weis' an dem Niflungenkind.

Zart, lieblich, hieß es, schließe sich ihr Blühn

Den Blicken kaum nur auf, doch ranke sich

Mit süsser Weichheit um den Ehgemahl.

GUDRUNA.

Wirf eine Ros' in heissen Sprudelquell,

Und bald wirst du die weiche, duftige,

Hart, kalt rückziehn aus der versteinenden,

Feindseel'gen Woge. So erging mir's hier

Von deiner rauhen Lebensweis' umstürmt.

ATLE.

Und bleibst du so für Alle hart und kalt?[39]

Wie, oder löst vielleicht ein fremder Hauch

Den starren Zauber des Versteinens auf?

GUDRUNA.

Ich hoff', ich misverstand dein Wort. Unwürdig

Traf's an mein Ohr.

ATLE.

Nein, allzuwürdig dein. –

Blick' nicht so keck. Du stehst vor deinem Richter.

GUDRUNA.

Ein Richter mir? Den trägt der Erdrund nicht.

ATLE.

Ruf' nur die fernen Brüder. Rufst umsonst.

Du bist gegeben in des Atle Hand.

GUDRUNA.

Ich brauche meiner fernen Brüder nicht.

In mir wohnt immer frisch die Heldenkraft

Des Stammes der Niflungen, ja wohnt mehr,

Denn Sigurds Wittib rühm ich mich zu sein.

ATLE.

Doch bliebst du's nicht.

GUDRUNA.

O weh' dem täuschenden

Getränk, das mir für Monden meinen Sinn

Umdunkelnd, mich hergaukelte zu dir!

ATLE.

Du trafst den König Dietreich doch hier an,[40]

Und dir misfiel er nicht, der schöne Held.

Mich dünkt, schon das war deines Hierseins werth.

GUDRUNA.

Was willst du mir? Ist Dietreich häßlich, schön,

Ich weiß es nimmer, denn seit Sigurds Fall

Verschloß mein Aug' sich vor der Männer Aussehn.

Doch klagenswerth war Dietereichs Geschick,

Fast wie mein eignes, und der Recke trug's

Hoch, königlich, wie ich mein Unheil trage;

Da strömte gern vertraulich unser Wort

In Leid und Muth zusammen.

HERKE in Atles Ohr.

Schick' sie weg,

Schick' in den Tod sie. Diesen Hochmuth beugt

Doch nichts als der.

GUDRUNA.

Schau', eine Natter hängt

An deinem Ohr, schrillt arge Red' hinein;

Doch der mit mir verbunden war, schon früh

Wußt' er der Schlangen zu erwehren sich,

Zu tödten sie, und ihren unrechtmäßig

Gewonn'nen Schatz zu heben für sich selbst.

Wie scheu'te denn Gudruna solch Gezücht!

ATLE.

Du prahlst mit Faffners Gold. Wo liessest du's?[41]

GUDRUNA.

Die Brüder nahmen's.

ATLE.

Hei, du Heldenkind,

Und konntest dir dein Witthum nicht bewahren?

GUDRUNA.

Was sollt' es mir? Sigurd war starr und kalt.

Und lieber weiß ich noch sein edles Erb'

In meiner Brüder Hand, als in der deinen,

Gewaltsamer, jähzorn'ger Greis.

ATLE.

Genug,

Die Rede spricht dein Todesurtheil dir.

HERKE.

Recht, recht! Zum schilf'gen Moor mit ihr hinab.

ATLE.

Gold ändert viel, hätt' auch wohl dich geschirmt; –

Nun führt hinaus sie in verdienten Tod.

GUDRUNA.

Ich mag das Leben kaum, doch wag' es Keiner

Mir nah zu treten. Ich will selber geh'n,

Sobald mir auf der Welt nichts mehr behagt.

Nur deinen zwei mit mir erzeugten Knaben,

Atle, thu' ich's zu lieb, daß ich vorerst

Mein schuldlos Handeln künde. Sonst, was du,

Und auch der größte Theil des Volkes hier[42]

Von mir gedächte, sollte mich nicht kümmern.

So frag' ich, wer ist Kläger wider mich?


Alles schweigt.


BLÖDEL.

Nun? Stockt's zumal? – Das wär' denn doch nicht gut.

Mein Bruder ist zwar ein gewalt'ger Herr,

Doch zu grundlosen Thaten nicht ermächtigt,

Wie mich bedünkt.

ATLE.

