Beim Tode eines Dichters

[139] O Tod, du bist der wahre Fürst der Welt,

Der Priester bist du, der mit reinen Händen

Den Kranz der bleichen Stirn vermag zu spenden

Und heil'ge Namen schreibt ans Sternenzelt.


Das Linnentuch, zu deinem Dienst bestellt,

Ein Purpur wird's, den keiner wagt zu schänden,

Ein Demantschild, gefeit an allen Enden,

Von dem zurück der Pfeil des Spottes schnellt.


Wohl höhnt die Welt in blödem Frevelmute

Manch großes Herz, das ihr doch alles gab,

Was reich und schön in seiner Tiefe ruhte;


Da schwebst, ein Trostesengel, du herab

Und rührst es sacht, daß es nicht fürder blute -

Und pflanzest ew'gen Lorbeer auf das Grab.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 139-140.
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