Scena I.

[52] Fridlin. Hentzlin.


FRIDLIN.

Der Bettler bin ich worden ab,

Sie brächten mich vmb Gut vnd Haab,

Bey jhnen ist kein Scham, kein Ehr,

HENTZLIN.

Ich habs erfahren hewr vnd fern.

Vnd wundert mich bey meinem Eyd,

Das mans nit jaget ab der Weyd.

Dann was den Armen in dem Land,

Solt geben werden von der Hand,

Das wirt den faulen Schlengeln zu theil,

FRIDLIN.

Bey jhnen ist weder Glück noch Heil.

Dann gmeinlich diß die Schelmen sein,

So man hat gstrichen vbern Rhein.

Vnd wann mans streichet wider nüber,

So führts der Teuffel wider hrüber.

Wann ich meim Herren rahten solt,

Ein trewen Rath jhm geben wolt,

So offt mir würd ein solcher Wicht,

Dörfft es kein lang bedencken nicht,

Ich ließ jhm eisin Spreng anschmiden,

Darzu ein Halßband wie eim Rüden.

Die hartste arbeit müßt er thun,

Darzu nit gnug zufressen hon.

Die Gassen fegen, Winckel raumen,

Stein zutragen, vnd sich nit saumen.

Kam also auß der Schelmen Zucht,

Ein guter nutz, so mans versucht.

Ist mir kein zweiffel, mancher Lecker,

Der jetzund sündigt etwas kecker,

So er vor augen seh die Noht,

Er würd sich hüten, als vorm Todt.[52]

Sonst wann man dschelmen außhin streicht,

So machen sie die Peen noch leicht,

Vnd sprechen vnuerholen frey,

Es sey der schelmen erste weyh.

Was gilts, ich wolt sie hurtig machen,

HENTZLIN.

Du redst nit vnrecht von den Sachen.

Ich hab offt gsehen manches Weib,

Mit schwangerem vnd grossem Leib,

Die sich mit jhrem Mann vnd Kinden,

In allen Ehren, ohne Sünden,

Gern betten gnert, wo nit Vnglück,

Ihr Sachen stiesse all zu rück.

Hett man denselben Leuten geben,

Was gwendet wirt auff Bettler Leben,

Mich dünckt, man hets viel baß anglegt,

FRIDLIN.

Diß hat mich offt zu Zorn bewegt.

Daß gmeinlich, wie das Sprichwort laut,

Der bösten Saw in jhre Haut,

Die besten Eychel werden muß,

HENTZLIN.

Wir gehen aber gmach zu Fuß.

Vnd weil wir diese Red han triben,

Sind wir ein gute dahinden blieben.

Graff Adelhart ist längst hineyn,

Die Gutsch wirt auch schon drinnen sein.

Sieh dort, der Abt ist rhausser gangen,

Er wil vielleicht die Gäst empfangen.

Wir gsellend vns zu anderm Gsind,

Wer vns da sucht, das er vns find.


Quelle:
Nicodemus Frischlin: Fraw Wendelgard. Stuttgart 1908, S. 52-53.
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