Ermächtigt ist mein Will'n

Zu Allem was ihm einkommt. – Aber diesmal

Gefällt es mir, die Ursach kund zu thun,

Dieweil ich vormals diese Frau geliebt,

Auch ihre Brüder halt' in Ehren hoch.

Drum, Kläg'rin, trete vor. – Nun, zögerst noch? –

Du weißt, ich bin des Harrens nicht gewohnt.

HERKE rasch vortretend.

Nun, wenn es denn durchaus sein soll und muß,

Daß man die hergebrachte Art noch hält,

Bei Klagen, aller Welt schon offenbar,

Die selbst sich richten –

BLÖDEL.

Wird denn Herke krank?

Die Augen roll'n ihr, Zittern faßt die Glieder.

Bringt diese Frau zu Bett.[43]

ATLE.

Still, sag' ich dir.

HERKE.

Ich trete dreist, als die Ankläg'rin vor,

Beschuld'gend diese Kön'gin, daß ihr Eh'bett

Entheiligt ward durch fremder Liebe Gluth.

Als König Dietereich –

GUDRUNA.

Die also bellt,

Die Hündin, schaamlos gegen diesen Mond?

HERKE.

Seht, wie sie schuldbewußt vor mir erschrickt,

GUDRUNA.

Der kann ich nicht erwiedern.

ATLE.

Führt sie fort!

GUDRUNA.

Nein; bringt alsbald vielmehr, mit heissem Wasser

Gefüllt, des Hauses größten Kessel her,

Erhitzt mit wilden Flammen mir die Fluth,

Bis ungeduldig sie in glüh'nden Dämpfen

Aufwallt vom eh'rnen Lager. Ruft zugleich

Der frommen Priester einen, der sie weihe,

Ruft Volk herbei, das zuschau' –


Einige aus dem Gefolge gehn ab.
[44]

ATLE.

Was beginnst du?

GUDRUNA.

Der Götter heil'ges Urtheil ruf' ich an,

Mich stellend nur vor ihrem Richterkreis,

Denn jeder ird'sche Stuhlherr ist unwerth

Ob Giukes Kind und Sigurds Weib zu sprechen.

Zumahl, wenn die Ankläg'rin solcher Art –

O Pfui! Ich schäme mich der Worte drum.

HERKE.

Hörst du, mein Herr! Sie trotzt. Erduld' es nicht.

ATLE.

Laß ihr doch Raum. Es ist ihr nicht genug,

Aus meinem Mund Urtheil und Schmach zu hören,

Auch von den Göttern will sie's. Hab' sie's denn.

HERKE.

Doch wenn –

ATLE.

Kein Wenn! Du bist ja deiner Sache

Gewiß! Man wagt es mindestens nicht leicht

Vor Atles Ohr zu bringen falsches Wort.

Doch wär' sie schuldlos – nun, bekenn' es gleich,

Erspar' uns Allen die Weitläuftigkeit,

Und geh' still hin, wohin du sie wollt'st schicken,

In's feuchte Wassergrab des sumpf'gen Moors.[45]

HERKE.

O Herr, was drohst du mir?

ATLE.

Ich droh' dir nicht,

Ich frag' ja nur, ob du dich sicher fühlst,

HERKE.

Ei, sonder Zweifel.

ATLE.

Gut, ich denk' es auch.

Und ist sie weg, so woll'n wir abermals

Ein lust'ges Leben führen, wie zuvor,

Eh' diese Feindliche das Haus betrat.

Fürwahr, mit ihrem Einzug nahm die Freude

Abschied von meiner Burg.

HERKE.

Wohl! Ich empfand's.

ATLE.

Selbst in der Ehe süsser Maienzeit

Gab ihre Schönheit keine Wonne mir,

Denn düster um mein hochzeitliches Lager

Zog sich der Träum' und Ahnungen Gespinnst.

Im Schlummer fühlt' ich Schwerdt' in meiner Brust,

Sah' fallen und vergehn, was lieb mir war,

Doch vor den vielen schau'rlichen Gesichten

That Eins dem Herzen mein besonders weh,

Und wirrte trüb zusammen mir den Sinn.[46]

Mir war, ich säh' zwei schöne, junge Falken

Aus meinem Bette fliegen. Welch ein Paar!

Die Fitt'ge stark und schnell, die kräft'gen Fänge

Zum Raub gekrümmt, die Augen lautres Feuer,

So daß man aus den höchsten Wolken noch,

Hernieder leuchten sah' ihr freud'ges Drohn. –

Es ist recht seltsam, doch mir regt noch jetzt

Der Geist sich ganz bei der Erinn'rung auf;

Urtheile, wie im Traume selbst mir war.

