Zweite Abentheure.

[71] Oede Gegend auf Spangarhaide.

Aslauga sitzt unter einem Strauche, Ziegen um sie her.


ASLAUGA singt.

Guten Morgen, grosse,

Goldne Sonn' am Himmel,

Die hier einsame Braut bescheinst!

Schön willkommen, weisse

Wall'nde Meeresnebel,

Die hier einsame Braut umhaucht!


Froher grüßt' ich, grosse,

Goldne Sonne, dein Leuchten,

Wärst du ein Harnisch, golden und hell.

Schöner willkommen wär't ihr,

Wall'nde Meeresnebel,

Kämt ihr als Seegel von der See.
[72]

Gedulde dich! Zum Gruß

Golden wird Harnisch leuchten,

Aus schimmerndem Helme Liebe schaun,

Weisse Seegel werden

Wall'n am Meeresstrande,

Heimholend die schöne Heldenbraut.


Jäger verliert wohl Fährte

Flüchtig niedern Wildes,

Nicht die Tritte des schönsten Reh's im Tann;

Leichtlich löscht bei Helden

Liebe niedrer Frauen

Doch Gluth für hohe Schönheit glimm't fort.


Guten Morgen, grosse,

Goldne Sonn' am Himmel,

Die hier einsame Braut bescheinst!

Schön willkommen, weisse,

Wall'nde Meeresnebel,

Die hier einsame Braut umhaucht!


Du bist ein thörichtes Geschlecht, du Heerde,

Da du dich meinem Wink nicht fert'ger fügst.

Was? Meinst du, solche Leitung zieme dir?

Und solcher Leitung Heil sei stets dir nah? –

Zurück vom Sumpfe, Mutterziege dort!

Und ihr, laßt ab vom Zank, erboßte Widder! –[73]

Harrt nur. Euch treibt nun Grima bald zu Feld,

Und Ake's rauhe Stimme krächz' euch nach,

Daß Ihr mich jammert fast, wenn ich dran denke.


Die Ziegen kommen, und schmiegen sich an ihre Füsse.


Eu'r armer, dumpfer Sinn dröhnt was ich sprach,

Wie im halb lauten Widerhall zurück,

Und treibt euch zu demüth'gem Schmeicheln her;

Wohl Recht hast du, dich kläglich anzustellen,

Aslaugen Heerde, bald verlaß'ne nun!


Rolf und Harald treten auf.


ROLF.

Nie ward ich Bote für ein solch Geschäft.

HARALD.

S' ist doch die schönste Maid in aller Welt.

ROLF.

Gut. Aber Hirtin bleib' in ihrem Pferch,

Und Kön'gin in der Burg. Das taugt für Beide.

HARALD.

Mir selbsten kommt es wunderbarlich vor,

Daß unser Herr zur Frau sie nehmen will,

So sehr ihr Reiz mich auch bewältigt hat.

ROLF.

Und schickt uns zwei zu Brautgeleitern aus,[74]

Zwei von den Rühmlichsten aus seiner Schaar.

Es dürfte mir nicht viel, so –


Zurückprallend.


Ach, ihr Götter!

HARALD.

Was schreckt dich?

ROLF.

Schau das goldne Liebeslicht

Dort unterm Strauch!

HARALD.

Und wie die woll'ge Heerde

Gezähmt sich schmiegt an ihren zarten Fuß!

Die ist es.

ROLF.

Ja, an die sind wir gesandt.

HARALD.

Willst noch zurück?

ROLF.

Wahr' mich der hohe Himmel.


Sie nähern sich Aslaugen mit Verbeugungen.


ROLF.

Von Ragnar's Schiffen, holde Königsbraut,

Sind wir gekommen, treuen Minnegruß

Des Dänenherrschers zu entbieten dir.

ASLAUGA.

Kehrt er mit Heil zurück von seiner Fahrt?[75]

HARALD.

Ein jegliches Gestad' empfing den Herrn

Mit edlen Gaben und mit Preises Klang.

ROLF.

Ihm fehlt, um aller Kön'ge Glücklichster

Zu sein, die unser hoher Norden kennt

Und je gekannt hat, nur das Eine noch,

Daß du dich ihm zu süssem Bund' ergiebst.

