Scena IV.

[28] Vlrich, Lorentz, Heine.


VLRICH.

Nun bin ich jetz auff rechter Bahn,

Gehn Buchorn hin auff diesem Plan.

Wil gern sehen, ob mein Weib,

Mich kennen werd in solchem Leib,

In solcher gstalt vnd armuttey,

Sieh dort seh ich der Gferten drey,

Ein blinden Bettler vnd ein lamen,

Wir fügen vns hie fein zusamen.

Was gilts sie ziehen auff Buchhorn,

Dem Jartag zlieb den sie erkohrn.

Verhoffen da ein gute Beut,

Ich wil mich zu jhn gsellen heut,

Als wann ich auch ein Bättler wär,

Wil sie vor fragen newe Mär.

Glück zu jhr Gsellen wo wölt jhr hin?

LORENTZ.

Auff Buchorn zu steht vnser Sinn,

VLRICH.

Was wollt jhr gutes da verrichten?[28]

HEINE.

Der Fragen darff es hie mit nichten.

Man wirt da heut ein Jartag halten,

Nach Brauch vnd Weiß der frommen alten.

VLRICH.

Was wirt das für ein Jartag sein?

HEINE.

Da gibt man vns Fleisch, Brot vnd Wein.

Vnd samlen sich die armen hin,

VLRICH.

Gehn Buchhorn steht jetz auch mein Sin.

LORENTZ.

Bist auch villeicht auß vnser Zunfft,

VLRICH.

Du redst nit gar auß vnuernunfft.

LORENTZ.

Ich sieh dirs an den Hosen an,

Du bist für war ein Bättelman.

Wo zeuchst dann her, auß welchem Land?

VLRICH.

Ich führ für war ein harten Stand,

Hab nit zu essen, nichts zu trincken,

Kein Gelt im Seckel, kan nit dencken,

Wann ich einmal hab gessen gnug,

HEINE.

Gsel dich zu vns mit gutem fug.

Kein mangel wirstu haben nit,

VLRICH.

Ich wil fürwar jetz heischen mit,

Ob ich mich einmal möcht erlaben,

LORENTZ.

Bey vns wirstu kein mangel haben.

Du darffst nit schaffen vnd nit sorgen,

Schlaff von dem Abend biß an Morgen.

Was du ein Tag hast zsamen bracht,

Verzehren wir biß Mitternacht.

Vnd kommen dann die Bettelweiber,

Mit jhren graden starcken leibern,[29]

Dann gehet herumb die Lederin Fläsch,

Biß das wir lären vnser Täsch,

Vnd trincken werdn, mich wol vermerck,

Da solt einr sehen Wunderwerck,

Dann gsehn die blinden, redn die stummen,

Vnd werden grad die lamen vnd krummen,

Vnd wirt das Spiel erst eben gantz,

Erhebt sich, bald der Betteltantz.

Wie gfelt dir vnser Bettelstand?

VLRICH.

Ihr habt fürwar ein gutes Land.

Bey vns ein grosser hunger ist,

Wer da nit schaffet zu der frist,

Dem gibt man auch zu essen nit,

HEINE.

GOTT geb demselben Land den Rit,

Ich wil dareyn mein tag nit kommen,

VLRICH.

Was habt jhr sonst für Mär vernommen?

LORENTZ.

Zu Bischoffszell ist Jahrmarckt gsein,

Ietz auff Pelagi Tag ich mein,

Vnd kurtz darvor auff Simon Jude,

Zu Lindow an dem Bodensee,

Da seind der Betler viel hin kommen,

Ich hat mein Weib auch mit mir gnommen,

Sonst auch meinr gsellen kamen zween,

Ich ließ sie mit mir vmbher gehn.

Zu Nacht wir in einr Schewren lagen,

Da fülten wir all vnsern Kragen.

Ietz wird bald zCostentz Kylweyh sein,

Da find man auch ein guten Wein,

Vnd gleich am dritten Tag hernach,

Ist Zürcher Kylweyh, mir ist gach,

Dahin zu ziehen alle zeit,

Ich bring daruon allweg mein Beut,

Sonst weiß ich keine Zeitung mehr,[30]

VLRICH.

Ich hab jhr gnug, eylet nur sehr.

HEINE.

Wir seind doch schon hie bey der Statt,

LORENTZ.

Ich bin schier worden müd vnd matt.

Sieh da, wir vnser gsellen finden,

Mit jhren Weib vnd kleinen Kinden.

VLRICH.

Es sein der guten gsellen viel,

LORENTZ.

Nu ghören sie all zu dem Spiel,

Vnd werden mit vns vbern See,

HEINE.

Gott wöll, das es nu bald geschehe.

LORENTZ.

Wir sein doch schon zu Roschach hie,

Gehn Buchhorn kommen wir noch frü.

Laßt vns nit lang hie jenseit spahrn,

Vnd mit einander vber fahrn.

Seind wir die ersten bey der Spend,

Es gräth vns noch einmal zum End.

HEINE.

Mir ist vor langem worden gach,

VLRICH.

Fahrnd jhr für vbr, ich fahr euch nach.

Mein GOTT was ist das für ein Gsind,

Wie sein mir diß so arge Kind,

Wol grosse Lecker vnd böß Buben,

Geb man den Schelmen gschoren Ruben,

Vnd ließ sie schaffen Tag vnd Nacht,

Ich mein dasselb viel Wunder macht.

Nu wil ich mich gleich stellen hie,

Als hett ich Buchhorn gsehen nie,

Vnnd mich vnder die Lumpenleut,

Vermengen hie ein kleine zeit,

Biß daß die Spend wird außgegeben,

Dann wil ich mich verfügen eben,[31]

Vnd von meinr Frawen Tugendreich,

Die Spänd annemen mit zu gleich,

Als wenn ich auch ein Bettler wer,

Wil sie anschawen von der ferr,

Vnd bald jhr bringen newe Mär.

Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 28-32.
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