Zweite Abentheure.

[57] Ein Vorgemach in Gunnars Burg.

Zwei Diener tragen einen Weinschlauch.


EINER.

Setz' ab. Das wiegt zu schwer.

DER ANDRE den Weinschlauch öffnend.

Wir wollen's erleichtern.

ERSTER.

Du! Laß' die Herr'n das merken.

ZWEITER.

Merken? Die?

In ihren Häuptern summt es ja und schäumt

Wie nah' beim Bingerloch der alte Rhein.

Sah'st doch, wie all' die andern Gäste schon

Vom Platze wichen, nur die beiden Könige

Stand halten, oder Sitz vielmehr, denn's Stehn

Möcht' ihnen doch schwer fallen.[58]

ERSTER.

Der Gesandte

Des Königs Atle hält auch wacker aus.

ZWEITER einen Becher aus dem Schlauche füllend.

Da! Trink' erst 'mal. Es komm nachher an mich.

Wenn Kön'ge schmausen, muß die Kraft des Weins

Ermunternd sprüh'n auf ihre Diener mit. –

Ja, der Gesandte, meinst du? – Bruder hör',

Der goß dir manchen Becher edlen Tranks

Zisch! in des Heerdes lodernd Feuer bald,

Bald heimlich auf den glatten Estrich aus,

So daß es unsre Herren gar nicht sahn.

ERSTER.

Der Kerl muß doch ein ausgemachter Narr sein

So guten Wein verschütten, – denn, – sieh' an –

Ich meine guten Wein –

ZWEITER.

Aha! Er steigt

Dir auch ein wenig in den kahlen Kopf.

ERSTER.

Was? Die zwei kleinen Becher? – Nennst das Becher? –

ZWEITER.

Darum ward dir der Schlauch vorhin so schwer.

Nun mach! Sack' auf, und fort. Herrschaften kommen.


Sie tragen den Schlauch hinaus.

[59] Kostbera und Glamwor treten auf.


KOSTBERA.

Es ist nicht richtig. Irgend heimlich Uebel

Lauscht hinter dieser Botschaft falschem Prunk.

GLAMWOR.

Ach, wer auch immer Arges denken will!

KOSTBERA.

Nein, wer sich stets in Schlummer wiegen will! –

Sieh' doch die Täflein hier, so der Gesandte

Uns eingehändigt von Gudrunens Hand.

GLAMWOR.

Nun ja, was ist da weiter dran zu sehn.

Ich sehe Runentafeln guten Inhalts.

KOSTBERA.

Doch schlechter Schrift. Die Züge ganz verstellt,

Verwischt, undeutlich, ja bisweilen falsch.

GLAMWOR.

Das that die Eile.

KOSTBERA.

Kennst Gudrunen nicht?

Die vielgelehrt', erfahrne Schreiberin?

GLAMWOR.

Wir sah'n sie niemals.

KOSTBERA.

Doch ihr Ruf ist laut.[60]

Und die, die sollte sich so grob verschreiben?

Da, sieh nur hier – und hier –

GLAMWOR.

Ja, seltsam ist's.

KOSTBERA.

Verändert hat den Inhalt der Gesandte.

GLAMWOR.

Du sprichst ein keckes Wort.

KOSTBERA.

Nur ein wahrhaft'ges.

GLAMWOR.

Und weshalb warntest du die Kön'ge nicht?

Wir füllten ja des Mahles Becher stets,

Und leicht haucht man ein Wort dabei in's Ohr.

KOSTBERA.

Du siehst doch, wie der Wein sie schon bethört.

Da findet gutes Wort nicht gute Statt;

Doch Morgen, wenn die Ueberlegung nüchtern

Hereinbricht mit der Frühluft kaltem Hauch,

Sprech' ich zu Högne, sprich zu Gunnar du.

GLAMWOR.

Gern. Denn fürwahr, du hast mir meinen Sinn

Ganz aufgeschreckt mit deinem finstern Mistrau'n.

KOSTBERA.

Was dran ist, wird sich zeigen. Komm zu Bett.


Gehn ab.

