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[25] Da ich nun entsagen müssen

Allem, was mein Herz erbeten,

Laß mich diese Schwelle küssen,

Die dein schöner Fuß betreten.


Darf ich auch als Ritter nimmer

Dir beglückt zur Seite schreiten,

Laß mich doch als Pagen immer

In die Messe dich begleiten.


Will ja treu sein und verschwiegen,

Tags dem kleinsten Winke lauschen,

Nachts auf deiner Schwelle liegen,

Mag auch Sturm und Hagel rauschen;


Will dir stets mit sitt'gen Grüßen

Morgens frische Rosen bringen,

Will des Abends dir zu Füßen

Lieder zur Gitarre singen;


Will den weißen Renner zäumen,

Wenn's dich lüstet frisch zu jagen,

Will dir in des Waldes Räumen

Dienend Speer und Falken tragen;[25]


Will auf deinen Liebeswegen

Selbst den Fackelträger machen

Und am Tor mit blankem Degen,

Wenn den Freund du küssest, wachen.


Und das alles ohne Klage,

Ohne Flehn, nicht laut noch leise,

Wenn mir nach vollbrachtem Tage

Nur ein Lächeln wird zum Preise;


Wenn gleich einem Segenssterne,

Der mein ganzes Wesen lenket,

Nur dein Aug' aus weiter Ferne

Einen einz'gen Strahl mir schenket.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 25-26.
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