Wenn sich zwei Herzen scheiden

[143] Wenn sich zwei Herzen scheiden,

Die sich dereinst geliebt,

Das ist ein großes Leiden,

Wie's größres nimmer gibt.[143]

Es klingt das Wort so traurig gar:

Fahr wohl, fahr wohl auf immerdar!

Wenn sich zwei Herzen scheiden,

Die sich dereinst geliebt.


Als ich zuerst empfunden,

Daß Liebe brechen mag,

Mir war's, als sei verschwunden

Die Sonn' am hellen Tag.

Mir klang's im Ohre wunderbar:

Fahr wohl, fahr wohl auf immerdar,

Da ich zuerst empfunden,

Daß Liebe brechen mag.


Mein Frühling ging zur Rüste,

Ich weiß es wohl warum;

Die Lippe, die mich küßte,

Ist worden kühl und stumm.

Das eine Wort nur sprach sie klar:

Fahr wohl, fahr wohl auf immerdar!

Mein Frühling ging zur Rüste,

Ich weiß es wohl warum.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 143-144.
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