Erste Abentheure.

[33] Vor Ake's und Grima's Hütte.


GRIMA.

Kaum liegt auf Lindisnes weitschau'ndstem Gipfel

Das frühe Roth. Und wär' sie schon hinaus,

Das Mägdlein mit der Ziegen lust'ger Schaar?

He! Krake!

ASLAUGA singt ungesehn.

Weide, woll'ge Heerde,

Weide folgsam, artig,

Laß dich leichtlich lenken,

Lieblich ist die Stimme

Deiner hohen Hirtin,

Hold der Hirtin Bildung.

GRIMA.

Fürwahr, sie treibt den Berghang schon hinan.

Krake! Hierher! Die Mutter ruft dich heim! –[33]

Unwillig dreht sie sich, und kommt zurück. –

Ja, wenn du Trotzkopf erst erfahren wirst,

Wozu ich dich berief! Heut soll's geschehn,

Und sieh' du noch so stolz und vornehm drein.

Ei denkt doch! Achtzehn Jahre dein gepflegt,

Heraufgezogen dich mit Sorg' und Noth –

Und nun nicht 'mal Gehorsam? Woll'n dich beugen.

ASLAUGA auftretend.

Was rufst du von der Heerde mich zurück?

GRIMA.

Die trifft wohl 'mal allein gewohnten Pfad,

Auch sollst du bald von Neuem mir hinaus.

Nur erst –

ASLAUGA.

Was hast du da? Die garst'ge Scheere!

Klirrt die schon wieder dir in dürrer Hand?

GRIMA.

Ich hab' dir nun so lange nachgesehn,

Doch heute muß dein goldnes Haar herab.

ASLAUGA.

Was thut dir denn mein liebes, goldnes Haar?

Du siehst's ja kaum einmal: fest legt die Kappe,

Die grobe, schwarze, sich darüber hin.

GRIMA.

Wenn auch. Es war ein guter, alter Brauch

Seit deiner Kindheit her, den goldnen Hochmuth

Mit jedem Mondeswechsel fortzuthun.[34]

ASLAUGA.

Mit jedem Mondeswechsel weint' ich drum.

GRIMA.

Doch folgtest du. Nun seit zwei Jahren schon

Zeigst du dich widerspänstig, und bewahrst

Die helle Zier, als wärst du eine Kön'gin,

Und thät' dir reicher, goldner Hauptschmuck noth.

ASLAUGA.

Was sollte Schmuck mir auf den wüsten Haiden?

Er wär' für dumpfes Vieh und dessen Hirten

Zu gut. Ich lass' ihn drum auch Keinen sehn.

GRIMA.

So hilft's dir auch zu nichts.

ASLAUGA.

Ich hab' es lieb,

Mein edles, reiches, königliches Haar,

Und Sünde war's, daß deiner Scheere Klirren

Ihm jemals nahe kam.

GRIMA.

Doch soll es heut durchaus, durchaus herab.

ASLAUGA.

Laß dich bedeuten. Es ist nicht für dich,

Und schafft dir auch nicht Leid, nicht Hinderniß.

GRIMA.

Nicht? Wirr macht's mir und meinem Mann den Sinn.[35]

Man wird ja ganz verstört am eignen Heerd

Ob solcher fremden, wunderlichen Tracht.

Wenn du sie kämmst, die blanken, weichen Ströme,

Man denkt, man sei verhext. Bevor die Kappe

Nicht wieder drauf liegt, kommt man nie zurecht;

Und kurz, heut will ich's so, heut soll es sein.

Ließ ich mich sonst beschwatzen, heut' nicht mehr.

ASLAUGA.

Du wunderliche Frau, willst du nicht auch

Dem Vorgebirge Lindisnes gebieten,

Daß es hinausschwimm' in die weite See?

GRIMA sich setzend.

Ich will für jetzt, du sollst hier niederknie'n,

Der Kappe dich entled'gen, und dein Haupt

Mir senken in den Schooß. Die Scheere klirrt.

ASLAUGA.

Klirr' sie für woll'ges Vieh, doch nicht für mich.

Hast du zum Scheeren Lust, so warten dein

Geduld'ge Schaaf' und Ziegen. Laß für die

Den rost'gen Stahl in deiner Hand sich regen.

GRIMA.

Ho! Sieht sie mich doch fremd und seltsam an,

Als wär' sie uns ein unerhörter Gast.

ASLAUGA.

Wär' ich das nicht, was trüg' ich goldnes Haar?

Du selber meinst ja, solchen edlen Pflanzen[36]

Sei unziemlicher Hag dein russ'ges Haus.

Beib still. Mach' mich nicht bös. Ich bin's ungern,

Und doch verdienst du's, arg' Geschlecht, um mich.

GRIMA.

Was heißt das?

ASLAUGA.

Laß. Ich will auf Lindisnes.


Geht ab.


GRIMA.

Mir wird im Leben nimmer wohl zu Muth,

Wo sie mit Blick' und Wort' so um sich schießt.

Und doch ist sie ein klug getreues Kind,

Auch mehrt sich unter ihrer Hand die Heerde.

Was hilft's! Wir bleiben arm und dürftig stets.

Der Seegen dieses wundersamen Fündlings

Reicht nie bis ganz in unser Haus herein,

Denn woll'n wir scheeren, schlachten, was sie zog,

Gleich nimmt's uns Krankheit oder Wolf hinweg.

Man sagt: der Mensch ist eignen Glückes Schmidt,

Das wird an unserm Loos mit nichten Schein.

Wir thaten, was wir konnten, blut'ges auch,

Und tiefer stets in Noth versinken wir.


