Ein Patriot

[40] Dulce et decorum est etc.


Hasardspiel? – Pfui – daß mich der Herr bewahre!

Hol' es der Teufel – ja, das sag' ich frisch!

Ich werde morgen meine sechzig Jahre,

Und trat noch niemals an den grünen Tisch!

Hätt' ich's getan – bei Gott, ich müßt' erröten!

O, dies Roulett, ich hass' es und verfem's!

Ich bin ein Chirst – und schlag' ein Kreuz vor Köthen!

Ich bin ein Mann – und pfeife was auf Ems!


Nein, was ich liebe, ist ein ehrlich Lotto;

Der Mensch muß spielen – ja, das räum' ich ein!

»Wagen gewinnt!« ist des Jahrhunderts Motto –

Drum müssen halt auch Lotterien sein!

Die sind moralisch! Hoch ein Hasardieren,

Dem Flor des Volkes gilt als höchstes Ziel!

Wer wird sein Geld an Benazet verlieren,

Wenn Staaten rufen: »Machen Sie Ihr Spiel!«


Ein hehrer Ruf! Er ging mir nicht verloren!

Seit dreißig Jahren setz' ich pünktlich ein!

Doch nur im Lande – sei es euch geschworen!

Ich schmeichle mir, ein Patriot zu sein!

Nein, ich vertrug der Heimat keinen Heller,

Nie war ich Hamburg, nie den Dänen grün!

Nie fing zu Frankfurt mich ein Vogelsteller

Mit unsoliden Güterlotterien!


Ich blieb daheim – drum ward ich auch gesegnet!

Versteht mich recht: leer wurde meine Truh'!

Nicht hat Fortuna mich mit Gold beregnet –

Doch warf ihr Rad den Bettelstab mir zu!

Mein siechend Weib und meine Rangen klagen;

Was heulen sie? – ich glaube gar, um Brot.

Beschränktes Volk! was will der Bettel sagen?

Ich gab's dem Staat – ich bin ein Patriot!


Was ich verlor, hat manchen armen Teufel

Vielleicht gerettet – Gott weiß, wo im Land.

Wo nicht – ei nun, so ward es ohne Zweifel

Zur Volksbeglückung sonsten angewandt![40]

Wie manches Tausend ließ ich schon roulieren –

O, wirkte jeder so mit Ernst wie ich,

Wie müßte da das Vaterland florieren,

Wie mehrte da des Volkes Wohlstand sich!


Ich – nun ich tat nach meinen schwachen Kräften!

Und – zum Roulettisch sah mich niemand gehn!

Wird man kein Kreuz mir auf den Kittel heften?

Es würde gut zu meinem Hauskreuz stehn!

Auch zu dem Tannenkreuz auf meinem kühlen

Grabhügel bald, hart an des Kirchhofs Rand! –

O, es ist süß und ehrenvoll, zu spielen

Und sich zu opfern für das Vaterland!


St. Goar, Januar 1844.


Quelle:
Ferdinand Freiligrath: Werke in sechs Teilen. Band 2, Berlin u.a. [1909], S. 40-41.
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