Nahmenscantata auf seine Liebste zur Abendzeit

[27] Aria.


Ich versteh wohl, was ihr wollt,

Ihr erbosten Abendwinde;

Will ein eifersüchtig Rasen

Mir so Wort als Schall verblasen,

Schwör ich doch bey meinem Kinde,

Daß ihr wenig schaden sollt.

Da Capo.


Recitat.


Sie hat mein Herz bey sich,

Dies könt ihr wohl nicht rühren,

Drum weis sie auch in Leid und Lust,

Was ich und meine Brust

Auch ohne Wort vor Sprache führen.

Ich denck und sage, was ich will,

Vor Leuten oder in der Still,

So denck und sag ich allzeit dies,

Was Ehrfurcht, Lieb und Demuth spricht:

Sie bleibt mein Licht.


Aria.


Sie bleibt mein Licht und meine Sonne,

Nach der sich meine Sehnsucht kehrt;

So lange Geist und Blut noch brennen,

Wird sie nichts mehr bewegen können,

Als was ihr aus den Augen fährt.

Da Capo.


Recitat.


Dies Abendopfer zeiget dir

Pflicht, Ehrfurcht und Begier,

Dein Glücke stets vermehrt zu wißen.

Mein Lager hat kein sanfter Küßen

Als die Zufriedenheit,

Wenn das Verhängnüß und die Zeit[28]

Mich deiner Lust versichern.

In meinen liebsten Büchern

Erscheint mir jezt kein Blat,

Das größern Nachdruck hat,

Als da dein Fest und Nahmen

Mit rothen Silben lacht,

Je mehr ich mit Bedacht

Daselbsten buchstabire,

Je mehr ich Wollust spüre,

Die viel von deinem Seegen spricht

Und jezt in volle Flammen

Ergebner Wüntsche bricht:

Ihr Chöre stimmt zusammen!


Aria.


Bemüht euch nicht weiter, ihr schläfrigen Blicke,

Begebt euch vom Fenster ins Lager zurücke,

Das Opfer der Andacht wird kräftig geschehn.

Die Vorsicht verspricht euch ein zärtlich Vergnügen

Und wird euch die Dauer zur Menge stets fügen.

Geht, eilet, den Anfang in Schlummer zu sehn!

Da Capo.

Quelle:
Johann Christian Günther: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Leipzig 1930, S. 27-29.
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