Geht in die Hütte.

[37] Meeresufer, nahe bei'm Vorgebirge Lindisnes. Ragnar Lodbrogs Flotte liegt vor Anker. Ragnar steht gewaffnet am Strande. Skalden und Kriegsleute bei ihm.


RAGNAR.

Sind die noch nicht zurück, die ich in's Land

Vorausgeschickt, deß Weise zu erspähn?

EIN KRIEGSMANN.

Da kommt vom Berg so eben Rolf herab.

EIN ANDRER.

Dort Knud und Harald auch die Haid entlängst.


Rolf tritt auf.


RAGNAR.

Nun sprich, wie sieht es aus? Welch Volk bewohnt

Die Küste hier? Und wie empfängt's den Fremden?

Mit blankem Becher oder blankem Speer?

ROLF.

Ich weiß nicht, König, nenn' ich dies ein Volk.

Arm und zerstreut bewohnen wenig Hirten

Der Küste dürren Boden. Die ich sah

Entliefen scheu, noch ehr ich nahe kam,

Und was ich von des Berges Höh' erblickt

War Haideland und ein Paar niedre Dächer.


Harald und Knud treten auf.
[38]

RAGNAR.

Traft Ihr Bewohner dieser Gegend an?

KNUD.

Ja, vier bis fünf, zerlumpt ärmlich Gesindel.

Sie wollten fliehn, doch waren wir schon nah,

Ich schwang den Speer bedroh'nd, da hielten sie.

HARALD.

Wir hätten sie mit uns zurückgebracht,

Doch Sünde schien's, das bettelhafte Pack

Dir vor den königlichen Blick zu stellen.

KNUD.

Sie sagten aus: ihr's Gleichen wohne hier

In armen Hütten, Schaaf' und Ziegen wartend.

Die öde Gegend heisse Spangarhaide,

Und Lindisnes dies hohe Vorgebirg.

RAGNAR.

An welchen schlechten Strand wirft schadenfroh

Mich und mein edles Kriegsvolk das Geschick!

Und doch wohl müssen wir bis Morgen früh

Hier weilen, denn an frischem Wasser fehlt's.

ROLF.

Ja, Herr; auch an gebacknem Brod.

RAGNAR.

So eilt,

Ihr, Knud und Harald, nehmt Schiffsbäcker mit,

Und Mehl, und sucht im Land 'nen guten Ofen,[39]

Um frisches Brod dem Kriegsvolk zu bereiten.

Du, Rolf, mit funfzehn Mann nach Wasser aus.


Harald, Knud und Rolf mit Kriegsleuten ab.


RAGNAR.

Wie trogst du mich, fernschauend Vorgebirg!

Wars doch als wehte Ahnung von was Großem

Entgegen mir von deiner hohen Stirn!

Erwartend schalt ich Windes Athem träg,

Der uns heran in deinen Hafen blies.

Und nun ein dürres Land, drin Bettler wohnen!

Kein Schlachtgewühl, kein leuchtend Abentheu'r,

Die todte, bange Muße!

Da wacht gewalt'ger mir Betrübtem auf

Die Todtenklag' um mein viel holdes Weib,

Um Thora, die der Schönsten Kön'gin war.

Was hilft es mir, daß ich so Land als Meer

Umgürte mit der Flotte kühnem Lauf!

Der süsse, bittre Gast kehrt immer wieder,

Nur kaum auf Augenblicke fortgesandt.

Jetzt schleicht er auf der Meeresfluth Geroll

Wehmüthig überredend mir heran,

Und streckt mich nieder auf das Ufermoos.

Hier lieg' ich, ein vom Gram gefällter Kämpfer,

Und wenn's nur Gram ist, der mich fällen darf,

So rächt er, oft mich fällend, Andrer Schmach.

Ihr Skalden, singt ein Lied von Thora mir,[40]

Denn volle Nahrung will mein starker Feind,

Bevor er linder mir im Busen herrscht.


Gesang der Skalden.


»Du theure Hirschin, Thora, irrst

Thalauf, thalab im Abendgrau?

Wir suchen Dich, Hirschin, am Sund, auf Höhn!

Leer ist Weide, Volk im Leide,

Liebliche Hirschin, freundliche Kön'gin –

Thora, wir rufen nach dir! Thu auf dein Ohr!«


»Ruf' nicht, du Volk, die Fürstin ruht,

Fand blum'ges Land zu stillem Bett,

Wiesengrund zum Wiegenküssen.

Schwesterblumen blüh'n hier westlich,

Blasen von Morgen dort labende Düfte,

Wehren ab Mittags Gluth und Mitternachts Wind.«


»Ich sah wohl lodernd die Lohe wehn,

Weit über'n Scheiterhaufen hin,

Sah Funken leuchten, Lichter funkeln;

Da schwang sich Geist hinauf, da sank

Die süsse Blum' in's blum'ge Bett, –

Rufe nicht fürder, Volk! Die Fürstin schläft.«


»Und es schweigt das Volk, und weinet fast,

Wallt fern dem kalten Ruhebett,

Nur Luft lauscht dort und Frühlingsduft.[41]

Da ertönt ein tiefes Stöhnen,

Trauernd um der Frauen Schönste,

Das hält sein Recht, und läßt sich nicht hemmen.«

RAGNAR.

Und hält sein Recht, und läßt sich nicht hemmen!

So gönnt mir denn mein Recht. Nur Ragnar darf

Der Todtenklage letztes Versmaaß singen;

Still, laßt mich's füllen. Dies ist meine Reih'.