Und plötzlich lagen sie erwürgt vor mir,

Die schönen, lust'gen Zwei erwürgt vor mir! –

O weh! –

Das meinen Augen ungewohnte Naß,

So Thräne wird geheissen, spürt' ich da.

Zurück es zwängend, schien mir's, ging' ich drauf

Zum Mahl, und fänd' ein blutiges Gericht.

Ich wies es wohl zurück, – doch wie's in Träumen

Zu gehn pflegt, – ehr ich recht gewußt warum,

Aß ich mit Lust von einer süssen Speise,

In Honig eingemacht – da schrie mir wer

In's Ohr: es sind der jungen Falken Herzen. –

Von kaltem Schweiß beträuft fuhr ich empor.

HERKE.

Und du verstießst die Fremde nicht alsbald,

Die heillos kam, als heillos angesagt

Von solcherlei Gesichten, ihr nachfolgend?[47]

ATLE.

Sie wußt' es so zu deuteln und zu dreh'n,

Daß mir verhüllt blieb, was die Ahnung meine;

Zwar schaute sie, wenn ich ihr solchen Traum

Hatt' angesagt, recht trüben Blickes drein,

Nur ihre Zunge, die gestand es nie.

HERKE.

Die Läugnerin, vom bösen Anfang an;

So bleibt sie's auch noch jetzt. O schick' sie fort!

ATLE.

Ich kann sehr vieles, doch das kann ich nicht,

Vom Gott'surtheil rückdrängen den Beklagten.

Denn steh' ich auch ob allen Menschen hoch,

In Götterhänden flammt ein höh'rer Blitz,


Der Kessel wird hereingetragen. Ein Priester folgt. Die Thore der Halle gehn auf. Vieles Volk zeigt sich davor.


GUDRUNA.

Das nennt ihr siedend Wasser? Mehr der Gluth!

Aufhauchen muß sie, wie ein Nebeldunst

Der über Wiesen sich am Abend legt.


Es wird noch Feuer unter den Kessel gelegt.


GUDRUNA.

Wall' auf, du Prüfungswoge! Her die Steine! –

Sie sind doch schwer? – Werft hin sie auf den Grund.


Man wirft große Steine in den Kessel.
[48]

GUDRUNA.

Wie ungeberdig vor den harten Gästen

Zisch'st du, zweifach empörtes Element!

Zisch' nur, gestaltlos, beissend Ungeheu'r.

Wenn dir die Unschuld nah't, wirst du ein Lamm,

Ein schmeichelndes, den Herrscherarm umspielend. –

Nun sprich die Weihe, Priester, ob der Gluth.

PRIESTER.

Siedend Wasser, sichtend Wasser,

Sondre deutsam Schuld von Unschuld,

Denn wohl vermag's deine Wundermacht.

Woge schwamm in Schöpfungswonnen

Schäumend Leid in weicher Liebe,

Feu'r hielt erfassend das feuchte Spiel.

Flamm' und Welle nun wieder schwellend,

Wiegend einander, dann keck auffliegend,

Stell'n richtend rechten Weltlauf her!

Unfrevelnde Arme umflicht ein warmes

Frühlingsbad mit Lustgefühlen, –

Verbrecher durchzuckt's mit rächendem Zahn.

Schau' in dein Herz. Haucht's Schauer aus,

Hebt's in Erbeben deine Brust, –

Bekenn'! Nicht Spötter bleib' an Göttern.

Doch lacht's in lichter Zuversicht,

Liebt's was da gut heißt, thut auch so –

Tauch' ein! Weiß kommst, rein aus der Welle![49]

GUDRUNA hinter den Kessel tretend.

Und es starret das Volk,

Fragend einander:

Wem gilt der siedenden

Welle Gesaus nur?

Wir dachten, es griffe

Des Gerichtes Arm,

Nach kronentragenden

Königeshäuptern nicht.


Ja, hört's, ihr vielen

Völker des Reiches,

Ihr mannigfach fremden

Menschen vor Atles Thron:

Angeklagt bin ich,

Atles Königin, ich,

Auf Ehr' und Leben

Um ehrlos Lieben.


Schwarz und gespenstisch

Sitzt Schuld über mir.

Rauscht her verdunkelnd

Mit Rabensitt'gen –

Da erkor ich der Welle

Steigenden Wasen,

Tauche mich kühn hinein,

Daß keuchend entflieh't der Spuk.