ASLAUGA.

Du sprachst ein seltsam Wort, mein Abgesandter,

Was? Ihm, um aller Kön'ge Glücklichster

Zu sein, die unser hoher Norden kennt,

Und je gekannt hat, fehlt dies Eine nur?

Ruhm ist des Helden liebstes Glückesreis,

Und wer vergliche sich dem klaren Ruhm

Sigurd's, des vielgewalt'gen Schlangentödters?

Du würdigst deinen Herrn nach Schranzenart.

HARALD.

In Zorn entglüht' dein holdes Angesicht.

ASLAUGA.

Nein, nur im Wiederschein von Sigurds Ruhm.

ROLF.

Verwirft die Braut das Lob des Bräutigam's?

Ich dacht', er sei vor allen Lebenden

Der Liebst' und Herrlichste für ihren Sinn.[76]

ASLAUGA.

Ja, sprichst du blos von denen, so da leben,

Stimm' ich mit Freuden im in deinen Preis.

Da hebt der Ragnar hoch sein siegreich Haupt,

Wie Lindisnes ob Spangarheides Flur.

Doch laß der Todten Runenhügel still;

Die Väter mindern oft der Söhne Licht.

HARALD.

Folgst du uns zu des Königs Schiffen, Kön'gin?

ROLF.

Was zögerst du? Was hüllst dein Antlitz dir

In deiner gold'nen Locken zarten Schlei'r?

ASLAUGA.

Hold ist des jungfräulichen Standes Blühn,

Und lächl' es auch aus dumpfem Gärtlein an,

Unwürdigem Gehäg'. Laßt mir die Blume

Freieigner Magdlichkeit bis Morgen noch.

ROLF.

Dein harrt der Fürst voll banger Ungeduld.

ASLAUGA.

Mit Frühroths allernächstem Liebes Funkeln

Geht auch die Braut vor seinen Blicken auf.

Bringt ihm von mir der zartrn Minne Gruß.

HARALD.

Verhieß'st du nicht?[77]

ASLAUGA.

Ehr' deiner Kön'gin Will'n.

Zudem gebührt es mir, den langen Dienst

Auf Spangarheide tadellos zu enden:

Was ich beginne, bring ich auch zum Ziel,

Und so die Heerd' am Abend in's Gehöft.

Geht!


Rolf und Harald gehn verbeugend ab.


Nun an den Bach, ihr Ziegen; dort hinaus!


Entfernt sich mit der Heerde.

In Ake's und Grima's Hütte.

Morgendämmerung. Ake und Grima schlafen auf Binsenmatten. Aslauga kommt durch eine Seitenthür herein.


ASLAUGA.

Die Träume halten jetzt ihr letztes Ringen

Mit dem, was man ein rechtes Wachen heißt. –

Indeß am Ohr noch nächt'ge Fabel schwirrt,

Blitzt Morgenfunkeln schon in's Aug' herein,

Weht Morgenlüftlein um die Wangen schon.

Zum letztenmal auf meinem niedern Lager

Fand'st du mich, Dämm'rungsgrau'n. – Ich zieh' hinaus[78]

In eine neue Welt. – Fahr wohl, du russ'ger,

Mit Bauerspeisen grob besetzter Heerd!

Und mit den finstern, dumpf'gen Winkeln all'

Fahr' wohl du Hütte, die du gar nichts taugst,

Und die mir dennoch weh' zu lassen wird;

So lieb macht uns Gewöhnung auch das Schlechte. –

Doch auf den Matten dort das Räuberpaar,

Dem bin ich schuldig noch den Abschiedsgruß,

Und keinen freundlichen. – Ho! Ake! Grima!

AKE.

Hier! – Brach der zott'ge Widder aus dem Pferch?

GRIMA.

Mann! Mann! Was sprichst du?

AKE.

Schlaf' nur wieder ein.

Es sind Gespenster.

GRIMA.

Wieder toll im Traum?

AKE.

Ich träume nicht. Du sieh nur in die Höh',

Wie's leuchtet. Recht wie goldne Feuersgluth.

GRIMA.