[61] Gunnar tritt auf, einen großen Vorhang im Hintergrunde wegreißend. Man sieht Högne und Wingo am Heerde, bei Flaschen und Bechern.


GUNNAR.

Hu! Wie die Hitze durch's Gemach hindampft!

Wir wollen es lüften. Vor den läst'gen Zeugen

Bedarf es keiner Vorsicht fürderhin.

Denn wir nur in der Burg, wir wachen noch,

Die Andern hat, was Heldenflammen anschürt,

Der edle Wein, bereits in Schlaf gejagt.

Doch soll'n sie erst noch Wein uns schaffen.


Rufend.


Wein her!

HÖGNE.

Laß sein, Herr Bruder. Gieb dich doch zur Ruh'.

Hier ist noch Wein.

GUNNAR.

Das hätt' ich bald vergessen. –

So schenk' doch ein. – Am Gaumen klebt mir schon

Die Zunge. – 'S macht des Heerd's gewaltig Feu'r.

Drum thut' mir den Gefall'n, kommt weiter vor.

Hier ist es kühl und frisch.

WINGO.

Nach deinem Willen,

Mein hochgewalt'ger Fürst.


Er und Högne kommen in den Vorgrund.
[62]

GUNNAR.

Das nenn' ich mir

Zwei wackre Zechgesell'n – bringt mit die Becher –

'S ist doch des Lebens allerbeste Lust,

Mit braven Männern froh bei'm Weine sein.

HÖGNE.

Mit braven Männern – ja, da hast du Recht,

Doch, wenn man in ein lauernd Angesicht

Schau'n muß beim Trunk, – da wird der Wein zu Gift.

WINGO.

Das sag' ich auch, mein Fürst; aus ganzem Herzen.

HÖGNE.

So?

GUNNAR.

Nun ich hoff', du zweifelst nicht daran –

Vorhin zwar rauntest du mir Worte zu –

HÖGNE.

Still, Bruder.

GUNNAR.

Ja, mit mir hätt'st du's zu schaffen.

HÖGNE.

Nun, strenger Herr, ich scheu' dich eben nicht,

Und möcht' dich nur an jene Sage mahnen,

Wie Loke, der gewalt'ge, kluge Feind,

Feind aller Götter, aller Menschen auch,[63]

Bei Aegers Mahle saß, der Zwietracht Funken

In Becher sprüh'nd –

GUNNAR.

Thu selbst desgleichen nicht.

Wir sind hier einmal froh, seit langen Jahren

Ich einmal froh.

HÖGNE.

Hätt'st du mich eh' gehört,

Die Freude wär' dir nicht seit daher fremd.

GUNNAR.

Laß dein Hofmeistern, denn du bist berauscht.

HÖGNE.

Ich läugn' es nicht, mir tos't der Wein im Haupt,

Jedoch des Sinn's Lichtblicke leuchten durch.

GUNNAR.

Hör' doch den Unsinn, lieber Abgesandter.

Laß ihn, und sprich zu mir. Das stör' dich nicht,

Was der im Rausche sagt. Ich bin vernünftig.

Wie klang vorhin das mit der Vormundschaft?

WINGO.

Ja, Herr, mein König wird nun alt und schwach –

GUNNAR.

Hör' mal, Gesandter, dazu braucht' es nicht

Der weiten Reise, das mir anzusagen.

Das weiß ich besser, als dein König selbst.

Auf hohem Neste sitzt der alte Falk,[64]

Das er in kräft'ger Jugend sich erbaut,

Doch nun erloschnen Auges, matter Kralle

Schaut er im Schwindel um, und hält sich kaum.

WINGO.

Drum eben, liebe Herr'n, kam ich zu Euch.

Ihr wißt, er hütet junger Falken zwei

Aus Euerm Stamm –

GUNNAR.

Du meinst Gudrunens Kinder.

Das merk' ich gleich, denn ich bin nicht berauscht.

WINGO.

Behüte! –

HÖGNE.

Bursch' du lachst, verzerrst den Mund!

WINGO.

Ei, lieber Herr, das thut des Heerdes Gluth,

Umspielend mein Gesicht mit rothem Flackern.