»Die schlanke Maid errang ich mir

Mit blut'gem Speer und keckem Muth,

Drum klag' ich um sie, darf klagen um sie.

Stöhrt mich Ihr Fremden nicht, bleibt fern.

Verlort Ihr was? Ja, Thora's Licht. –

Aber ich verlor die süsse Thora selbst.«


Ich will auf's Schiff zurück. Den öden Strand,

An dem mir Kampf zu Thoras Ehr' und Preis

Nicht ward vergönnt, ich hab' ihn hoch gewürdigt,

Indem ich seinem rauhen Wiederhall

Den süß'sten Namen lehrt' aus aller Welt.

Doch braun und häßlich spannt zum Gegengruß

Sich Haide aus, lustleerer Aufenthalt.

Die Wellen soll'n begleiten Euer Lied,

Uns wie in blanker Silberwiege schaukelnd.

Ihr Skalden, kommt. Singt mir den Tag hinweg.


Alle ab.

[42] Auf dem Vorgebirge Lindisnes. Aslauga mit ihrer Heerde.


ASLAUGA.

Hinauf zur Höhe, Widder,

Die muntre Heerde leite dir nach!

Oben in reinern Winden schwankt

Das weichste, das heilsamste Gras.

Oben keimen im reinern Licht

Die duftigsten der Kräuter.

Hinauf zur Höhe, Widder,

Die muntere Heerde leite dir nach.


Der Heerde, so ich weide,

Ziemt hoher Stand vor andern,

Ziemt erles'ner Speise viel,

Und spiegelnder Trank der Quellfluth.

Hört ihr sie sprudeln, die hohen,

Die hellen Gewässer des Berges?

Immer noch kühner, höher empor,

Auf zur Krone des Vorgebürgs!


Hier auf dem freien Gipfel sitz' ich gern.

Der Wellen Spiel, aus blauer Fern' herüber,

Erlabt mit reichen Bildern meinen Sinn.

Wie das hinrollt, in weite Welt hinaus!

Wie das anrollt zum kies'gen Strand heran,

Zum stillen, wohlbekannten, und dann wieder[43]

Abprallt in endlos unbewußtem Ringen!

Du bist ein wundersam Geschöpf, du Meer,

Mit deinen weitgestreckten, blauen Armen,

Und die zugleich doch süß dem engsten Strand

Zu kosen wissen, seine Gräser schmeichelnd,

Und seine Stäucher, nickend in die Fluth.

Besänft'gend deine kühne Sehnsucht dir

Nach ungeseh'nen, ferngeahnten Landen,

Umfängt auch dort im stillen Busen dich

Ein trauter Hafen –

Blicke, trügt ihr?

Blendest mich Sonne?

Oder wallen

Weisse Seegel,

Oder schwimmen

Schwarze Schiffe

Wahrhaft auf des

Hafens Wogen?


Schiffe schwimmen,

Seegel schwellen,

Waffen erglänzen,

Feuer glimmen, –

Edles Kriegsvolk

Kränzt der Schiffe,

Füllt der Schiffe

Feste Borde.[44]

Gekommen ist die Stunde, wo vom Haupt

Der schnöden Kappe Nacht mir sinken muß.

Hinweg, du Neid'sche! Wallt, ihr goldnen Haare!

Eur's Gleichen liegt vor Anker in der Bucht,

Dem ihr euch als Verwandte zeigen müßt.


Und du, sprudelnder Bergesquell,

Spiegle, wasche mein blühend Haupt!

Wie bin ich schön in goldnen,

Wie schön in blanken Locken!

Ich, auf hohen Gipfeln erblüht,

Ich Blume, senke nun säuselnd

Hinab in staunenden Thalgrund mich;

Heerde, gehorsame, folg' mir nach.


Geht ab.

Vor Ake's und Grima's Hütte.

Grima sitzt und spinnt, Knud und Harald stehn vor ihr.


HARALD.

Sei du ganz unbesorgt, alt Mütterlein.

Wir woll'n an deinem Ofen nichts verderben,

Nur Brod drin backen für des Königs Heer.

Dabei thut deinem Haushalt Niemand Leid.[45]

GRIMA.

Hm, wie's nun eben kommt.

KNUD.

Was murmelst, Alte?

GRIMA.

Kriegsleute legen nimmermehr was zu.

KNUD.

Fürwahr, deswegen zogen wir auch um

Durch ferne See'n, droh'nden Küsten fort,

Um hier auf Spangarhaides armer Flur

Dein niedres Hüttendach dir zu berauben.

GRIMA.

Ei, zogt ihr auch nicht just deshalben aus,

So laßt ihr unterwegens doch nichts liegen.

HARALD.

Du bist nicht klug, du alt verdrießlich Weib.

EIN SCHIFFSBÄCKER aus der Hütte kommend.

Es giebt der Arbeit drin die Hüll' und Füll',

Und thät 'ne Weiberhand uns Noth dazu.

Hauswirthin, warum stehst du uns nicht bei?

GRIMA.

Ei, denkt doch! Hier die Beiden nennen mich

Um's dritte Wörtlein alt, und wieder alt,

Und nochmals alt! – Veralt' Euch doch die Zunge! –

Und dann kommst, Bäckergilde, du heraus,[46]

Willst Hülfe bei der Arbeit, und von mir!

Hört, bin ich alt, so muthet mir nicht zu,

Daß ich wie ein gerührig junges Weib

Am Backtrog stehn soll, vor dem Ofen knie'n,

Die feur'gen Kohlen rühren und bepuhsten.

SCHIFFSBÄCKER.

Wer treibt solch Werk in deiner Wirthschaft denn,

Seit du zu alt und träge dazu wardst?

