Die Braut

[74] (Am Tage vor der Hochzeit.)


Wie schmachtet' ich noch jüngst

Um seinetwillen!

Und dennoch wein' ich nun

Für mich im stillen.


Ach, als er heute mich

So heiß umfangen,

Kam in die Seele mir

Ein endlos Bangen.


Schluchzend an seinem Hals

Konnt' ich nicht sprechen;

Mir war's, als wollte was

In mir zerbrechen.


Das höchste Glück, so nah,

Macht, daß ich bebe –

O Liebster, wüßtest du,

Was ich dir gebe!

Quelle:
Emanuel Geibel: Werke, Band 2, Leipzig und Wien 1918, S. 74-75.
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