GUNNAR.

Ja, ja; er meint es ehrlich. Das versteht sich.

WINGO.

Die jungen Falken, Eures Stamm's Gesproß,

Sollt Ihr ihm hüten und bewahren treu,

Vormünder Ihr, und sollt des Land's Einkommen

Bis zur Volljährigkeit der Knäblein ziehn. –

GUNNAR.

Mein Bruder, hör' das steht nicht zu verwerfen. –[65]

Was? Die Verwaltung solches weiten Land's?

Mich hat es schon gar lang' und schwer gekränkt,

Daß sich der Abkunft Odins rühmen darf,

Wer aus dem Sigurds Stamm entsprossen ist.

Hinunter Odin! Wir am Himmel auf,

Wofern wir Atles Land befehligen!

Hei! Wie schon Alles glüht von Siegesfackeln,

Verherrlichen der Niflungen Gewalt. –

Gesandter, ich zieh' mit. Auf Ehrenwort.

WINGO.

So reich' mir, Herr, versichernd deine Hand.

GUNNAR.

Da! – Nun, der Handschlag war doch treu und derb.

WINGO.

So ziemlich. Wie ein Beilhieb traf er mich.

HÖGNE.

O Bruder mein! O weh! Was hast gethan!

GUNNAR.

Misfällt es Dir? Ei nun, so bleib' daheim.

HÖGNE.

Nein, nein. Ich habe Dich gar treu gewarnt,

Du wollt'st nicht hören. Geh's denn an den Fall

Für uns allzwei zugleich. Ich zieh' mit Dir.

Her, freud'ger Tod für lang' unrühmlich Leben!

GUNNAR.

So bist mein Bruder, ein Niflungenkind.[66]

HÖGNE.

Kennst Du Wolfshaare?

WINGO.

Ach, welch eitles Träumen!

HÖGNE.

Ein Wolfshaar war geknüpft an jenen Ring,

Den meine Schwester uns hat hergesandt.

Wolfshaare deuten wölfisches Gemüth –

Wir haben einen Schwager seltner Art. –

GUNNAR.

Das mag nun seyn, mag nicht. Ich gab mein Wort.

HÖGNE.

Ja, bei der Reise bleibt's. Gut' Nacht, Gesandter.


Geht mit Gunnar ab.


WINGO.

Wie leicht doch ist es, Helden einzufahn!

Recht lust'ge Jagd. – O Ihr verlornen Beide! –

Gut' Nacht nun. Ihr seid mein und meines Herrn.


Geht ab.

Des Morgens drauf.

Högnes Gemach.

Kostbera und Högne.


KOSTBERA.

Ich bitte Dich, gieb meiner Warnung Raum.

Die Fahrt gewinnt für Euch kein gutes End'.[67]

HÖGNE.

Das glaub' ich selbst. Jedoch ich gab mein Wort.

KOSTBERA.

Und willst Du mir nicht traun, so trau' den Göttern,

Die mir in dieser Nacht unruh'gem Schlaf

Der Träume viel gesandt, und schreckliche.

HÖGNE.

Was sahst Du denn?

KOSTBERA.

Zuerst mein Ehebett,

So Leilach als Gestell, in Flammen stehn,

Ja selbst der Veste Dach davon ergriffen.

HÖGNE.

Das deutet wohl auf reichen Ueberfluß,

Wo man des läst'gen Leinenzeugs verbrennt.

KOSTBERA.

Dann brach ein grimmer Bär in unsern Hof,

Mit seinen Tatzen furchtbarlich zerreissend,

Was ihm in seine schlimmen Wege kam.

HÖGNE.

Solch ein Gesicht zeigt heft'ge Stürme an.

KOSTBERA.

Doch was der Adler, der zur Burg herab

Verderblich wilden Flügelschlages kam,

Blut sprengend auf das Estrich weit umher?

HÖGNE.

Da siehst Du's. Zubereitungen des Fest's.[68]

In Atles Hofe schlachtet man der Stiere

Wohl eine große Zahl, uns zu bewirthen.

In Träumen gilt ein Adler öfters auch

Für einen Stier, nachdem der Sternengeist

Das Bild der Zukunft eben bunt verzerrt.

KOSTBERA.

Du deutelst mehr, als daß du deutest, Högne,

Verschließ'st das Aug' geflissentlich der Noth,

Die warnend aufsteigt aus der Zukunft Schlund.

HÖGNE.

Das taugt fürwahr auch nicht, dergleichen Dinge

In's Auge fassen allzu scharf und schlau.

Was einmal nicht zu ändern ist, gescheh'

Und werde nicht im Voraus schon beklagt.


Gunnar und Glamwor treten auf.


GUNNAR.

Schön guten Morgen, Bruder. – Hör' doch an,

Was mir mein Weib von unserm Zuge sagt.

HÖGNE.

Nichts Gutes, denk' ich.

GUNNAR.

Nein.

HÖGNE.

Ob sie wohl Recht hat?[69]

GUNNAR.

Hm! – Von den Runentafeln, wie verstellt,

Verwischt die Züge drauf – das weiß'st du schon?

HÖGNE.

Nur allzu gut.

GUNNAR.

Und dann mit ihren Träumen!

Glamwor, erzähl' es doch dem Bruder auch.

GLAMWOR.

Soll ich den Schrecken siebenfach erneu'n?

Kaum mehr entwirr' ich selbst im eignen Sinn

Der nächt'gen Warnung schauerlich Geweb'.

Am Hochgericht sah' ich den Eh'gemahl,

Und Schlangen, sätt'gend sich von seinem Leib;

Dann wieder blutig all' sein Leinenzeug,

Und draus ein Schwerdt gewickelt, scharf, sehr scharf –

Und Wölfe heulten so um Knauf als Spitze –

Zuletzt – o, manches bleibe still und stumm –

Denn wie ein endlos Meereswallen drängt sich's. –

Zuletzt sah' ich durch unsre Hallen hin

Gespenstisch bleiche Weiber sich ergeh'n,

Den Gunnar sich zu ihrem Bräut'gam heischend.

Es war, bedünkt mich, der Walküren Schaar.

GUNNAR.

Dies eben regt mir die Gedanken auf,

Und sagt mir: kurz sei meines Lebens Bahn.[70]

HÖGNE.

Mag sein. Es werden Kriegsherrn selten alt.

GUNNAR.

Sag' nur, was du von diesem Zuge meinst.

HÖGNE.

Das Schlimmste, Bruder. Diese Träume all',

Sie logen nicht, die treulich warnenden.

Jedoch um Frage Frage. Dünkt dich nicht

Viel wen'ger übel der Niflungen Tod,

Als der Niflungen schmählich Wortverdrehn?

GUNNAR.

Versteht sich.

HÖGNE.

Nun, so komm an Atles Hof.

Ich zeigte dir – du warst erst halb berauscht –

Ich zeigte dir Gudrunens goldnen Ring,

Daran ein Wolfshaar künstlich war geknüpft –

Du wolltest nichts verstehn, und gabst dein Wort.

Nun dann hinaus, hinaus nach Atles Burg.

GUNNAR.

Ganz Recht. Das Wort gegeben, That gewiß.

Ihr Frau'n, besorgt uns, was zur Fahrt gehört.

HÖGNE.

Und wenn die Fahrt misglückt, ein Runendenkmal.

Komm, Bruder; Luft geschöpft auf frischer Jagd.[71]

GUNNAR.

Ja komm. Ich hab' dir so was zu vertrau'n

Vom Faffnersgold –

HÖGNE.

Schon gut. Wir wolln's besprechen.


Gehn ab.


GLAMWOR.

Ach, wenn ich's wüßte, was die Zeiten bringen!

KOSTBERA.

Wir können's nicht verhindern; laß uns drum

Den Geist hinlenken auf das heitre Werk

Des Web'stuhls und des Wockens, folgsam fördern

Der Männer adlich prächt'gen Heldenzug.

GLAMWOR.

So such' mit mir denn die Kleinodien vor.

KOSTBERA.

Ja, und die Fäden, hell an Farb' und Gold.


Sie sind im Begriff abzugehn.


