Der verzweiflende Schäfer

[80] Du reiner Bach, der seine Quelle flieht

Und über schattenreiche Gründe

Den krummen Lauf durch Klee und Blumen zieht;

Die Ruhe such' ich hier, die ich nicht bey dir finde.

Dein sanft Gemurmel nährt mein Leid;

Dein dunkler Rand ist mir ein Bild der Traurigkeit,

Wo ich mich ungestört betrübe.

Da flieh' ich vor der Welt, vor mir flieht was ich liebe,

Und ich, ich trage noch des Lebens schwere Last?

O reiner Bach, umzirkt mit Rosenbüschen,

Der meine Thränen aufgefast,

Ich will, o Bach, mein Blut zu deinen Wellen mischen;

Du solst mich sterben sehn, der du mich leben sahst.

Quelle:
Johann Nikolaus Götz: Gedichte. Stuttgart 1893, S. 80.
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