Zur Friedensfeier

[255] (18 Juni 1871.)


Flammt auf von allen Spitzen,

Ihr Feuer deutscher Lust,

Und weckt mit euren Blitzen

Ein Danklied jeder Brust!

Das grause Spiel der Waffen

Mit Gott ist's abgetan,

Und, die das Schwert geschaffen,

Die Palmenzeit bricht an.

Preis dem Herrn, dem starken Retter,

Der nach wunderbarem Rat

Aus dem Staub uns hob im Wetter

Und uns heut im Säuseln naht!


Nun ward in eins geschmiedet,

Was eitel Stückwerk war,

Nun liegt das Reich umfriedet

Vor Arglist und Gefahr.

Vom Alpenglühn zum Meere,

Vom Haff zur Mosel weht

Das Banner deutscher Ehre

In junger Majestät.

Preis dein Herrn, dem starken Retter,

Der nach wunderbarem Rat

Aus dem Staub uns hob im Wetter

Und uns heut im Säuseln naht![255]


Wie braust von Stamm zu Stamme

Ein Leben reich und stolz,

Seit der Begeistrung Flamme,

Was starr sich mied, verschmolz,

Seit am vereinten Werke

Des Südens Flügelkraft,

Des Nordens klare Stärke

Wetteifernd ringt und schafft!

Preis dem Herrn, dem starken Retter,

Der nach wunderbarem Rat

Aus dem Staub uns hob im Wetter

Und uns heut im Säuseln naht!


Der in der Feuerwolke

Voran uns zog im Krieg,

Nun send' er unsrem Volke

Die Kraft zum letzten Sieg,

Die Kraft, auch aus den Herzen

Der Lüge finstre Saat,

Das Welschtum auszumerzen

In Glauben, Wort und Tat.

Preis dem Herrn, dem starken Retter,

Der nach wunderbarem Rat

Aus dem Staub uns hob im Wetter

Und uns heut im Säuseln naht!


Zieh ein zu allen Toren,

Du starker, deutscher Geist,

Der aus dem Licht geboren

Den Pfad ins Licht uns weist,

Und gründ' in unsrer Mitte

Wehrhaft und fromm zugleich

In Freiheit, Zucht und Sitte

Dein tausendjährig Reich!

Preis dem Herrn, dem starken Retter,

Der nach wunderbarem Rat

Aus dem Staub uns hob im Wetter

Und uns heut im Säuseln naht![256]

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 255-257.
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