GLAMWOR.

O, laß' uns nach der andern Seit' hinaus!

Der häßliche Gesandte Atles kommt,

Ein widerwärt'ges Bild für meinen Sinn.

KOSTBERA.

Nein bleib, ertrag' nur die unfrohe Näh'.

Mich dünkt, ich schaffe draus was Gutes noch,

Zu sichern unsrer lieben Eh'herrn Fahrt.[72]

GLAMWOR.

Wenn du das könntest! Liebe Schwägerin,

Versuch's, erdenk's, und was ich soll, gebeut,

Denn dies ertrüg' ich drum, und noch weit mehr.


Wingo tritt auf.


KOSTBERA.

Du, Mensch aus unbekannten Landen her,

Furchtbarer, dessen Worte Tod und Leben

Umschwebt, gieb dieses mal der Wahrheit Raum!

WINGO.

Du sprichst mich seltsam an, o Königin.

KOSTBERA.

Der Wahrheit Raum, – das ist mein ernst Gebot.

Glamwor, belagre du sein taubes Ohr

Von jener Seite mit gewalt'gem Ruf;

So schmettern wir vielleicht ihm bis in's Herz,

Was aller Götter Will'n ist.

KOSTBERA UND GLAMWOR rufend.

Wahrheit! Wahrheit!

WINGO.

Ihr edlen Frau'n, wenn ich erwiedern darf. –

KOSTBERA.

Du! glattes Oel fließt wieder trügerisch

Auf deiner Zunge. Hüte dich! Lüg' nicht.

Wir sind zwei Frauen nur, und waffenlos.

Doch weiß'st du wohl, daß solche, denen Kraft[73]

Des Arms versagt ward, zwiefach furchtbar sind

In der zum Geiste rückgedrängten Macht,

Die aller leiblich engen Banden frei,

Hinaus sich geußt zu ungezähmtem Fluß,

Mit Fluch auch fernen Frevler sicher fassend,

O woll' es nicht erproben!

GLAMWOR.

Hüt' dich, Menschlein!

In mir auch quillt die ungemess'ne Fluth,

Reißt dich hinab, in ernsten Rachstroms Wirbel.

WINGO.

Ihr sprecht mit Worten einer fremden Welt –

GLAMWOR.

Und wirst du bleich?

KOSTBERA.

Und zittert nicht dein Mund?

WINGO.

Was soll ich? Sprecht! Wie zwei grau'nvolle Meere

Braus't ihr mich an, und düster sieht die Burg

Mit ihren hochgewölbten Sälen drein.

Was soll ich?

KOSTBERA.

Schwören einen theuern Eid.

GLAMWOR.

Du zauderst?[74]

WINGO.

Nein. Sagt nur, worauf, Ihr Frau'n.

KOSTBERA.

Du woll'st heimführen, unversehrt und froh

Die Männer uns.

GLAMWOR.

Schau, wie der Falsche bebt!

WINGO.

Ihr seid furchtbar, ihr beiden. Laßt mir Zeit.

GLAMWOR.

Nein, jetzt. Wo nicht, den Raben dein Gebein.

WINGO.

Ich schwör' ja schon.

GLAMWOR.

Laut! Ich vernehm' es nicht.

WINGO.

Zu'n Riesen fern will ich verbannt hin seyn. –

KOSTBERA.

Erleiden auch des Kreutzes Schmachestod? –

GLAMWOR.

Wofern? –

WINGO.

Wofern ich nicht die Kön'ge Euch

Heimliefre, frisch, gesund, froh ihrer Fahrt.

KOSTBERA.

Gesprochen ist dein Eid. Nun hüt' ihn wohl.


Wingo geht ab.
[75]

GLAMWOR.

Wie ihm die Kniee zittern! Schau, er hält sich

An allen Wänden fest.

KOSTBERA.

Es rauscht der Tod

Nun über ihm, wie über unsern Herr'n.

Wir thaten, was wir sollten, theure Glamwor,

Doch denke nicht an glücklichen Erfolg.

GLAMWOR.

O, diese schlimme Reise!

KOSTBERA.