Oft strahlt am nord'schen Himmel durch die Nacht

Ein Wiederschein eisheller, ferner Meere,

Daß sich ein Menschenkind davor entsetzt:

Vermuthlich ist auch das ein solcher Schein.[79]

ASLAUGA.

Hältst für ein Nordlicht mich, du blödes Volk?

AKE.

Horch Weib. Es spricht.

GRIMA.

O laß' uns schlafen, schlafen.

ASLAUGA.

Schlaf, häßlich Paar. Doch erst hör' meinen Spruch.

AKE.

Was hast du nur mit uns, du Nachtgesicht?

GRIMA.

Mich dünkt, 's ist Krake, unser Pflegekind.

ASLAUGA.

Ja, solches niedern Namens Häßlichkeit

Drang mir das dumpfe Sinnen Grima's auf.

Ich weiß wohl, wie ihr Beiden euch beriethet,

Als ihr die helle, blanke Zither bracht,

Und mich von meinem reichen Lager hobt.

AKE.

Durch welch ein Hexenwerk erfuhrst du das?

ASLAUGA.

Ihr hieltet mich für unverständig, stumm,

Weil mir's misfiel, mit euch mich zu besprechen,

Doch mir entging von euren Thaten nichts.

Den frommen König Heimer schlugt ihr todt,

Den wegemüden, euch vertrau'nden Gast,[80]

Und stahlt mich, zogt in Armuth dann mich auf –

O, welche Strafe ziemte dir, Gezücht!

GRIMA.

Erbarm' dich unsrer Angst, furchtbares Kind!

ASLAUGA.

Ich könnt' euch letzt verderben, doch ich mag nicht;

Denn wie unwürd'ge Kost ihr mir gereicht,

Es war doch immer Kost. Die zahl' ich heut,

Der Rache billigem Geschäft entsagend.

Nur das noch spend' ich euch zum letzten Gruß,

Ein Wort, der lastenden Weissagung voll:

Stets schlechter sei von heut' euch jeder Tag,

Als der verflossne war. Am Ziel beschließe

Der schlechteste die unheilschwangre Reih'.


Geht aus der Hütte.


AKE.

Mich schüttelt's.

GRIMA.

Hat ein Fieber uns bethört,

Daß wir von einem solchen goldnen Mägdlein

Geträumt durch manch' ein wunderliches Jahr?

AKE.

Ich wollt', es wär' so.

GRIMA.

Ei, es muß so sein.

Wie käm' denn solch ein Bild zu uns in's Haus?[81]

AKE.

Sieh' mal. Die Hüttenwand ist dort entzwei.

GRIMA.

Das war doch gestern nicht. 'S muß in der Nacht

Erst nachgefallen sein. Wird Arbeit kosten.

AKE.

Zum mindesten ein ganzer Tag geht drauf,

Daß nur nicht schon des Mägdleins Weissagung

Beginnt! Weißt du? Mit all' den schlechten Tagen.

GRIMA.

Ich weiß, ich weiß! Sei still und hüll' dich ein,

Es ist noch früh.

AKE.

Ja wohl. Für unser Glück

Erwachen wir noch immer zeitig gnug.


Sie schlafen ein.

Auf Ragnar's Schiff, in offener See. Ragnar und Aslauga stehn auf dem Verdeck. Aslauga ist reich geschmückt.


RAGNAR.

Kein Lüftlein schwellt der Flotte Seegel mehr,

Wir ruhn auf glatter Fläche regungslos.

Das ist der Nacht annah'nde Friedlichkeit.[82]

ASLAUGA.

Der Nacht? O nein, mein königlicher Herr,

Noch ging die Sonne nicht in's Meeresbad,

Sie birgt sich nur in jene thau'gen Wolken,

Und steht noch ziemlich fern dem Scheidepunkt.

RAGNAR.

Legt nicht schon feuchte Luft sich um uns hin?

ASLAUGA.

Sie nahm ihr kühlendes Gewand vom Meer,

Nicht von des Abends tropfigem Gewölk.

RAGNAR.

Da geht ein Stern bereits am Himmel auf.

ASLAUGA.

Nicht doch! Ein Hirtenfeu'r am fernen Strand.

RAGNAR.

