[Die Liebe, sagt man sonst, kan alles in der Welt]

[188] Indem der Liebe Gunst Herr Latzkens Schlafgemach

Mit einem schönen Herbste zieret,

So folgt ein Freund, wie sichs gebühret,

Der Pflicht und Schuldigkeit in diesen Reimen nach.


Die Liebe, sagt man sonst, kan alles in der Welt,

Die Liebe, deren Bau durch keine Zeit zerfällt,

Die Liebe, so die Macht des Goldes überwindet,

Die Großmuth niederschlägt und selbst die Weißheit bindet,

Die Weißheit und den Tod. Die Liebe kan zwar viel,

Nur etwas kan sie nicht; denn da mein müder Kiel,

Der noch von Briefen schwizt, an seine Pflicht gedencket,

Weis ich so gut als er noch nicht, woran es hencket,

Daß weder Kraft noch Geist nach meinen Wüntschen fliest.

Ihr, die der Musen Quell bis an den Gurt begießt,

Sagt, wo ich bitten darf, was vor ein scharf Gestirne

Mit mir und meiner Faust an diesem Tage zürne.

Die Liebe, wie gesagt, thut Wunder in der Welt,

Macht große Thoren klug, verlacht Gewalt und Geld

Und sizt hauptsächlich da, wo Redner und Poeten

Nach angebohrner Art bey Wein und Lust erröthen.

Wie kommt es aber jezt, daß selbst die Liebe schweigt

Und mir, so sehr ich schrey, nicht eine Gunst erzeigt,

Mir, der ich mich allein auf ihren Trost verspize

Und mehr als unsre Braut bey ihrem Reihen schwize?

Ich seh nun endlich wohl, was dies mein Zaudern heist:

Der Haß der Poesie versagt mir Hülf und Geist,

Der Phoebus hört mich nicht, er kehrt mir gar den Rücken,

Als sollt ich seinen Zorn auch hinterwärts erblicken.

Die Musen stehn und fliehn. Flieht, Musen, immerhin,

Die Ursach eurer Flucht ist, daß ich flüchtig bin

Und, wie ihr etwan scherzt, aus eurem edlen Orden

Beym flüchtigen Mercur zum Mammelucken worden.

Ja ja, da liegt der Hund; helft, Musen, wem ihr wollt,

Ich schwöre, daß ihr mich gleichwohl nicht hemmen sollt,

Dies angefangne Blat als ein gewißes Zeichen[202]

Verwandter Redligkeit der werthen Braut zu reichen.

Die Liebe schimpf ich nicht, denn daß sie mich verläst,

Das macht, vergnügte Braut, dein angenehmstes Fest.

Bey diesem hat sie schon so viel zu thun bekommen,

Daß ihre Sorgfalt nicht mein Schreyn in Acht genommen.

Du siehst, vergnügtes Paar, das Blat ist ziemlich voll,

Bevor ich selber weis, womit ich dienen soll.

Ists mit galanter Kunst, so werd ich nichts erzwingen,

Ists mit der Redligkeit, so will ich beßer singen.

Du bist es allerdings, gepriesne Redligkeit,

Die einzig und allein den Worten Kraft verleiht

Und die mich nach Gebühr mit sanfter Stärcke treibet,

Daß meine Schuldigkeit die frohen Zeilen schreibet.

Blutfreundschaft und Natur thun mehr als Wiz und Fleiß,

Und, Vetter, deine Glut macht meine Feder heiß,

Bey wohlgetrofner Wahl die Silben einzurichten.

Die Warheit crönt den Vers, du weist, ich kan nicht dichten,

Daher vergnügt es mich, daß dies, was dich vergnügt,

(Wie lange wird es noch?) in deinen Armen liegt

Und daß ein ehrlich Herz, nach dem du starck gerungen,

Die Freyheit deiner Brust so unverhoft bezwungen.

Gieb Achtung, sieh dich um (doch nur ins Ohr gesagt),

Was der und jener Freund in seiner Eh beklagt,

Die, weil sie nur der Zwang der Mode nach geschloßen,

Gemüther paart und trennt. Was sieht man nicht vor Poßen,

Wenn bald ein Kuppelweib, bald eine tolle Magd

Sich blos aus Eigennuz zum Heiratsstiften wagt

Und wenn wir insgeheim einander fälschlich küßen,

Daß wir drauf ofentlich die Schande paaren müßen.

Der Trieb, der dich erhizt, kommt aus der höchsten Hand,

Die Vorsicht, nicht ein Mensch, knüpft blos das feste Band,

Das Seelen gleicher Art zum Lebensbaume führet

Und als ein süßes Joch viel minder drückt als zieret.

Ich laße, wie du siehst, den Reimen freyen Lauf

Und halte dich gewis in Scherz und Küßen auf.

Doch scherz und küße nur, da der, so alles führet,

Dich und dein ander Herz mit gleichem Zuge rühret.[203]

Mein Buch, mein Contoir ist freylich kein Parnaß,

Der Phoebus lockt mich oft, doch ists nur allzeit Spaß,

Und was die Dinte giebt, das sind nur schwarze Flecke,

Worunter ich vielleicht die Ehrligkeit verstecke,

So wie du dich versteckst, du wohlversorgtes Paar.

Das Wetter unsrer Zeit ist freylich nicht zu klar,

Jedoch, so trüb es ist, so ist es noch zu lichte,

Daß dein erhiztes Blut den Streit bey Tage schlichte,

Den Streit, den süßen Streit, der, wie man sagt und meint,

Den schönsten Kranz gewährt. Da liegt dein schöner Feind,

Vergnügter Bräutigam, bediene dich der Siege

Wie unser Held Eugen. Was aber, was vom Kriege

Und von der Grausamkeit, die, wo ein süßer Kuß

Den wahren Frieden bringt, das Nachsehn haben muß,

Weil Handlung und Gewinn blos in den Friedensjahren

Den Wucher, der sie zieht, mit größrer Lust erfahren?

Ich kehre plözlich um und halte mich daran,

Daß, da, vergnügtes Paar, dein Lieben wuchern kan,

Dein feuerreicher Blick bey meiner schlechten Zeile

Sich sonder Ärgernüß und ohn Verdruß verweile.

Dein Liebster, werthe Braut, der dich im Herzen trägt

Und der davor sein Herz bey dir auf Banco legt,

Wird, sollt ihn auch dein Geiz mit Küßen häufig treiben,

Dir auf dein Capital die Zinse schuldig bleiben.

Der Nahme zeigt es schon, die Warheit geht es ein,

Kein schöner Herbst, wie du, kan ohne Früchte seyn,

Und Blumen, die so voll als deine Tugend strahlen,

Kan niemand doch so schön als jezt dein Bräutgam mahlen.

Dies ist genung gesagt; das Opfer bleibt zulezt,

Was meine Schuldigkeit zu eurer Freude sezt,

Das ist ein heißer Wuntsch, daß dein und sein Vergnügen

So gut als ihr nunmehr in einem Bette liegen.

Ich habe manch Papier zeitlebens schon verschmiert

Und mehr als einen Tag die Rechnung durchgeführt,

Doch wüntsch ich euch so viel von Eintracht in dem Lieben

Als Zifern meine Faust nur obenhin geschrieben.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 6, Leipzig 1937, S. 188-189,202-204.
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