Komm nur mit.

Noch schmücken Jegliches den Ehgemahl

Laß' uns, damit der edle Opferzug

Hellglänzend zieh', wie's solchen Opfern ziemt.

GLAMWOR.

Den Wittwenschleier such' ich mit heraus.

KOSTBERA.

Thust gut. Denn solchen Festen schleppt er nach.


Gehn ab.

Am Rheinufer.

Nacht.

Gunnar und Högne stehn bei vielem Gepäck am Rande des Stroms.


GUNNAR.

Wir fuhren, schleppten all' die Nacht hindurch,[76]

Und kaum, da schon dem grauen Ostgewölk

Ein hell'rer Streif entleuchtet, brachten wir

Den Goldhort Faffner's endlich hier zur Stelle.

HÖGNE.

Den trug doch Grane einst, das edle Roß,

Mühlos, und seinen Reiter Sigurd mit.

GUNNAR.

Damals, o Bruder mein, war beß're Zeit.

HÖGNE.

Dieweil ein bess'rer Held, der Sigurd, lebte.

Die Zeiten gehn nach ihrer Helden Maaß.

GUNNAR.

Wir sind doch auch nicht übel.

HÖGNE.

Wie man's nimmt;

Wir sind die besten ziemlich dieser Welt,

Doch keinen Sigurd giebt's auf Erden mehr.

GUNNAR.

Mach' mich doch nicht betrübter, als ich bin.

Mir kommt ohn'hin schon Alles traurig vor.

Zum Beispiel, als bewahrten wir den Schatz

Hier in des Rheines dunkeltiefer Fluth,

Um nimmermehr ihn wieder anzuschau'n.

HÖGNE.

Was soll das Grübeln!


Stößt einen Ballen in den Strom.
[77]

GUNNAR.

Horch! – da liegt er nun

Begraben in dem unbekannten Bett!

HÖGNE.

Viel besser dort, als in des Feindes Hand.

GUNNAR.

Ja, unsre Reise führt vielleicht fernab;

Dann halte du, mein Rheinstrom, unser Gut.

HÖGNE.

Nun sieh dir noch vorher die Gegend an –

Die Rüster dort, – der große Feldstein hier –

Daß wir rückkehrend nicht den Schatz verfehlen.

GUNNAR.

Rückkehrend? Glaubst du dran?

HÖGNE.

Was fragst du viel!

Wir stell'n uns so, vor Andern und vor uns.

Rasch an die Arbeit. Also muß es seyn.


Sie wälzen das Gepäck ämsig in den Fluß.


GUNNAR.

Wie's schäumt, wie's rauscht,

Vom tiefen Schlund

Des furchtbar'n Verwahrers auf!

Hab's empfangen!

So haucht sein Athem

Bezeugend im zischenden Laut.[78]

HÖGNE.

Roll' hin, roll' hin,

Du reiches Gut,

Das Vielen werth und lieb war.

Am Ufer vielleicht

Forschen sie künftig,

Forschen vergeblich nach dir.

GUNNAR.

Gunnar und Högne,

Die hohen Könige,

Sie senken dich ein, du Hort.

Todtengräber,

Mächt'ge, Große,

Begehn dir dein Begräbniß.

HÖGNE.

Und das schöne Grab!

Die schäumende Fluth,

Verklärt in Mond und Morgenlicht!

Solch ein Bette

Flüß'gen Silbers

Hätten ja Fürsten und Helden gern.

GUNNAR.

Schlaf, du Goldner,

Tief im Schooße

Der Woge bis wir dich wecken.

Rufen wir nicht,[79]

So bleib' in Ruh'

Dann schlafen auch wir, erwachen nicht.

HÖGNE.

Du sperre den gähnenden

Spalt, o Rheinfluß!

Gleit' in glänzender Welle drob hin.

Fragen dich Fremde –

Zeig' freundlich den Spiegel,

Daß sie sich selbst schaun, nie den Schatz.

GUNNAR.

Nun schweigend fort vom schweigenden Geschäft.

Und, Morgenwind, hauch' fort der Tritte Spur.


Gehn ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 57-80.
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