Der Dom zu Cölln

[7] Ein Fragment


Fünffach wölbt sich die Decke auf Gruppen gothischer Säulen,

Höher hebt sich der Chor, stolzer getragen empor,

Schön ist das Innre geziert mit Erzen und Marmor und Teppchen

Und ein purpurner Tag bricht durch die farbigen Fenster. –[7]

Aber dort, wo die Dunkelheit dichter sich webt durch die Säulen,

Hauchet ein Modergeruch dumpf aus der Tiefe herauf,

Alda schlafen die Helden der Kirche im hüllenden Sarge

Und ihr Bildniß ruht drauf, sie falten die Hände zum Beten,

Und ihr starrender Blick hat sich zum Himmel gewandt.

Staunend seh ich sie an, mir ist, als müßten sie reden,

Aber sie starren noch fort, wie sie es Jahrhunderte thaten

Und mich schauert so tief, daß also stumm sind die Todten.

Doch da hebt sich Gesang, und Orgeltöne, sie schweben

Feiernd die Dome hinauf, wo glänzende Heilige beten

Aber es wandlen die Töne sich und in Fitt'che der Engel

Und umrauschten melodisch wogend die heiligen Bilder.

Und zum Himmel verkläret sich alles – Musik, und Farben, und Formen,

Aus dem entzückten Auge verschwinden die Gräber, die Todten,

Und den stummen Grüften entsteiget ein freudiges Jauchzen. –

Ja ich habe die Auferstehung gesehen im Auge des Geistes.[8]

Und das Leben der Kunst, es führte die Seele zum Himmel.

Dichtkunst! Du Seele der Künste, Du die sie alle gebohren,

Du beseelest das Grab, steigest zum Himmel empor.

Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 3, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 7-9.
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