Und für Seefahrer ist es dennoch Zeit,

Des Lagers ungestörte Ruh' zu suchen.

ASLAUGA.

Ja, für Matrosen, und wer sonst die Hand

Bei Tag in harter Arbeit stets bewegt,

Oft auch manch eine Nacht verwachen muß.

Nicht also für den Lenker, für den König. –

RAGNAR.

Der Sturm gehorcht nicht meinem Königswort.

Er zieht vielleicht am frühen Morgen auf,

Vielleicht um Mitternacht, dir unterbrechend[83]

Den kaum um dich gewebten süssen Schlaf.

Drum komm' zur Lagerstatt, du holde Herrin.

ASLAUGA.

Wo hast du mir die Lagerstatt erkiest?

RAGNAR.

Wo sie der Braut geziemt: in meinem Arm.

ASLAUGA.

Du hegst ein trüglich ungeduld'ges Hoffen.

Nicht hier am Bord des Schiffes werd' ich dein.

RAGNAR.

O, du willst mich ersterben sehn in Gluth,

ASLAUGA.

Nein, aber fürstlich unser Fest begehn.

RAGNAR.

Wo Minne bettet, schlafen Kön'ge gern.

ASLAUGA.

Was? Sich vermählen auf der wüsten See?

Umtost vom Lärm des rauhen Schiffervolks,

Umduftet von der Bretter Harzgeruch,

Vielleicht umheult von Unheil droh'nden Stürmen?

Und statt der Hochzeitlieder das Gekrächz

Verirrter Vögel, die auf weiter Fluth

Den müden Fittig mit Geschrei ermuntern?

O König Ragnar, du bedenkst es nicht,

Was dein und meiner Würdigkeit geziemt,[84]

Und dessen Ehre, der aus unserm Bund

Entspriessen soll, ein Führer Norderland's.

RAGNAR.

Bist du vielleicht ein neckend Zauberbild,

Du seltsam Weib, die mit denselben Worten

Anlockt, abweist, aufregt, zur Ruh beschwört?

Ich fürchte, du verwickelst mich so fest

In der Verblendung Netz, daß wenn du endlich

In Luft zerfleuß'st, mich toller Wahnsinn packt.

ASLAUGA.

Nein, ich entgeh' dir nicht, mein süsser Freund.

Wo deiner Burg lichtklare Hallen glänzen,

Die Jungfrau'n uns empfangen mit Gesang,

Die Krieger mit der Waffen freud'gem Klirr'n,

Wo Polster schwellen, reiche Weine blinken,

In Mitten aller Lieblichkeit und Pracht

Des Festes – da nur wird die Hirtin dein. –

Jetzt wend' ich vor der kühlern Abendluft

Zum Lager mich, wie du's gewiß bereitet,

Gebührend meiner Schönheit, deiner Macht.

Du bette dich an Schiffes andern Rand.

RAGNAR.

Betrübt scheid' ich von dir, mein strenges Lieb'.

ASLAUGA.

Gut' Nacht.[85]

RAGNAR.

Gut' Nacht. Für mich, wie schlummerlos!


Gehn von verschiednen Seiten ab.

Eine Seebucht in Ragnar Lodbrog's Reiche. Ein Wächter steht auf einem Thurm.


WÄCHTER singt.

Ich lugt' hinaus den langen Tag,

Leer blieb die See von Schiff und Boot;

Ich schaut' hinaus in schaur'ger Nacht,

Schwamm keines Fahrzeug's Leuchtflamm' her;

Ich Wächter seh' die Wogen an,

Will nichts mir kommen, darnach ich späh' –

Löst mich ab, löst ab, ihr Leute,

Lacht doch kein guter Stern für mich.


Doch steh noch still, du Ablösung,

Stör' mich noch nicht; 's kommt doch was Gut's!

Wer lang geharrt, erharrt wohl doch

Helleuchtend Freudenlicht zuletzt.

Seegel heben sich, und sonnen

Silberweiß sich auf den Wogen,

Löst mich nicht ab, lauft her, ihr Leute,

Lacht doch ein guter Stern für mich.


Es versammelt sich Volk am Strande.
[86]

EINER AUS DEM VOLKE.

