An F.K.

[316] »Tragödien dichte; laß das Liederfeilen!«

So schiltst du und ermahnst du mich voll Güte,

Doch sieh, mir steckt ein Fieber im Geblüte,

Das Fieber der Sonette, schwer zu heilen.


Dies ist der Krankheit Merkmal, daß mit Eilen,

Was immer nur berühret mein Gemüte,

Verschlungen durch vierfachen Reimes Blüte

Mir unbewußt sich fügt in vierzehn Zeilen.


Zwar fürcht' ich nicht, daß sie ins Grab mich treibe,

Da ja Petrark, den sie geplagt wie keinen,

Alt dabei ward und wohl gedieh am Leibe.[316]


Doch läßt sie sich so wenigste verneinen,

Daß selbst dies Brieflein, das ich rasch dir schreibe,

Mir zum Sonett wird wider Wunsch und Meinen.

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 1, Leipzig und Wien 1918, S. 316-317.
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