GRIMA.

Nun, meine Tochter.

HARALD.

Was? Hast du 'ne Tochter?

GRIMA.

Ja, ich. Warum denn nicht?

HARALD.

Man dächte doch,

An einem solchen Bilde wär's genug.

GRIMA.

Hast du gesprochen, junger, kecker Fant?

Ich sag' dir, kommt mein Töchterlein zurück

Vom Ziegenhüten, sollst du anders sprechen.

KNUD.

Schon gut. Das wird ein schöner Kobold sein.

GRIMA.

Sie soll Euch backen helfen. Zwar bisweilen

Stellt sie sich mir höchst widerspänstig an,[47]

Doch niemals für ein wirthschaftliches Thun,

Da ist sie willig, wohlerfahren auch.

SCHIFFSBÄCKER.

Drauf könnt' man lange warten, und wer weiß,

Ob's irgend noch die Müh' des Wartens lohnt.


Geht hinein.


KNUD.

Hausfrau, hast du 'nen Mann?

GRIMA.

Wohl hab' ich den.

Seit dreißig Jahren leben wir beisammen.

HARALD.

Der Bursch muß eines zähen Lebens sein.

KNUD.

Ich bin in halber Stunde schon halb todt,

Vom bloßen Ansehn; und seit dreißig Jahren

Lebt der verwegne Kerl als Ehmann fort.

Giftpilze muß ja der verdau'n wie Eier.

Wo ist denn der verwunderliche Mensch?

GRIMA.

Er ging zum Jagen an den Strand hinaus;

Er hat nicht Zeit, zu gaffen, so wie Ihr.

HARALD.

Das glaub' ich! Wenn er vollends gaffen wollte.

Er geht wohl mit verbundnen Augen stets?[48]

KNUD.

Ich stäch' sie mir an seiner Stelle aus,

Denn so ein Tuch verschiebt sich doch manchmal,

End Einmal sehn muß ihm so schlecht bekommen,

Wie Einmal sterben anderm Menschenvolk!

GRIMA.

Hu schwatz'! Und schwatz' dir noch die Lunge fort!

EIN SCHIFFSBÄCKER aus der Hütte tretend.

Herr! Herr!

HARALD.

Was hast du Bursch! Was stellst du dich

So staunend vor mich hin, und rufst: Herr! Herr!

Und dann bleibt stumm und starr der offne Mund.

SCHIFFSBÄCKER.

Ja, wenn man's sagen könnte!

KNUD.

Der ist toll.

SCHIFFSBÄCKER.

Nicht toll; 's liegt an den Worten blos. Die fehlen.

ANDRE SCHIFFSBÄCKER heraustretend.

O drinnen – kommt herein – schaut's selbst mit an;

Wir können's nicht so von uns geben. – Kommt.

KNUD zu Grima.

Du alte Hexe, mischtest du vielleicht[49]

In ihr Getränk ein sinnverwirrend Kraut?

GRIMA.

Das fehlte noch. Habt Ihr solch tolles Volk,

So helft Euch mit den Leuten, wie Ihr könnt,

Und scheert nicht Andre drum.

EIN SCHIFFSBÄCKER.

Nein, laßt die Frau.

Sie hat nicht Schuld; – und doch, – hat einzig Schuld.

Denn ihre Tochter war's, die kam herein –

EIN ANDRER.

Sie kam ganz unversehns, – stand zwischen uns –

EIN DRITTER.

Trat aus dem dunkeln Stall hervor. Der glänzte

Wie früh am Morgen sonndurchblitzte Wolke.

ERSTER.

Nie ging so übergroße Herrlichkeit

Durch also unscheinbare, enge Pforte.

HARALD.

Nun ist's gewiß. Die Kerls sind Alle toll.


Grima lacht vor sich.


KNUD.

Siehst du die Hexe? Triff sie mit der Streitaxt,

Vielleicht verlöscht ihr Fall das Zauberwerk.

ASLAUGA in die Thür tretend.

Ihr Männer, hadert mit dem Weibe nicht,[50]

Und müss'ges Bäckervolk, du an die Arbeit!


Die Schiffsbäcker eilen in die Hütte.


HARALD sich neigend.

O schöne Elfe, meinen hold'sten Gruß!

KNUD niederknieend.

Du junge Göttin, zeig' uns den Altar,

Wo deiner hohen Näh' wir opfern soll'n.

ASLAUGA.

Nicht Elf', und Göttin nicht. 'Ne arme Hirtin,

Die sich von Spangarheides Ziegen nährt,

Und von des engen Gärtleins wen'gem Kraut.

KNUD.

So nenn' uns mindestens den Namen doch;

Damit man dich verehrt, und wenn von Eltern,

Von Sterblichen, du stammst, so sag' uns an,

Wer die Beglückten sind.

ASLAUGA.

Da fragt die Alte.


Geht in die Hütte zurück.


KNUD.

Dich soll'n wir fragen, du zahnloser Mund?

GRIMA.

Ja. Niemand giebt Euch bündigern Bescheid,

Nicht 'mal das Mägdlein selbst. S' ist meine Tochter,

Und Krake ruf' ich sie.[51]

HARALD.

Die vor uns stand?

Die mit dem langen goldnen Ringelhaar,

Das bis auf ihre zarten Knöchel floß

In rings einhüllenden, lichtsprühn'den Locken?

KNUD.

Die mit dem hellen Frühlingsangesicht?

Den schnee'gen Händen und den Sonnenaugen?

GRIMA.

Ja, Krake, Krake; meine Tochter Krake.

HARALD.

Welch eine Tochter, Weib, gebarest du?

Ungleicher dir, als ros'ger Maienmorgen

Der stürm'gen Winternacht!

GRIMA.

Ich seh' mir selber keinesweges gleich,

Wie ich Heut bin, und in der Jugend war.

KNUD.

Das mach' Blödsinn'gen weiß, du habest je

Nur einen Zug der holden Maid gehegt

In diesem Angesicht. – Komm Harald. Woll'n wir

Zur Hütte?

HARALD.

Ja, zum Dienst des süssen Lichts.


Beide ab.
[52]

GRIMA.

Was kam dem wunderlichen Kind' in Sinn,

So frevelnd zu misachten mein Gebot?

Ganz abzustreifen sich der Kappe Schwarz,

Und keck zu prangen in dem goldnen Schmuck?

Heut mag's drum sein. Sie zügelt mir das Kriegsvolk

Mit einem einz'gen Wink, mit halbem Wort.


Nach der Hütte blickend.


Wie sie vor ihr sich neigen! Wie sie lauern

Auf ihr Gebot! – Jetzt will ich auch hinein.

Als dieser Jungfrau Mutter gelt' ich was.


Geht ab.

Auf Ragnar Lodbrogs Schiffe.

Kriegsleute und Schiffsbäcker im Streit.


EIN KRIEGSMANN.

Ist das 'ne Speise, die für uns sich ziemt?

Verbranntes Brod!

EIN SCHIFFSBÄCKER.

Eßt's immer, Kinder, eßt.

EIN KRIEGSMANN.

Eh' sollst du selber dran erwürgen, Bursch.[53]

SCHIFFSBÄCKER.

Was das für Reden sind. S' ist gar nicht übel,

Ein wenig hart, hält um so besser vor;

Das ist die Art und Weis' auf großer Seefahrt.

EIN KRIEGSMANN.

Das lehr' du uns, die wir mit unserm Herr'n

Durch manch' ein fern Gewässer sind geschifft,

Wo nie, bis wir's den fremden Küsten sangen,

Nordländ'sches Lied zum Ruderschlage klang.

EIN ANDRER SCHIFFSBÄCKER.

Kriegsleute seid Ihr, und macht solchen Lärm

Um etwas hartes Brod? Gebt mir's 'mal her.

Ich ess' Euch das wie Kuchen.

EIN KRIEGSMANN.

Wohl bekomm's. –

Nun seht, was zieht der Unhold für Gesichter.


Die Kriegsleute lachen.


EIN ANDRER KRIEGSMANN.

Sie soll'n verzehren ihrer Hände Werk;

Zwingt sie, Gefährten.

DIE SCHIFFSBÄCKER.

Ei, so laßt uns gehn.

KRIEGSLEUTE.

Nein, nein. Hier auf den Boden lagert Euch,

Und wer nicht ißt, den trifft des Beiles Schlag. –

Eßt! – Was Ihr uns geboten, ist gewiß[54]

Noch viel zu gut für Euch! – Eßt, faule Burschen.

RAGNAR auftretend.

Was soll mir das Gelärm' auf meinem Schiff?

Ein wilder Zank in Eures Königs Näh'?

Das ist fürwahr nicht guter Mannen Sitte.

EIN KRIEGSMANN.

Herr, schau dies Brod. Du gabst uns gutes Mehl

Wie du denn als ein milder Herrscher gern

Für uns gleichwie für eigne Brüder sorgst.

Und die verbrannten's und verderbten's gar.

RAGNAR zu den Schiffsbäckern.

So schlecht versteht Ihr Eu'r Gewerk?

EIN SCHIFFSBÄCKER.

Mein Fürst,

Es gab auf dem Gehöft, wo wir gebacken,

So wunderlich's zu sehn, daß unser Aug'

Bethört ward, und gewohnter Arbeit fremd.

RAGNAR.

Für blödes Aug' ist freilich Vieles neu.

SCHIFFSBÄCKER.

Frag' Harald, Herr, frag' Knud. Die sahen's auch.

RAGNAR.

Ja, die erzählten seltsamliche Dinge,

Doch ich im ernstern Sinnen hört' es kaum.

SCHIFFSBÄCKER.

Ein altes Weib, gewachsen wie ein Reif,[55]

Ein Auge links, das andre rechtshin schau'nd,

Das Haar wie feur'ge Borsten roth und starr,

Kurz, häßlich, wie sich nie ein Riesenweib,

Um Menschen zu verrücken, hat entstellt,

Die war des traurigen Gehöftes Wirthin.

EIN KRIEGSMANN lachend.

Und an der holden Maid versahn sie sich,

Und kriegen Schläge nun zu deren Ruhm.

SCHIFFSBÄCKER.

Doch plötzlich, Herr, trat Ein' in unsern Kreis,

Ein mild aufglüh'nd, goldfunkelnd Sternlein hell,

An allem süssen Minnezauber reich,

Und jener Alten Tochter sollt' es sein.

Die half uns backen, wie ein Hausweib klug,

Geschäftig, wohlgewandt zu tücht'gem Werk,

Und auch gewaltig heischend, ernsten Wink

Versendend, einer Königsfrau vergleichbar,

Jetzt neigend zu des Ofens Gluthen sich;

Jetzt wieder aufgerichtet, uns befehl'gend,

Erschloß sich ihr verwunderlicher Reiz,

Wie eine reiche Blum' in tausend Blättern,

Der'n jedes anders wär', und jedes schön.

Und um sie her des Haares hell Gelock,

Wie Gold so blank, wie Seide weich und fein,

Umwall'nd den schlanken Leib bis auf die Knöchel –

Wir starrten hin, und immer wieder hin, –[56]

So kam es, Herr. So ist das Brod verbrannt.

RAGNAR.

Was schwatzest du von Frauenschönheit, Volk?

Seit Thora starb, ist Frauenschönheit todt.

SCHIFFSBÄCKER.

Ich wag's, mein Herr, und halt' dir Widerpart.

Wohl darf sich die mit Thora's Reizen messen.

RAGNAR.

Und sitzest du so kecklich zu Gericht

Um schöner Fräulein Huld und Siegermacht?

Ich will's erforschen durch ein bessres Aug',

Durch Sängerblick. Hör' du, mein lieber Skalde,

Mach' auf den Weg dich, suche das Gehöft,

Darin das Wundermägdlein hausen soll,

Und bring' mir rechte Kunde von ihr mit.

SKALDE.

Es soll geschehn nach meines Herr'n Gebot.

RAGNAR.

Nimm zum Geleit, wen du am liebsten hast.

Und findest du so schön dies einsame,

Verborgne Bild in Spangarhaide's Hütten,

So künd' aus meinem Mund ihr dies Geheiß:

Da uns der widerwärt'ge Strom des Wind's

Noch festhält hier am freudelosen Strand,

Soll sie herkommen zu den Schiffen mir.

Nackt soll sie kommen, doch nicht unbekleidet,[57]

Auch nüchtern, aber doch nicht ungespeist,

Allein, und dennoch unbegleitet nicht. –

SKALDE.

Ich will's ausrichten, königlicher Herr.


Geht mit einigem Gefolge ab.


RAGNAR.

Und ihr, Schiffsbäcker, merkt euch dieses Wort.

Zeigt sich die Jungfrau schön, wie ihr's gesagt,

So lass' ich euch der Schuld und Strafe frei,

Wo nicht, so giebt es Zücht'gung. – Nun gut' Nacht.


Sie gehn aus einander.

In Ake's und Grimma's Hütte.

Ake sitzt in einem Sessel, Grima kocht am Heerde, Aslauga legt Aken eine Binsenmatte vor die Füsse.


AKE.

Laß sein. Was foppst du mich, verwegnes Kind?

ASLAUGA.

Du willst es ja. Wie du vom Jagen kommst,

Soll man die dichte Binsenmatte dir

Zu Füssen legen, daß du dich erwärmst.

AKE.

Allein ich will dergleichen nicht von dir.[58]

ASLAUGA.

Warum nicht?

AKE.

Ach, wenn nun die Sonne käm',

Und wollte Magdesdienst bei mir verrichten,

So würd' ich doch davon nur blind und toll.

Begreifst du das? Und drum lass' mich in Ruh.

GRIMA.

'S kommt blos von dem verrückten goldnen Haarputz.

Die Kappe drüber, so ist Alles gut.

ASLAUGA.

Das hülfe nicht soviel, als du wohl denkst.

Koch', Alte, koch', und laß mein Treiben mir.

Doch willst nicht kochen, so schick mich zum Heerd,

Und pflege selber den waidmüden Mann.

Jetzt ist die Zeit noch, d'rin ich dienstbar bin,

Und die will ich vollenden, wie sich's ziemt.

AKE.

Du plagst uns aber mehr, als du uns dienst.

ASLAUGA.

Es ist nicht meine Schuld. Die milden Gaben

Sprüht früher Morgenthau durch Wies' und Feld;

Das Kraut, so dran erkrankt, war früher krank.


Der Skalde tritt mit Gefolge auf.


SKALDE.

Nach klarem, guld'gem[59]

Kleinod aus,

Das weilt in traur'ger Wüste,

Bin ich gesandt,

Bote treu,

Von des Königs hohen Schiffen her.

Nicht frag' ich,

Forsche nicht mehr,

Ich weiß wohl, was mein Auge sieht:

Neigen muß ich

Nacken und Haupt,

Wo die Locken leuchten um lichte Blicke.


Neigt sich vor Aslaugen.


ASLAUGA.

Selten erklang

Solch ein Gruß

Durch trüben Lebens armen Traum.

Doch hebt sich ihm

Heiter mein Blick

Aus schwerem lastendem Schlummer auf.

Bote treu,

Bote klug,

In Demuth grüßt dich die dunkle Maid.

Künde mir

Königswill'n!

Die Hirtin Krake hört gehorsam.[60]

GRIMA.

Krake, wie sprichst du nur? Wie stellst dich an

Mit wunderlichem Neigen und Begrüssen?

ASLAUGA zum Skalden.

Gieb auf die alte Frau nicht weiter Acht,

Und sage, was dein König dir gebot.

SKALDE.

So hieß mich Ragnar Lodbrog zu dir sprechen,

Des Dänenlandes weitberühmter Held:

Die Hirtin Krake zeige sich am Strand,

Wo unsre Schiff' umspült die salz'ge Fluth.

Nackt soll sie kommen, doch nicht unbekleidet,

Auch nüchtern, aber doch nicht ungespeist,

Allein, und dennoch unbegleitet nicht.

GRIMA.

Das ist des Königs Auftrag?

SKALDE.

Wort für Wort.

GRIMA.

So macht Euch heim zu Eurem tollen Herr'n,

Und neckt hinfort verständ'ge Leute nicht.

Ich glaub', dies ganze Schiffsvolk ist verrückt.

Jedoch so geht's! Wenn Söldner und Matrose

'Mal ruhig lebt, giebt's kein so tolles Ding,

Worauf sein eitles Treiben nicht verfällt.

Was? Nackt und doch bekleidet? Nüchtern noch[61]

Und auch nicht ungespeis't? Und ganz allein,

Doch – merkt's Euch wohl, – auch unbegleitet nicht? –

Ei nun, so fliegt, ihr Staar' auf wüster Heide,

Und schnarrt und quakt hinfort, ich hör' Euch lieber,

Und leg' mir's besser aus, als solch Geschwätz.

Hinaus mit dir, du närrisches Gezücht!

Zum Wetter! Mein Gehöft –


Aslauga winkt ihr mit der Hand. Sie schweigt plötzlich still.


ASLAUGA.

Seltsam klingt deines Herr'n Gebot, mein Skalde,

Indeß, es zu vollbringen zweifl' ich nicht.

Begieb dich heim, denn Ragnar's Wink verbeut's,

Daß ich mit dir zum Meer die Schritte lenke,

Doch sieht er nun die Hirtin Krake bald.


Der Skalde und sein Gefolge gehn ab, sich gegen Aslauga verneigend.


AKE.

Nun wird mir's doch zu toll. Mit närr'schen Bildern

Hat mir zwar die und ihr hellblanker Haarschmuck

Den Kopf in Schlaf und Wachen oft erfüllt.

Jetzt aber ziehn die tollen Fratzen gar

Auch ausserhalb umher – 's ist unnatürlich.

ASLAUGA.

Ach, alter Ake, gräm' dich nicht darum;[62]

Nur gieb mir jetzt ein weites Fischernetz,

Denn eh' der Morgen über's Blachfeld haucht,

Muß ich schon fern von deiner Hütte sein.

AKE.

Sag' nur, was willst du mit dem Fischernetz?

ASLAUGA.

So holde Ehre denk' ich ihm zu thun,

Daß Gold und Purpur in der Fürsten Kammern

Beneidend gern an dessen Stelle wär'.

AKE.

Ganz wohl. Zwar ich versteh' kein Wort davon.

Nun leuchte, Grima. 'S muß denn doch geschehn.


Gehn ab.

Morgenroth. Am Meeresufer. Man sieht Ragnars Schiffe.


ASLAUGA allein, neben ihr ein Hund.


Sie singt.


Morgenwinde wandeln

Wehend am Gestade,

Spielen mit der Hirtin goldnem Gelock.

Einsam seh' ich Wolken

Senken sich und steigen,

Und ruf' ein Lied hinein in den lichten Tanz.[63]

RAGNAR vom Schiffe.

Wer bei kaum erwachten

Wall'nden Morgenlichtern

Ergetzt sich am Meerstrand mit Gesang?

ASLAUGA.

Herr, die Hirtin Krake

Harrt hier deines Willens,

Nicht ziemt es der, zu weilen, die du beriefst.

RAGNAR.

Du goldnes Bild auf ödem Haidestrand,

Und hast du's wohl gemerkt, was ich dir hieß?

Kommst du, den Worten meines Boten treu?

ASLAUGA.

Nackt komm ich, Herr, doch unbekleidet nicht,

Denn meinen zarten Gliedern schmiegt sich an

Ein Fischernetz, und drüberhin als Mantel

Roll't mir, du siehst es, rings umhüll'nd mein Haar.

RAGNAR.

Kommst du auch nüchtern, doch nicht ungespeist?

ASLAUGA.

Die grüne Würze, frisches Gartenkraut,

Sieh leuchten durch die rothen Lippen mir.

So komm' ich nüchtern, doch nicht ungespeist.

RAGNAR.

Kommst du allein, jedoch nicht unbegleitet?[64]

ASLAUGA.

Allein steh' ich an diesem öden Strand,

Jedoch begleitend folgt mein Hund mir nach.

RAGNAR.

Wohl trafst du, Schöne, meines Räthsels Sinn,

Und wohl, im Wettkampf mit dem süssen Reiz,

Bestand des Geistes kluges Leuchten dir.

ASLAUGA.

Was theilt die Wellen dort mit Ruderschlag?

RAGNAR.

Ein Boot, zu fördern dich zu mir auf's Schiff.

ASLAUGA.

Nicht bilde, König, dir ein Solches ein.

RAGNAR.

Verschmähst Du meine Bitt' und meine Macht?

ASLAUGA.

Macht hast du nicht ob meinem freien Sinn.

Denn flüchtig, wie der Haide schnellste Ziege,

Flügl' ich hinaus mich über braunes Moos,

Wo meine Spur dem Jäger bald vergeht!

RAGNAR.

Nein, weile noch. Befürchte nicht Gewalt.

Doch lockt dich kein Erbieten auf das Schiff?

ASLAUGA.

Ja, wenn du sichre Rückkehr mir verheiß'st,[65]

Samt schmachesfreiem, würdigem Empfang,

Und Sicherheit auch meinem treuem Hund.

RAGNAR.

Ich thu's, bei Königswort.

ASLAUGA.

So komm' ich gerne.


Geht nach dem Strande hinab.

Auf Ragnars Schiff.

Der Küchenmeister und viele Diener.


KÜCHENMEISTER.

Laßt nach ehrbarer Sitt' und zücht'ger Weise

Heut schau'n des Königs reiche Heldenpracht,

Und auch zugleich, was sein Gefolge taugt.

Mag die auch, so man zu empfahn sich rüstet,

Und die wir golden leuchten sahn vom Ufer,

Abstammen von der heitern Asgardburg,

Abstammen von der Riesenländer Strand, –

Wir müssen sie auf solche Art bewirthen,

Daß sie den Hofhalt König Ragnars lobt.

EIN DIENER.

Ja, ja, mein lieber Herr. Das soll geschehn.

KÜCHENMEISTER.

Nun, treibt's nicht mit dem Mund nur, mit der That[66]

EIN DIENER.

Horcht! Wie im Streit kommt man herauf. Auch schrie's

Mit grausem Laut, wie ein erwürgtes Unthier.

EIN ANDERER.

Wir werden sehn, wen man auf's Schiff her lud;

Mir ist dabei kaum halb vergnügt zu Sinn.


Aslauga, Ragnar und Gefolge treten ein.


ASLAUGA.

Was? Soviel gälte Nord'scher Fürsten Wort,

Als eben nur ein flüchtig eitler Hauch,

Aufathmend und verfliegend? Schäm' dich, Ragnar.

RAGNAR.

Nein, laß vom Zürnen ab, du schöne Maid.

ASLAUGA.

Ihr habt mir meinen treuen Hund erwürgt,

Dem doch der König Sicherheit verhieß.

RAGNAR.

Er biß nach mir.

ASLAUGA.

Was faßtest du mich an?

RAGNAR.

Hirtin, der Mann sieht stets nach seinem Herr'n,

Denn deß Verletzung oder auch Bedrohung

Ist ihm viel schlimmer, als der eigne Tod.[67]

Da griffen sie mit Eins nach deinem Hund,

Und nur durch seinen eignen, schnellen Zorn

Rief er das eigne, schnelle End' heran.

War'n die zu rasch, so war er's wahrlich auch.

Ich dächt' wir höben's mit einander auf.

ASLAUGA.

Ich muß nun schon, da ich's nicht ändern kann.

RAGNAR.

Hier setz' dich auf der Kissen reiches Schwellen,

Und freue dich mit mir des heitern Mahls.


Beide setzen sich. Raguar's Diener warten ihnen auf.


ASLAUGA.

Des Mahles Licht ist süsser Blüthen reich,

Doch hüte dich vor ihrer Zaubermacht

Die im Irrgarten oft den Sinn befängt,

Wie klug und wie gealtert er auch sei;

Und du bist noch ein Jüngling, schöner Fürst.

RAGNAR.

Ein Jüngling bin ich, doch im Minnedienst

Gleichwie in dem des Krieges wohlgeprüft.

ASLAUGA.

Du siehst zu kecklich in die Augen mir,

Und bin doch nicht dein Weib, nicht deine Braut.

RAGNAR.

Braut nenn' ich dich seit diesem Augenblick,

Mein Weib sollst du noch diesen Abend sein.[68]

ASLAUGA.

Ich aber will einsam daheime schlafen,

Und nur in dieser Meinung ging ich her.

RAGNAR.

Oft kommt was anders, als man's erst gedacht.

ASLAUGA.

Ja. Doch von Zwei'n wird Minnebund geknüpft.

Und Beide fragt man, wann er taugen soll.

RAGNAR.

Ich will auch deine Gunst nicht mit Gewalt.

ASLAUGA.

So laß mich ziehn.

RAGNAR.

Auch das möcht' ich nicht gern.

ASLAUGA.

Wär' bei der schönsten Frau des Volkes Vater

Ragnar gelagert, kaum berührt' er sie

Selbst nur im Traum. O sende mich zurück,

Jeglicher Schmach und Ehrverletzung frei,

Denn also ziemt es dir, weil du geschworen;

Und ich darf's rühmen, daß dein Gast ich war,

Dieweil du mich als Mägdlein fahren läß'st,

Und ich zur Heimath kehre, wie ich ging.

RAGNAR.

So bleib' doch nur die Eine Nacht im Schiff.[69]

ASLAUGA.

Zeuch du hinaus in deiner Seegel Pracht,

Ich will zurück auf Spangarheides Sand.

RAGNAR.

Willst du dies Kleid, was Hirschin Thora trug?

Mit Silber ist es reich und zart gestickt,

Und dir geziemt das köstliche Gewebe,

So Jene fertigte mit schnee'ger Hand.

Sie war mein holdes Weib, bis sie erstarb.

ASLAUGA.

Nicht ziemt mir, was die Hirschin Thora trug,

Noch minder was sie zarter Hand gewebt,

An Silber reich und sonst erlesner Zier.

Denn Krake rufen sie mich auf der Haide

Ein Mägdlein, schwarz im russig dunkeln Kleid,

Und Ziegen hüten durch den tiefen Sand,

Heim treiben sie am Abend, ist mein Thun.

RAGNAR.

So schmieg' dich probend nur in dies Gewand.

ASLAUGA.

Ach Ragnar, König Ragnar, was begehrst du?

Schon fing verlockend meine Bildung dich,

Säh'st du den Reiz, von höherm Schmuck geziert,

Vielleicht zerbräch' ertheilten Treuwort's Kraft.

Gut' Nacht, und laß mich ziehn. Doch kehrst du wieder,

Und noch der heut'gen Liebessehnsucht voll,[70]

So sende mir ehrsame Boten zu,

Und ehrbar werd' ich deine Kön'gin dann.

RAGNAR.

Warum nicht heut alsbald?

ASLAUGA.

Das will ich nicht.

RAGNAR.

Mir wohnt im Sinn fortan ein glühend Weh.

ASLAUGA.

Ein Held wie du, bezwäng' wohl grössre Noth.

Gut' Nacht. Ich will an Strand.

RAGNAR.

So führt sie heim.

ROLF.

Sie soll zurück?

RAGNAR.

Ach leider will sie's so,

Und leider, leider hab' ich's so versprochen!


Gehn von verschiednen Seiten ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 33-71.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Frau Beate und ihr Sohn

Frau Beate und ihr Sohn

Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.

64 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon