Don Juan

[21] Es ist der Festtag nun erschienen

Geschmücket ist die ganze Stadt.

Und die Balkone alle grünen,

In Blumen blüht der Fürstin Pfad.

Da kommt sie, schön in Gold und Seide

Im königlichen Prunkgeschmeide

An ihres neu Vermählten Seite.


Erstaunet siehet sie die Menge

Und preiset ihre Schönheit hoch!

Doch Einer, Einer im Gedränge

Fühlt tiefer ihre Schönheit noch.

Er mögt in ihrem Blick vergehen

Da er sie einmal erst gesehen,

Und fühlt im Herzen tiefe Wehen.
[21]

Sein Blick folgt ihr zum Hochzeitstanze

Durch all der Tänzer bunte Reihn,

Er stirbet bald in ihrem Glanze

Lebt auf im milden Augenschein.

So wird er seines Schauens Beute,

Und seiner Augen süße Weide

Bringt bald dem Herzen bittres Leide.


So hat er Monde sich verzehret,

In seines eignen Herzens Gluth;

Hat Töne seinem Schmerz verwehret,

Gestählt in der Entsagung Muth;

Dann könnt er vohr'gen Muth verachten

Und leben nur im tiefen Schmachten,

Die Anmuthsvolle zu betrachten.


Mit Philipp war, an heil'ger Stätte,

Am Tag den Seelen fromm geweiht,

Sein Hof versammelt zu Gebete

Das Seelen aus der Qual befreit;

Da flehen Juans heisse Blicke:

Daß sie ihn einmal nur beglücke!

Erzwingen will ers vom Geschicke.


Sie senkt das Haupt mit stillem Sinnen

Und hebt es dann zum Himmel auf;

Da flammt in ihm ein kühn Beginnen,

Er steigt voll Muth zum Altar auf.

Laut will er seinen Schmerz ihr nennen,

Und seines Herzens heißes Brennen,

In heil'ger Gegenwart bekennen.
[22]

Laut spricht er: Priester! lasset schweigen

Für Todte die Gebete all.

Für mich laßt heisse Bitten steigen;

Denn größer ist der Liebe Quaal,

Von der ich wehn'ger kann genesen,

Als jene unglücksel'gen Wesen

Zur Quaal des Feuers auserlesen.


Und staunend siehet ihn die Menge

So schön verklärt in Liebesmuth.

»Wo ist, im festlichen Gepränge?«

Denkt Manche still, »die solche Gluth

Und solches Wort jetzt hat gemeinet?«

Sie ist's, die heimlich Thränen weinet,

Die Juans heisse Liebe meynet.


War's Mitleid, ist es Lieb' gewesen,

Was diese Thränen ihr erpreßt?

Vom Gram kann Liebe nicht genesen,

Wenn Zweifelmuth sie nicht verläßt.

Er kann sich Friede nicht erjagen;

Denn nimmer darf's die Lippe wagen,

Der Liebe Schmerz ihr mehr zu klagen.


Nur einen Tag will er erblicken

Der trüb ihm nicht vorüber flieht,

Nur eine Stunde voll Entzücken

Wo süße Liebe ihm erblüht,

Nur einen Tag der Nacht erwecken,

Es mag ihn dann, mit ihren Schrecken

Auf ewig, Todesnacht bedecken.
[23]

Es liebt die Königin die Bühne,

Erschien oft selbst im bunten Spiel.

Daß er dem kleinsten Wunsche diene

Ist jetzt nur seines Lebens Ziel.

Er läßt ihr ein Theater bauen,

Dort will, die reizendste der Frauen,

Er noch in neuer Anmuth schauen.


Der Hof sich einst im Spiel vereinet,

Die Königin in Schäfertracht,

Mit holder Anmuth nun erscheinet

Den Blumenkranz in Lockennacht.

Und Juans Seele sieht verwegen,

Mit ungestümem wildem Regen,

Dem kommenden Moment entgegen.


Er winkt, und Flamm und Dampf erfüllen,

Entsetzlich jetzt das Schauspielhaus;

Der Liebe Glück will er verhüllen

In Dampf und Nacht und Schreck und Graus;

Er jauchzet, daß es ihm gelungen,

Des Schicksals Macht hat er bezwungen

Der Liebe süssen Lohn errungen.


Gekommen ist die schöne Stunde;

Er trägt sie durch des Feuers Wuth,

Raubt manchen Kuß dem schönen Munde,

Weckt ihres Busens tiefste Gluth.

Möcht sterben jetzt in ihren Armen,

Möcht alles geben! ihr, verarmen,

Zu anderm Leben nie erwarmen.
[24]

Die eilenden Minuten fliehen

Er merket die Gefahren nicht,

Und fühlt nur ihre Wange glühen;

Doch sie, sie träumet länger nicht,

Sie reißt sich von ihm los mit Beben,

Er sieht sie durch die Hallen schweben.

Verhaucht ist der Minute Leben.


Mit sehnsuchtsvollem, krankem Herzen

Eilt Juan durch die Hallen hin.

In Wonne Gram und süße Schmerzen

Versinket ganz sein irrer Sinn,

Er wirft sich auf sein Lager nieder,

Und holde Träume zeigen wieder

Ihm ihr geliebtes, holdes Bild.


Die Sonne steiget auf und nieder;

Doch Abend bleibt's in seiner Brust.

Es sank der Tag ihm, kehrt nicht wieder,

Und sie, nur sie ist ihm bewußt,

Und ewig, ewig ist gefangen

Sein Geist im quälenden Verlangen

Sie, wachend träumend, anzuschaun.


Und da er wacht aus seinem Schlummer

Ist's ihm, als stieg' er aus der Gruft,

So fremd und tod; und aller Kummer

Der mit ihm schlief erwacht und ruft:

O weine! sie ist dir verlohren

Die deine Liebe hat erkohren

Ein Abgrund trennet sie und dich!
[25]

Er rafft sich auf mit trüber Seele

Und eilt des Schlosses Gärten zu;

Da sieht er, bei der Mondeshelle,

Ein Mädchen auf ihn eilen zu.

Sie reicht ein Blatt ihm und verschwindet,

Eh er zu fragen Worte findet,

Er bricht die Siegel auf und liest:


»Entfliehe! wenn dies Blatt gelesen

Du hast, und rette so dich mir.

Mir ist, als sey ich einst gewesen,

Die Gegenwart erstirbt in mir,

Und lebend ist nur jene Stunde,

Sie spricht mir mit so süßem Munde,

Von dir, von dir, und stets von dir.«


Er liest das Blatt mit leisem Beben

Und liebt's, und drückt es an sein Herz.

Gewaltsam theilet sich sein Leben,

In große Wonne – tiefen Schmerz.

Solt er die Theuerste nun meiden?

Kann sie dies Trauern ihm bereiten!

Soll er sie nimmer wieder sehn?


Er geht nun, wie sie ihm geboten;

Da trifft ein Mörderdolch die Brust.

Doch steigt er freudig zu den Todten,

Denn der Erinn'rung süße Lust,

Ruft ihm herauf die schönste Stunde,

Er hänget noch an ihrem Munde;

Entschlummert sanft in ihrem Arm.

Quelle:
Karoline von Günderrode: Gesammelte Werke. Band 1–3, Band 1, Berlin-Wilmersdorf 1920–1922, S. 21-26.
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