Sie faßt in den Kessel und langt einen Stein heraus ihn hoch über das Haupt haltend.
[50]

Nun führt zum Tode mich, zum schmählichsten,

Wofern in dieser zarten Arme Weiß

Die Gluth gewagt, brandmarkend sich zu ätzen.

PRIESTER.

Wir preisen dich, Unschuld, du reine Magd,

Die still und seelig hinzieht durch das Wallen

Bedräu'nder Zornesgluth! – Reich' mir den Stein,

Du fromme Kön'gin, daß im heil'gen Haus

Der Götter er bewahrt sei förderhin,

Ein Denkmal deiner Noth und deines Siegs.


Lautes Rufen des Gefolges und Volkes.


Den Göttern Dank! Lob unsrer Herrscherin!

BLÖDE!

Ja, ja, ich sag' den Göttern gerne Dank.

Nun wird doch, hoff' ich, wieder Ruh' im Haus.

EINIGE.

Wo ist der falsche Kläger? Kläger vor!

GUDRUNA.

Laßt nur. Sie ist zu schlecht für meinen Zorn,

Die solche schnöde Rede hat gewagt.

Vielleicht auch, daß ihr selbst den blöden Geist

Umnebelt ein betrügliches Gerücht.

ATLE.

Nicht also. Mir gehört der Richterspruch,

Und wer gefrevelt hat vor meinem Thron

Mit falschen Worten wider mein Gemahl,[51]

Der leide nun an der Beklagten Statt.


Auf Herken zeigend.


Nehmt Jene. – Volk! Halt' über sie Gericht.

DAS VOLK rufend.

Zum Moor mit ihr! Versenkt sie in's Geschilf!

GUDRUNA.

Aus angeborner königlicher Huld

Gestatt' ich ihr, von überlegter Lüge

Zu rein'gen sich durch Gottesurtheils Spruch,

Ja in denselben Wassergluthen dort,

Die erst mein königlicher Arm berührt.

ATLE.

Es sei. Führt sie hinan. – Sie bebt zurück –

Wohl! Ihr geschehe nach des Volkes Stimme.


Herke wird fortgeführt.


ATLE.

Und uns, mein tugendreiches Eh'gemahl

Umschling' auf's neu der Treu' und Liebe Band.

GUDRUNA.

Mir blüh'n zwei Söhn' in dieser Atles Burg,

Die wurzeln mich an solchem Boden fest.

Sonst macht' ich nun, ein wundersamer Sproß,

Mich selber uns unwürd'gem Erdreich frei,

Hinfürder andre Gärten zu beschatten.

ATLE.

Und welch ein Sitz scheint angemessner dir?[52]

GUDRUNA.

Gar viele. Der in meiner öden Waldburg,

An meinem Webstuhl, oder Stickerahm,

Am allerschönsten der in Wallhall's Sälen

Zu Sigurds Rechten, wo die Herrlichkeit

Der Heldenlieb' und Freude wandellos

Fortstrahlt, bis selbst die Götter Nacht umdämmert.

Ja, lieber als in diesem finstern Schloß

Weilt' ich bei meinem stolzen Brüderpaar

Am schönen Rheinstrom –

ATLE.

Du, bedenk' dich wohl.

Die Mutter starb dir schon, vor deiner Brüder

Mordstahl fiel Sigurd in sein edles Blut;

Was fänd'st du noch für Lust am fernen Rhein?

GUDRUNA.

Es ziemt dir nicht, die Brüder mein zu schmäh'n

Um Sigurds Tod, seit du mit argem Sinn

Schand' über mich und Mord zu bringen dachtest.

Was jene thaten, that ein bös Geschick,

Und Brynhild's Zorn viel mehr doch als sie selbst;

Und wie ein Bruder auch die Brust verletzt.

Die schwerverwundete liebt ihren Schäd'ger

Doch in des grimm'gen Schmerzen Mitten fort;

Denn nicht so leicht vergißt die holde Lust[53]

Des Kinderlebens sich und die Gemeinschaft

Des Seins von dessen dunkler Wurzel her

ATLE.

So säh'st du wohl die Brüder gern einmal

Am eignen Heerd hier, übernähmst für sie

Mit Freuden der Bewirthung heitre Mühen?

GUDRUNA.

Wie sollt' ich nicht?

ATLE.

Wohl dann. Ein festlich Siegel

Drück' ich versöhnend auf den heut'gen Streit,

Damit kein Zorn ihn künftig mehr entfalte.

