Vorwärts!

[231] Sommer 1867.


Durch Deutschlands Gauen hallt das Wetter aus,

Die Luft wird hell, entschieden ist der Strauß;

Zertrümmert liegt, das keiner Schmach gewehrt,

Das Haus am Main, ohnmächt'ger Zwietracht Herd,

Und überm Schutt, auf bessern Fels gegründet,

Steigt auf der Bau, der schon das Reich verkündet.


Einfügt sich Stein um Stein. Und fällt zersprengt

Manch alter Schmuck, dran unser Herz noch hängt,

Wir bringen ihn getrost, wie traut er war,

Dem großen Vaterland zum Opfer dar

Und trinken reichres Leben frohgemutet

Im Strom der Kraft, die aus dem Ganzen flutet.


Du aber, kriegerisch Geschlecht, bestellt,

Ein Hort zu sein der jungen deutschen Welt,

Mit deinen Zielen wachse! Was das Schwert

Begann, vollend' es, deiner Siege wert!

Das Haupt umkränzt mit frischem Eichenlaube

Laß, was verwelkt ist, hinter dir im Staube!


Durchbrich in jugendlicher Heldenkraft

Der längst zu eng gewordnen Formel Haft!

Wirf ab den Starrsinn, der, was fröhlich blüht,

Gewaltsam nach der Schnur zu ziehn sich müht!

Des jungen Weins lebend'ge Ströme lassen

Sich nimmer in die alten Schläuche fassen.


Du kämpftest nicht nach seellos dumpfem Brauch,

In deinen Fahnen wob des Geistes Hauch;

Das schuf den Sieg dir, daß im Schlachtgewog'[231]

Sein Brausen über deinen Fahnen zog;

Mit ihm im Bunde vorwärts! Laß ihn walten

Und, die da tot sind, sich an Totes halten!


Du führst den Adler, zieh uns denn voran

Mit Adlersflug auf morgenroter Bahn!

Flieg in der Freiheit Sonne kühn hinein,

Und du wirst deutsch, und dein wird Deutschland sein,

Vom Schnee der Gletscher bis zum Bernsteinmeere

Glorreich verjüngt in Eintracht, Macht und Ehre.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 231-232.
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