Was rufst du, Wächter? Kommt der König heim?

WÄCHTER.

Fragt eure Augen. Seht die schwell'nden Seegel.

EIN KRIEGSMANN.

Du Wächter magst der rechte Späher sein.

Das wär' des Königs Flotte? Nimmermehr.

Seitdem die schöne Herrin Thora starb,

Giebt's keinen Schmuck für Fahrzeug oder Mann

In Ragnar Lodbrogs Heer. Schwarz wall'n die Wimpel

Vom dunkeln Mast aus in die feuchte Luft;

Schwarz roll'n die Schiffe, schmuckleer, durch die Fluth,

Den Kriegsmann ziert sein Eisenkleid, sonst nichts.

Und hier laubreiche Kränz' um Mast und Bord,

Hier strahlende Gewande, bunte Seegel, –

Das ist des König's Ragnar Flotte nicht.

EIN ANDRER KRIEGSMANN.

Er hat ganz Recht. Ich that mit ihm zugleich

Die letzte Fahrt in unsres Königs Heer,

Und muß es ihm bezeugen: so verhält sich's.

VOLK.

Was neckst du uns, du thör'ger Wächter, denn?

Wahr' dich! Wir kommen all' dir auf den Hals.

WÄCHTER.

Still nur! Erwartet erst, was jener bringt,[87]

Der aus dem leichten Kahn an's Ufer sprang,

Und, seine Schritte flügelnd, schon sich naht.

HARALD auftretend.

Sie kommt, sie kommt, die schönste Königsbraut!

Spielleute, nicht so müssig! Blas't doch auf,

Was ihr des freudigsten und besten wißt!

Ihr Kämm'rer, zu der Burg! Ziert hell mit Lichtern

Die alten Säle, schafft ein reiches Mahl,

Denn also will's der König. Juble Volk

Entgegen deiner neuen Königin!

Kriegsmänner zeigt euch in den licht'sten Waffen

Beim nahen Fest. Jedwede Herrlichkeit

Erwach' in unsern Landen!


Eilt vorüber.


EINIGE AUS DEM VOLK.

Was war das? – Also wär' es doch der Herr? –

Und käm' vermählt zurück? – Mit welcher Fürstin?

Gewißlich aus 'nem edlen Heldenhaus. –

Da kommen sie bereits in Pracht heran.


Lustige Musik. Ragnar und Aslauga treten reich geschmückt, mit glänzendem Gefolge, auf. Das Volk ruft ihnen zu; Aslauga grüßt freundlich; wie sie sich naht, sinken viele in die Knie. Der Zug geht vorüber.


EINER AUS DEM VOLKE.

Sah' Jemand schon so holdes Frauenbild?[88]

EIN ANDERER.

Mich traf's wie schneller Blitz, warf mich in Staub.

EIN DRITTER.

Ich glaub', es war die liebe Sonne selbst.

EINIGE KRIEGSLEUTE Rolf und Knud, die unter den letzten des Gefolges gehn, zurückhaltend.

Sagt doch, was bringt ihr mit?

KNUD.

Ei nun, ein Weib.

EIN KRIEGSMANN.

Mich dünkt 'ne Göttin.

ROLF.

Bild' dir das nicht ein.


Sie treten weiter vor.


EIN KRIEGSMANN.

Nun, so erzählt uns doch, aus welchem Haus?

ROLF.

Aus keinem Hause; aus 'ner blossen Hütte.

KNUD.

Ja, und zwar aus der schlecht'sten, die ich sah.

EIN KRIEGSMANN.

Ach Possen! Macht das einem andern weiß.

EIN ANDRER.

Wie heißt die neue Kön'gin?

ROLF.

Krake.[89]

KRIEGSLEUTE.

Krake?

Das ist für eine Fürstin wunderlich.

KNUD.

Wer sagt euch denn, daß sie 'ne Fürstin sei?

Haid'läuf'rin ist sie, Ziegenhirtin, Bäurin,

Wuchs groß an Spangarheides braunem Strand,

Half Brod uns backen, und weil das verbrannt war,

Gab's ein Gelärm. Das kam vor unsern Herr'n,

Und wie's dann weiter ging. Jetzt ist sie Kön'gin.

EIN KRIEGSMANN.

Nun das enträthsle mir, wer klüger ist.

Solch eine Huldin, und der Haide Kind!

Mich sah's wie Frühling an aus ihren Augen,

Wenn der in heitrer Herrschaft sich ergeht.

EIN ANDRER.

Mir strahlte sie in den geblend'ten Blick

Wie Goldes allerfreu'ndes Licht.

EIN DRITTER.

Auch alle,

Die vor ihr gingen, nach ihr, um sie her, –

In Demuth und folgsamer Freudigkeit

Schien ihre Lust des süssen Bildes Dienst;

Euch, Rolf und Knud, nicht minder, als den andern.

ROLF.

Das ist ja eben ihre Hexerei,[90]

Womit sie auch den König hat bestrickt.

Wer sie ansieht, kommt schier um alle Sinne;

Kaum daß man hinterdrein es erst begreift.

Sie sei 'ne Hirtin, arm, und niedern Stand's.

KNUD.

Harald und ich, wir wurden ja fast toll,

Als wir sie im Gehöft zuerst ersahn.

EIN KRIEGSMANN.

Das sind nur Streiche!

EIN ANDRER.

Ja, man lebt sich alt,

Und 's kommt doch alle Tag' was neues vor.

EINER AUS DEM VOLK hinzutretend.

Mit eurer Gunst, ihr Herr'n; ist es denn wahr,

Was man von unsrer neuen Kön'gin spricht?

Sie reden da verwunderliche Dinge:

Sie heisse Krake, sei 'ne tücht'ge Hirtin

Und Bäck'rin oben drein –

ROLF.

Nun ja, gewiß.

Hier, Knud traf sie beim Ofen selbsten an.

EIN ANDRER AUS DEM VOLK.

So hätte ja das junge Volk nicht Unrecht

Mit seinem lust'gen Liedlein, drob ich erst

Es ausgeschmält.[91]

ERSTER.

Mich dünkt, es paßt recht gut.

ROLF.

Was denn?

ERSTER.

Ei, wie's der Leute Art nun ist,

Daß wenn was Neues vorfällt, sie's alsbald

Zu einer neuen Sangesweise brauchen,

So hatten sie auch gleich ein Lied erdacht

Auf diesen seltsamlichen Vorgang. – Horcht.

Da fangen's just ein Paar von ihnen an.


Gesang im Volke.


Krake krächzt' und kräht' am Ufer,

Krähe grau in traur'gen Kleidern; –

Kön'gin Krake schön! Kön'gin Krake schön! –

Fuhr ein Held auf Meeres Feldern,

Fing sie ein, und gab 'nen Ring ihr. –

Kön'gin Krake schön, Kön'gin Krake schön!


Die Kriegsleute lachen. Es klingt Musik aus der Burg.


KNUD.

Hört ihr im Schloß den Horn- und Fiedelklang?

Nun wird die Hirtin Ragnar's Kron' empfahn.

ROLF.

Die Leute hier begleiten, wie sich's ziemt,

So hohe Festlichkeit mit Ehrenliedern.
[92]

Gesang im Volke.


Brod verbrannt, in Noth die Krieger,

Brauchten wohl ein bessres Essen, –

Kön'gin Krake schön! Kön'gin Krake schön! –

Laßt uns bau'n der Frau'n zum Feste,

Von verbranntem Brod 'nen Thronsitz. –

Kön'gin Krake schön! Kön'gin Krake schön!

ROLF.

Wir müssen dennoch nach der Burg hinauf.

KNUD.

Das Volk auch wälzt sich gleichermaßen nach.


Die Kriegsleute gehn ab.


Gesang im Volke.


Krake kräht hinfort und krächzt,

Krähe groß, auf Ragnars Schlosse; –

Kön'gin Krake schön! Kön'gin Krake schön! –

Wir sind recht der Krähe Knechte,

Krächzen künftig, statt zu sprechen:

Kön'gin Krake schön! Kön'gin Krake schön!


Alle ab.


Quelle:
Friedrich de la Motte Fouqué: Ausgewählte Dramen und Epen. Hildesheim 1996, S. 71-93.
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