Zur nächsten Sonnenwende lad' ich dir

Die Brüder her, sich zu erfreu'n mit uns

An des Hoflagers reicher Herrlichkeit.

Da woll'n wir einmal recht in Freuden leben.

GUDRUNA.

Meinst du?

ATLE.

Was schau'st du mich so seltsam an?

Du dankst mir mit unfreundlich karger Art.

GUDRUNA.

Hm, reicher Gaben giebt es mancherlei,

Doch jegliche füllt ein verschiedner Geist.

Indessen dank' ich dir so liebevoll

Als liebevoll du an die Ladung denkst.[54]

BLÖDEL.

So ist es recht. Mich freut's, daß Friede bleibt,

Denn ob ich zwar vor keinem Feinde scheu bin,

Muß man's doch eingestehn: seit Sigurds Tod

Sind die Niflungen die zwei besten Krieger.

ATLE.

Wingo soll auf die Fahrt, sobald die Pracht

An Pferden, Ringen, Schmuck und Harnischen,

Wie's solcher Sendung ziemt, geordnet ist.

Hörst du, mein Wingo? Folg' mir ins Gemach,

Die näh're Weisung dorten zu empfah'n.


Im Abgehn.


Was starrt das Volk noch vor der Königsburg?

Die müß'gen Augen brauch' es anderswo.

Treibt's auseinander, schließt der Halle Thore!


Geht ab.


GUDRUNA für sich.

So? Glaubst du mich denn blind, du greiser Wolf.

Ei, wie das Fafnersgold in dein erstorbnes

Gemüth so lockend und erweckend blitzt!

Nein, Brüder, nein, ihr sollt nicht in's Verderb.


Laut.


Ruft Wingo.

EINE ZOFE.

Mit dem Kön'ge ging er.[55]

REIGEN.

Schwer abwärts zieht's mich in den dunkeln Schlund,

Wo Hela herrscht ob bleichen Nachtgespenstern;

Doch etwas wohnt in mir, das will ich nicht mit,

Will bleiben in der freud'gen Oberwelt

Es ist die Sage, wahrhaft, tiefen Sinn's,

Um die auf Erden ich allein nur weiß.

Sie strömt mir von den Lippen, sich befreiend

Aus meinem Todesdunkel. Merk' nun auf,

Du Jüngling, dem ihr Tönen sich ergeußt!


Weit ist die Welt,

Asen wollten wissen,

Wie weit sich Welt ausstreckt.

Zog zum Suchen hinaus

Odin samt Häner und Loke,

Hoben sich fort auf die Fahrt.


Kamen an Quellenrand,

Klug fischte die Otter dort,

Loke nahm Kiesel;

Er zerschmiß der Otter Kopf,

Fing Fisch und Otter,

Ging vergnüglich fort, froh der Jagd.


Kamen an ein kleines Gehöft,

Hreidmar hauste drin[56]

Mit Faffner und Reigen.

Das waren die Söhne des Manns;

Fragten die Fremden:

Gebt ihr uns gute Nachtherberg'?


Geben euch gute Nachtherberg',

Gastliche! sagten die Söhne,

Schreitet nur über die Schwelle.

Wanderer warteten nicht,

Wanderten über die Schwelle,

Brachten die Beute mit.


Otter schontet ihr nicht?

Schrie da der schlimme

Zürnende Hreidmar.

Ottur, mein dritter Sohn war's,

Der fing, sich verwandelnd, viel Fisch', ein,

Ottur'n erschlugt ihr, schwer sühnt ihr's.


Bringt mir brav Goldbarr'n!

Häner und Odin behalt' ich,

Loke flügle den leichten Lauf!

Fort in die Welt! Komm wieder.

Wenn du den Balg von Ottur

Kannst zudecken mit Gold.


Blieb Häner und Odin gebunden,

Lief Locke mit leichten Lauf

Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 30-57.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Apuleius

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der goldene Esel. Metamorphoses, auch Asinus aureus

Der in einen Esel verwandelte Lucius erzählt von seinen Irrfahrten, die ihn in absonderliche erotische Abenteuer mit einfachen Zofen und vornehmen Mädchen stürzen. Er trifft auf grobe Sadisten und homoerotische Priester, auf Transvestiten und Flagellanten. Verfällt einer adeligen Sodomitin und landet schließlich aus Scham über die öffentliche Kopulation allein am Strand von Korinth wo ihm die Göttin Isis erscheint und seine Rückverwandlung betreibt. Der vielschichtige Roman parodiert die Homer'sche Odyssee in burlesk-komischer Art und Weise.

196 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon